Wut über hohe Kosten Trecker-Trecks in Europa: Nicht nur in Deutschland protestieren die Bauern

Mit Treckern haben Bauern in Frankreich Autobahnen blockiert
Mit Treckern haben Bauern in Frankreich Autobahnen blockiert
© Bertrand GUAY / AFP
Die Bauernproteste in Deutschland weiten sich in andere europäische Länder aus: In Frankreich wollen Landwirte Paris blockieren, in Rumänien und Litauen rollen Traktoren ebenfalls im Konvoi. Und in den Niederlanden sitzen Protest-Bauern vielleicht bald in der Regierung.

Am Montag rollten wieder Trecker durch Hamburg. Unter dem Motto "Gegen Steuer- und Bürokratiewahn" blockierten sie Straßen. Teilweise für mehrere Stunden ging auf Verkehrsadern nichts mehr. "Wir haben zwischen Grindelallee und Alsterglacis rund 550 Traktoren gezählt", sagte ein Polizeisprecher am Montag. Die Polizei hatte mit rund 1500 Treckern gerechnet. Auch im Süden Hamburgs blockierten Bäuerinnen und Bauern mit einer unangemeldeten Kundgebung die Straßen rund um den Hafen.  

Die deutschen Landwirte protestieren seit Wochen gegen die Entscheidung der Bundesregierung, den Agrardiesel nicht mehr zu subventionieren und die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge auslaufen zu lassen. Inzwischen ist die Ampelkoalition zurückgerudert: Die Agrardieselbegünstigung soll bis 2026 schrittweise abgebaut werden, die geplante Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge ist ganz vom Tisch.

Bauernproteste in Rumänien, Italien, Polen und Belgien

Die deutschen Trecker-Korsos sind inzwischen zum Vorbild und Katalysator für weitere Bauernproteste in Europa geworden: In Belgien beteiligten sich zahlreiche Landwirte an Protestaktionen. Am Sonntag blockierten dort mehrere Dutzend Traktoren eine Autobahn im Süden des Landes. 

In Litauen wehrten sich mehrere tausend Bauern gegen die Sparpläne und die Agrarpolitik der Regierung des baltischen EU-Landes. Sie sind unzufrieden mit der Schutzgebietsverordnung, ihrer Einkommenssituation und den Milchpreisen. Wie in Deutschland geht es den litauischen Bauern aber auch um die Kraftstoffpreise.

In Polen wehren sich Landwirte seit Monaten gegen zollfreie Importe ukrainischen Getreides, mit der Begründung, diese würden ihre Preise verderben. Aus Italien werden ebenfalls Proteste der Bauern gemeldet.

Eine Reihe von Traktoren bei einer Demo von Landwirten in Brescia, Italien
Eine Reihe von Traktoren bei einer Demo von Landwirten in Brescia, Italien
© Spada/LaPresse via ZUMA Press / DPA

Auch in Rumänien blockierten Landwirte und Spediteure tagelang mit Lastwagen und Traktoren Straßen, unter anderem an den Grenzübergängen zu Ungarn, Serbien und der Ukraine. Inzwischen sind die Proteste abgeflaut, die Regierung hat die Umsetzung der wichtigsten Forderungen versprochen. Dazu gehört die Senkung der Kfz-Versicherungskosten. Ein weiterer Dämpfer war der Versuch rechtsextremer Politiker, die Bauernbewegung für sich zu nutzen. Die Mehrheit der rumänischen Bauern will mit den Rechtsextremen nichts zu tun haben. Dennoch bleiben einige Forderungen offen, etwa nach Steuererleichterungen, mehr Subventionen und günstigeren Krediten.

Frankreich: Blockaden auf Autobahnen

Einer der Brennpunkte der europäischen Bauernproteste ist derzeit Frankreich und vor allem dessen Hauptstadt Paris, wo sich die Wut der Bauern ebenfalls seit Monaten entlädt. 

Am Dienstag rollten rund 200 Traktoren auf den Pariser Großmarkt Rungis zu. Am späten Nachmittag soll der Konvoi sein Ziel erreichen und den Markt blockieren. Sollte dies gelingen, könnte es schwerwiegende Folgen haben: Europas größter Frischemarkt versorgt den Großraum Paris mit Lebensmitteln. 

Rund 15.000 Polizisten sollen seit gestern dafür sorgen, dass der Traktor-Protest nicht in die Hauptstadt kommt. Der Konvoi von 200 Traktoren, der sich derzeit auf Paris zubewegt, wurde zunächst von Gendarmen gestoppt. Den Demonstranten gelang es jedoch, die Straßensperre zu umfahren und auf kleinere Straßen auszuweichen.

Bereits seit Montag blockieren protestierende Bauern den Verkehr rund um Paris. Mit Hunderten von Traktoren und Heuballen legten sie ganze Autobahnabschnitte lahm. In eilig errichteten Protestcamps wollen die Demonstranten nun auf die Umsetzung ihrer Forderungen warten – der größte Bauernverband hatte der Regierung eine Liste mit 140 davon vorgelegt.

