Vorwahlen der US-Demokraten Die Obama-Welle trifft Hillary

  • von Tobias Betz
Eigentlich liegen sie fast gleichauf, Hillary Clinton hat sogar einen Vorsprung. Eigentlich. Denn gefühlt hat im Duell um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten Barack Obama die Nase vorn. Der reitet eine Welle des Erfolgs, die Clinton nun frontal erwischt. Eine erste Bilanz der Vorwahlen.

Sie müssen weiter kämpfen, weiter kreuz und quer durchs Land reisen. Hände schütteln, Reden halten und dabei stets lächeln. Es gibt keine Verschnaufpause für Hillary Clinton und Barack Obama im Ringen um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten. So eng ist das Rennen zwischen beiden Bewerbern, dass um jeden kleinen Sieg gekämpft, um jeden Delegierten gerungen wird.

Eigentlich sollte der "Super Tuesday" mit Vorwahlen in 22 Bundesstaaten das Rennen zwischen Obama und Clinton entscheiden. Doch die zum Finale hochstilisierte Wahlnacht brachte keinen klaren Sieger, sondern nur mehr Verwirrung bei den Demokraten hervor. Deswegen geht der parteiinterne Wahlkampf nun überraschend in die Verlängerung - und in den kommenden Wochen ist alles möglich.

2025 Delegierte sind notwendig

Mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung hat bereits gewählt und doch sind die beiden Kandidaten fast gleichauf bei der Anzahl der ausschlaggebenden Delegierten. Clinton hat momentan 1148 Delegierte auf ihrem Konto, Obama konnte durch seine vier Wahlsiege am Wochenende seine Delegiertenzahl auf 1121 erhöhen. Doch die magische Zahl heißt 2025. So viele Delegierte sind notwendig, um von den Demokraten als Präsidentschaftskandidat nominiert zu werden. Beide sind davon noch weit entfernt.

Und daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Denn die Regeln der Demokraten sehen vor, dass die Delegierten in jedem Bundesstaat proportional zum Wahlergebnis vergeben werden. Ein knapper Sieg von Obama ist deswegen noch kein Rückschlag für Clinton, und umgekehrt. Besonders für Clinton ist die Situation frustrierend. Dachte sie doch noch vor wenigen Wochen, sie könnte locker zur Kandidatur ihrer Partei sprinten. Stattdessen rückt sie nun im Schneckentempo auf die 2025-Marke vor.

Entscheidung kann erst im Juni fallen

Im Februar ist mit einer Entscheidung nicht mehr zu rechnen. In fünf Bundesstaaten wird in diesem Monat zwar noch gewählt, doch die rund 350 Delegierten, die auf dem Spiel stehen, reichen beiden Kandidaten nicht für den Sieg. Deshalb wird der Wahlkampf in den März hineingehen. Doch auch Texas, Ohio, Rhode Island und Vermont mit ihren Vorwahlen am 4. März werden wahrscheinlich noch nichts endgültig entscheiden. Ein gutes Abschneiden von beiden Bewerbern würde die 444 Delegierten, die an diesem Tag zu holen sind, nur gleichmäßig verteilen. So könnte es weiter gehen nach Pennsylvania (22. April) oder sogar bis zur letzten Station im Vorwahlrennen, Puerto Rico, am 7. Juni.

Sollte auch dann noch kein Sieger gefunden sein, droht der Nominierungsparteitag im August zum Tag der Entscheidung zu werden. Ein Horrorszenario für die Demokraten. Statt demokratischer Auslese würde die alte Praxis der Hinterzimmerpolitik wieder Einzug halten. Parteifunktionäre und gewählte Amtsträger der Demokraten, so genannte "Super Delegates", könnten dann eigenmächtig den Kandidaten küren, da sie nicht an das Wahlergebnis in ihrem Staat gebunden sind. Ein solch undemokratisches Vorgehen wäre eine willkommene Wahlkampfmunition für die Republikaner im Herbst.

Warnung vor Showdown

Einige in der Partei haben die Gefahr bereits erkannt, und warnen vor einem Showdown zwischen Obama und Clinton auf dem Parteitag. In einem Fernsehinterview zeigte sich Parteichef Howard Dean besorgt und versprach bei einem Patt vor dem Parteitag mit beiden Kandidaten zu sprechen, um eine Zerreisprobe der Partei zu vermeiden. "Ich glaube wir können uns keinen Nominierungsparteitag erlauben, bei dem der Kandidat ausgehandelt wird", so Dean.

Der Streit über die Rolle der insgesamt 800 Superdelegierten ist bereits voll entbrannt. Beide Kandidaten versuchen sich hinter den Kulissen möglichst viele der einflussreichen Stimmen zu sichern, rund 340 haben sich bislang für einen der beiden Bewerber entschieden. Andere in der Partei fordern dagegen alle Superdelegierten auf, sich mit öffentlichen Treueschwüren zurückzuhalten, bis sich ein klarer Favorit abzeichnet.

