Bei einem Schlag der ukrainischen Armee auf eine Kaserne in Makijiwka, einem Vorort von Donezk, sind offenbar Hunderte Rekruten gestorben, die im Zuge der Mobilisierung in die russische Armee eingezogen worden sind. Die Abteilung für strategische Kommunikation der ukrainischen Armee sprach von 400 Toten und mindestens 300 Verletzten. Auch kremltreue Telegram-Kanäle berichten von Hunderten von Toten. Weder die russischen noch die ukrainischen Angaben sind unabhängig überprüfbar.
Nach Angaben der russischen Telegram-Kanäle waren die Mobilisierten aber im Gebäude der Berufsschule Nr. 19 in der Kremljowskaja-Straße untergebracht. Der Angriff auf das Objekt sei am Silvesterabend mit einer HIMARS-Rakete ausgeführt worden.
Der Telegram-Kanal "Tsargrad" berichtete, dass in lokalen Chats die Zahl der Todesopfer auf "Hunderte von Menschen" geschätzt werde. Der ebenso kremltreue Kanal "Operative Berichte" meldete 500 Tote. Der russische Militärblogger Boris Rozhin schrieb, dass am Abend des 1. Januar die Bergungsarbeiten immer noch andauern würden.
Die Führung in Moskau schweigt beharrlich zu den russischen Verlusten im Angriffskrieg auf die Ukraine. Umso bemerkenswerter ist nun die konkrete Nennung von 500 Toten unter den Mobilisierten, die in der russischen Gesellschaft bei Weitem schwieriger aufgenommen werden, als Verluste unter den regulären Streitkräften. Handelt es sich doch bei vielen mobilisierten Soldaten um Zwangsrekrutierte.
Kritik als Auftragsarbeit
Bemerkenswert ist auch der Text, der die Nachricht von den Toten in Makijiwka begleitet und über russische kremlfreundliche Telegram-Kanäle verbreitet wird. "Nach Schlägen auf große Munitions- und Treibstoffdepots hat man damit begonnen, die Lager zu dezentralisieren, um großen Materialverlust zu vermeiden. Dies zeigte Wirkung und dem Gegner gelangen bei weitem weniger effektive Schläge auf große Lagerhäuser", beginnt der Text, bevor zur Kritik an der russischen Militärstrategie ausgeholt wird.
Derselbe Ansatz müsse doch auch für die Unterbringung der Soldaten verfolgt werden. "Aber wir sehen nun, dass auch nach mehreren Kriegsmonaten einige Schlussfolgerungen nicht gezogen werden. Daher auch die unnötigen Verluste, die durch elementare Vorsichtsmaßnahmen in Bezug auf die Dezentralisierung und den Schutz des Personals hätten vermieden werden können. Inkompetenz und Unfähigkeit, aus den Kriegserfahrungen zu lernen, ist nach wie vor ein ernstes Problem."
Die Kritik richtet sich direkt gegen die militärische Führung, also das russische Verteidigungsministerium. Die wortgleichen Postings, die nun über Telgeram verbreitet werden, deuten darauf hin, dass es sich um Auftragsarbeit handelt – eine Methode, die nicht nur vom Kreml und seinen Propagandisten betrieben wird, sondern auch von den einzelnen Interessengruppen im Machtzentrum Moskaus, etwa von Jewgeni Prigoschin.
Jewgeni Prigoschin attackiert Armeeführung
Der Chef der Söldnertruppe "Wagner" hatte erst kurz vor dem Jahreswechsel eine Kampagne gegen den Chef des Armee-Generalstabs, Waleri Gerassimow, gestartet. Im Netz wurde von Telegram-Kanälen, die bekanntlich im Auftrag der vermeintlichen Privattruppe arbeiten, ein Video verbreitet, in dem Wagner-Söldner den wichtigsten Mann der russischen Armee beleidigen. Er sei ein "verdammter Motherfucker", flucht einer der Söldner. "Wir kämpfen gegen die gesamte ukrainische Armee in der Nähe von Bachmut. Wo bist du? Es ist an der Zeit, dass du uns hilfst", schimpfte ein anderer.
Prigoschin bestätigte, dass es sich um seine Söldner handelte und nahm sie in Schutz: "Was die Probleme betrifft, die leider ständig auftauchen … Wir werden sie lösen und eine Lösung erzwingen", erklärte er.
Die Attacke gegen das Verteidigungsministerium werten Experten als ein Symptom des Machtkampfes innerhalb der russischen Eliten. "Prigoschin versucht seit langem, in der Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass das Verteidigungsministerium nicht das effektivste Organ ist. (...) Wenn die Niederlagen sich häufen, stellt sich die Frage: Wer trägt die Schuld?", fasst der Militärexperte Michael Naki die Situation zusammen. "Für Prigoschin ist es wichtig, zu zeigen, dass die Wagner-Söldner erfolgreich sind, aber ihnen Steine in den Weg gelegt werden. Es ist sehr leicht, die Verantwortung auf irgendwelche Generäle zu schieben und zu behaupten, dass alles an ihnen scheitert."
"Die Tragödie in Makijiwka ist ein Verbrechen. Und nicht seitens der Ukraine"
Auch nach dem Schlag gegen die russische Armee in Makijiwka wird nun nach dem Schuldigen gesucht. Der Kommentator Jewgeni Norin schrieb: "Die Tragödie in Makijiwka ist ein Verbrechen. Und nicht seitens der Ukraine. Diese Katastrophe hat einen Namen, welcher der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt ist. Dessen Körper muss aber betraft werden. Die Streitkräfte der Ukraine handeln so, wie sie sollten – sie versuchen, unsere Soldaten zu töten. Aber ihr wahrer Mörder ist der Schurke, der die Kämpfer so positioniert hat, dass es für den Feind leicht war, sie zu erschießen."
Der militaristische Telegrammkanal "Älter als Edda", schrieb, das, was in Makijiwka passiert ist, sei eine "monströse Inkompetenz" und "das wahre Verbrechen großer Militärführer, die immer noch in einer anderen Welt leben." Bleibt nun abzuwarten, dass der Name des "Schurken" genannt wird. Der wird auch den Auftraggeber der Kampagne offenbaren.
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