"Alle teilen wirklich das Gefühl, dass man ihnen immer mehr abverlangt" 

Ähnlich wie den deutschen Bauern geht es auch den französischen um niedrigere Steuern und bessere Einkommen. Nach Autobahnblockaden in den vergangenen Wochen im Südwesten des Landes lenkte die Regierung am Freitag ein: Der neue Premierminister Gabriel Attal kündigte an, die Steuererhöhung auf Agrardiesel zurückzunehmen. Weitere Zugeständnisse an die Bauern werden erwartet.

Doch die Proteste gehen weiter: Eine Kernforderung der größten Bauerngewerkschaften ist eine konsequentere Umsetzung der so genannten "Egalim"-Gesetze: Sie regeln unter anderem die Preise für Produkte wie Fleisch und Milch. Festpreise sollen verhindern, dass der Großhandel auf Kosten der Bauern Gewinne macht. Gewerkschaften kritisieren jedoch, dass die Gesetze oft nicht umgesetzt werden. Mangelnde Kontrollen ermöglichen es dem Handel, die Bestimmungen zu umgehen. Der Großmarkt Rungis steht aus Sicht der Bauern symbolisch für die fehlgeleitete Agrarpolitik Frankreichs.

Was eint die Bauern in den verschiedenen Ländern? "Bei allen europäischen Landwirten gab es schon länger einen Überdruss", sagte Alessandra Kirsch, Studienleiterin bei der Denkfabrik Agriculture Stratégies, der Deutschen Presse-Agentur. Bislang seien die Agrarpreise recht gut gewesen. Doch seit Anfang des Jahres sind sie im Sinkflug. Es brauche dann nicht viel, um das Fass zum Überlaufen zu bringen, so die Agrarexpertin. "Alle teilen wirklich das Gefühl, dass man ihnen immer mehr abverlangt."

Aus den Bauernprotesten in den Niederlanden wurde eine Partei

Im Zentrum der Kritik sieht Kirsch vor allem die Agrarpolitik der Europäischen Union. Diese zahlt jährlich zweistellige Milliardensubventionen an die Landwirte. Ein großer Teil davon wird vor allem nach Fläche vergeben, aber es gibt zum Beispiel auch Zahlungen, die an Umweltauflagen gebunden sind. Das Budget sei zu gering und die Vergabe nicht mehr zeitgemäß.

Solche Umweltauflagen haben in den Niederlanden bereits 2019 und in den Folgejahren zu teilweise gewalttätigen Bauernprotesten geführt. Aus der Bewegung entwickelte sich eine populistische Partei, die BauerBürgerBewegung (BBB), die zugleich ein Ventil für die allgemeine Unzufriedenheit der Niederländer wurde. Bei den Regionalwahlen im Frühjahr 2023 gelang der BBB ein Erdrutschsieg und sie wurde in allen Regionen stärkste Kraft. Auch bei den Parlamentswahlen im Oktober konnte die BBB stark zulegen und könnte nun zusammen mit der Anti-Islam-Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders und zwei weiteren rechten Parteien in die Regierung einziehen.

Caroline van der Plas, Parteichefin der BoerBurgerBeweging (BBB)
Caroline van der Plas, Parteichefin der BoerBurgerBeweging (BBB)
© Sem van der Wal / ANP / AFP

Für den Agrarsoziologen François Purseigle von der Agrarhochschule INP-ENSAT in Toulouse zeigen Bewegungen wie die BBB und die Bauernproteste in Europa vor allem eines: "Wie schwer es der EU-Agrarpolitik fällt, eine große Diversität landwirtschaftlicher Modelle und Unternehmensprojekte zu begleiten." Wie Expertin Kirsch betont er jedoch, dass man die Proteste nicht über einen Kamm scheren dürfe. Je nach Land gebe es spezifische Gründe für den Frust.

Vor Europawahl steht die EU wegen Bauern unter Druck

Aber der Druck auf die EU ist mit den Bauernprotesten gestiegen – vor allem im Hinblick auf die Europawahlen im Juni. Schließlich kommen viele Vorschriften und Regelungen aus Brüssel. Besonders umstritten sind mehrere Vorhaben aus dem EU-Klimaschutzpaket Green Deal, darunter ein geplantes Renaturierungsgesetz und ein Gesetz, das den Einsatz von Pestiziden in der EU drastisch reduzieren soll. Frankreich hat bereits angekündigt, auf eine Aufweichung der EU-Vorgaben zu drängen. Am Dienstag bewegte sich Brüssel: Vorschriften für einen Mindestanteil an Brachland auf Ackerflächen sollen weiterhin ausgesetzt bleiben – ein Zugeständnis an die Landwirte.

Der große Lösungsansatz soll aber ein "strategischer Dialog" sein, in dem sich Landwirtschaft, Handel und Umweltverbände über Themen wie Einkommen, Wettbewerbsfähigkeit und neue Technologien austauschen. So sollen die Gräben zwischen Umwelt und Agrarwirtschaft überwunden werden. "Landwirtschaft und Umweltschutz können zusammengehen", betonte die Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen.

Bis es so weit ist, wollen Europas Bauern weiter auf die Straße gehen. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, kündigte bereits vergangene Woche weitere Proteste an.

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