Streit um Florida und Michigan

Für zusätzliches Öl im Feuer des Wahlkampfs sorgt die Diskussion um die Bundesstaaten Florida und Michigan. Beide hatten ohne Zustimmung der nationalen Partei ihre Vorwahlen in den Januar vorverlegt und wurden dafür bestraft. Beide Staaten dürfen nun keine Delegierten zum Parteitag schicken. Doch ein Nominierungsparteitag ohne Florida und Michigan bei den Demokraten ist schwer vorstellbar. Vor allem Hillary Clinton setzt sich dafür ein, die Ergebnisse in beiden Staaten doch noch zählen zu lassen. Das würde ihr helfen, gewann sie doch in beiden Vorwahlen. Das Wahlkampfteam von Obama versucht dies zu verhindern und beruft sich dabei auf die Tatsache, dass es in beiden Staaten keinen echten Wahlkampf gegeben hat. Ein Kompromiss könnte sein, dass beide Staaten einen Caucus, also eine Abstimmung der Parteimitglieder, abhalten. Unklar ist jedoch, wer diese zweite Vorwahlrunde finanzieren soll.

Ein Streit über das Verfahren und ein langer Wahlkampf könnten am Ende den Republikanern in die Hände spielen. Dort steht mit dem Senator John McCain bereits der Wahlsieger so gut wie fest, der von seinem Konkurrenten Mike Huckabee nur noch theoretisch eingeholt werden kann. Eine sich zankende demokratische Partei liefe Gefahr, den Enthusiasmus ihrer Wähler zu verspielen und den Republikanern neues Leben einzuhauchen. Eine Kandidatin Clinton hätte dann Schwierigkeiten Schwarze und junge Wähler auf ihre Seite zu ziehen. Ein Kandidat Obama würde nach all dem Streit wohl kaum weibliche Wähler und Hispanics für sich gewinnen können. McCain hätte so Zeit, sich als Kandidat der Republikaner in Szene zu setzen und könnte dabei genüsslich die Demokraten als Chaotentruppe skizzieren, die man besser nicht auf den verantwortungsvollen Posten im Weißen Haus lässt.

McCain hofft auf Chaostage bei den Demokraten

Und McCain beschäftigt schon jetzt die Dauerwahlkämpfer Clinton und Obama. Dabei geht es um die Frage, wer von beiden McCain besser Paroli bieten könne. Obama brüstet sich damit, dass er in den "roten Staaten", den Hochburgen der Republikaner, gewonnen hat und viel Begeisterung an der Basis wecken konnte. Clinton verweist dagegen auf ihre größere Erfahrung und ihr Detailwissen in Fragen der Außenpolitik und Nationalen Sicherheit. Ein Kandidat Obama, so ihre Argumentation, wäre dem Kriegshelden und langjährigen Senator McCain in der Debatte um Krieg und Frieden chancenlos unterlegen.

Die Zahlen sprechen momentan aber für Obama. Eine Umfrage für das Magazin "Time" ergab: Bei einem Duell Obama und McCain hätte der schwarze Senator aus Illinois die besseren Chancen (48 zu 41 Prozent). Clinton liegt dagegen gleichauf mit McCain, beide erreichten bei der Umfrage 46 Prozent.

Doch vor der Auseinandersetzung mit McCain warten auf Obama und Clinton noch die Mühen eines langen Wahlkampfs. Die nächsten Vorwahlen könnten zu Festspielwochen für Barack Obama werden. Am Wochenende konnte er bereits vier Siege einfahren. In den nächsten Stationen werden ihm ebenfalls gute Chancen gegeben, weil Schwarze und junge Wähler in Maryland und Virginia den Ausschlag geben könnten. Das Clinton-Lager spielt dagegen auf Zeit, wird aber zunehmend nervös, was Clintons Entscheidung für den Rausschmiss ihrer Wahlkampfmanagerin zeigt. "Es könnte passieren, dass wir im Februar keine einzige Vorwahl gewinnen, deswegen setzen wir auf Ohio und Texas", erklärte ein Berater von Hillary Clinton. Sie will in den beiden großen Staaten zurückschlagen und wieder die Führung übernehmen. Clinton spekuliert darauf, dass Latinos in Texas und Arbeiter in Ohio die Entscheidung herbeiführen. Beide Wählergruppen haben bislang überwiegend für Clinton gestimmt. Doch allzu sehr in Sicherheit wiegen sollte sie sich nicht, denn Obama hat den nötigen Schwung und die finanziellen Mittel, um auch dort zu siegen.

Ehemann Bill will sich zurückhalten

Der Wahlkampf verspricht also noch eine Weile spannend zu bleiben. Nur einer will in den nächsten Wochen ein wenig leiser auftreten: Ex-Präsident Bill Clinton. Der hatte noch in South-Carolina heftig Stimmung gegen Obama gemacht und mit seinen Äußerungen viele schwarze Wähler verstimmt. Künftig wolle er seine Frau nicht mehr verteidigen, denn damit riskiere er nur "falsch zitiert zu werden" und für Schlagzeilen zu sorgen. Und das wolle er doch nicht, sagte Clinton und blickte dabei mit ernster Miene in die Kamera.