Klausurtagung in Oberhof Mehr AKW, weniger EU: AfD legt Sofortprogramm für "AfD-geführte Bundesregierung" vor

Alice Weidel, Vorsitzende der Partei Alternative für Deutschland (AfD), und Tino Chrupalla, AfD-Vorsitzender
Haben bei den derzeitigen Umfragewerten gut Lachen: Alice Weidel, Vorsitzende der Partei Alternative für Deutschland (AfD), und Tino Chrupalla, AfD-Vorsitzender
© Bodo Schackow / DPA
In den Umfragen verlieren die Ampel-Parteien an Zustimmung, die AfD legt weiter zu. Entsprechend selbstbewusst tritt sie auf. Aktueller Höhepunkt: Die Bundestagsfraktion präsentiert ein "Sofortprogramm einer AfD-geführten Bundesregierung".

Die AfD-Bundestagsfraktion hat der Ampel-Koalition vorgeworfen, das Land "in den Ruin" zu führen und bei einer Klausurtagung Gegenvorschläge zur aktuellen Politik vorgelegt. Dafür präsentierte die Fraktion am Freitag im thüringischen Oberhof ein dreiseitiges Papier unter der Überschrift "Zehn-Punkte-Sofortprogramm einer AfD-geführten Bundesregierung", in dem sie im Wesentlichen ihre bekannten Positionen bekräftigt.

Bei einer Pressekonferenz in Oberhof griffen die AfD-Fraktions- und Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla die Ampel-Koalition und auch die Union an. "Diese Bundesregierung hat fertig", sagte Chrupalla. Der Ampel-Koalition könne es "nicht schnell genug gehen, dieses Land platt zu machen", wetterte Weidel. An die FDP adressierte sie, diese "sollte sich in Grund und Boden schämen, dass sie Steigbügelhalter" für eine solche Regierung sei. Der CDU und deren Parteichef Friedrich Merz warf Weidel vor, sie seien "Oppositionsverweigerer".

Punkteplan der AfD: Nord Stream reparieren, Gender-Verbot und Volksabstimmungen

CDU-Chef Friedrich Merz werde seinen Kurs der Brandmauer nicht durchhalten können, sagte die AfD-Chefin zudem mit Blick auf aktuelle Umfrageergebnisse in Sachsen. "Da gehen ihm die ostdeutschen CDU-Funktionäre völlig zu Recht von der Stange". Die AfD liegt in Sachsen ein Jahr vor der Landtagswahl einer Insa-Umfrage zufolge mit 35 Prozent vorn und wirbt für eine Zusammenarbeit mit der CDU, die das ablehnt.

Das steht im Sofortprogramm:

  • Versprochen werden niedrigere Energiepreise durch eine Senkung von Energiesteuern sowie eine Wiederinbetriebnahme und ein Neubau von Atomkraftwerken.
  • Die Staatsausgaben in den Bereichen Migration, Klima- und Entwicklungspolitik werde man "drastisch" streichen.
  • Die AfD will "die Nord-Stream-Leitungen reparieren und wieder in Betrieb nehmen", heißt es weiter.
  • In dem Papier bekräftigt die AfD-Fraktion auch ihre ablehnende Haltung zur EU und verspricht im Falle einer Regierungsverantwortung "Verhandlungen zur Reduktion der EU-Beiträge und zur Neugründung einer Europäischen Wirtschafts- und Interessensgemeinschaft".
  • Im Sofortprogramm heißt es außerdem, man werde "Bargeld als Zahlungsmittel grundgesetzlich verankern", was auf eine angeblich politisch gewollte Abschaffung des Bargeldes anspielt.
  • Die AfD will zudem eine rigide Flüchtlingspolitik. Als Maßnahme gegen den Flüchtlingszuzug solle ein umfassender Grenzschutz eingeführt werden. Weidel ergänzte, dass Migranten in einem AfD-geführten Deutschland "keine Geldleistungen mehr beziehen" sollten: "Wenn wir in Regierungsverantwortung sind, werden sofort Sachleistungen für Migranten und Flüchtlinge eingeführt." Zudem werde ihre Partei das Einbürgerungsgesetz "sofort rückgängig machen".
  • Das angebliche "unsägliche Öl- und Gasheizungsverbot" solle kassiert werden, ebenso das "völlig unnötige Verbrennerverbot".
  • Auch die CO2-Abgabe auf Heizöl, Erdgas, Benzin oder Diesel soll nach dem Willen der AfD gestrichen werden.
  • Außerdem soll die Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer auf 50 Cent erhöht werden.
  • In Deutschland will die Partei "direkte Demokratie ermöglichen und die Bürger durch Volksabstimmungen entscheiden lassen".
  • Zudem will die AfD "den Einfluss der Gender-Ideologie zurückdrängen" und die "Gender-Sprache an allen Ministerien, Behörden und Institutionen verbieten".
  • Mit Blick auf die Corona-Maßnahmen der vergangenen Jahre sagte Weidel, diese müssten aufgearbeitet werden. Sie betonte, dass es "mit der AfD in der Regierung" niemals eine Impfpflicht geben werde.
  • Eine von der AfD geführte Bundesregierung werde sich zudem "für einen Waffenstillstand in der Ukraine einsetzen", heißt es in dem Papier, ohne nähere Angaben dazu, wie dieser konkret aussehen könnte.

Eine AfD-geführte Bundesregierung ist derzeit ausgeschlossen. Die Partei konnte ihre Umfragewerte zwar auf aktuell 21 bis 22 Prozent steigern (Bundestagswahlergebnis 2021: 10,3). Um allein regieren zu können, brauchen Parteien aber mindestens 50 Prozent oder einen Koalitionspartner. Eine Koalition mit der AfD schließen die anderen Parteien jedoch aus. CDU/CSU-Bundestagsfraktionschef Merz wurde am Freitag nach einer Klausur seiner Fraktion gefragt, was er zu dem Regierungsplan der AfD sage. Der CDU-Chef antwortete: "Gar nichts."

Bezüglich des Kurses der AfD gibt es außerdem Warnungen, etwa beim Punkt EU. "Die internationale Vernetzung der deutschen Industrie ist entscheidend für unseren Wohlstand und den Erfolg unserer Wirtschaft. Daraus ergibt sich eine klare Distanz zu dem Selbstverständnis, den Zielen und dem Auftreten der AfD", hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Ende Juli beim Kurznachrichtendienst X geschrieben.

Auch beim Thema Bargeld sieht die Bundesbank keinen Handlungsbedarf. Deren Angaben von Ende Juli zufolge wird es auch weiterhin Münzen und Scheine geben. Für Grundgesetzänderungen bräuchte die AfD außerdem Zweidrittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Beim Aus für Autos mit Verbrenner könnte es ebenfalls haken: Ein solches Verbot für Neuwagen ab 2035 wurde auf EU-Ebene beschlossen.

DPA · AFP
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