Wo immer Gerhard Schröder hinkommt, wird er nach Russland gefragt. Wie das ist mit seinem neuen Job im dortigen Staatskonzern? Hat der etwas damit zu tun, dass der russische Präsident sein Freund ist? Vermischt der Altkanzler Geschäft und Politik?
Keiner fragte den SPD-Mann bisher nach Südkorea. Dabei wird der 73-Jährige seit einiger Zeit immer wieder in dem Land in Ostasien gesehen. Regelmäßig kreuzen sich seine Wege dort mit einer Südkoreanerin namens Soyeon Kim. Sie arbeitet als Dolmetscherin für ihn. Doch auch privat gibt es eine große Nähe – die Koreanerin ist offenbar seit geraumer Zeit die neue Lebensgefährtin des Altkanzlers.
Dies ist auch deshalb nicht ohne Brisanz, weil die Frau aus Seoul zugleich im Sold einer deutschen Landesregierung steht. Recherchen des stern werfen die Frage auf, ob da verschiedene Interessen und Aufgaben nicht allzu unbekümmert vermischt wurden. Und wieder einmal taucht der skandalumwitterte Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer in Schröders Dunstkreis auf – wegen eines Buchdeals in Sachen Südkorea.
Gerhard Schröder: Privates Teil politischer Inszenierung
"Es geht um mein Leben. Und darüber bestimme ich, und nicht die deutsche Presse", antwortete der Altkanzler kürzlich auf die Frage nach seinen Russland-Geschäften. Freilich war bei Gerhard Schröder das Private oft auch politisch – allein deshalb, weil er es als Teil der politischen Inszenierung benutzte. Wohl nie galt das so sehr wie während seiner Ehe mit der ehemaligen Journalistin und heutigen SPD-Politikerin Doris Schröder-Köpf. Vor gut einem Jahr ging die Beziehung in die Brüche.

Auch in Sachen Südkorea geht es nun um mehr als nur das Privatleben eines Politrentners. Soyeon Kim, Schröders koreanische Bekannte, besitzt einen Abschluss als Dolmetscherin und hat einige Zeit im hessischen Marburg Germanistik studiert. Heute unterhält sie eine Übersetzer- und Dolmetschfirma namens Mirae ("Zukunft") im schicken Gangnam-Viertel von Seoul. Seit mehreren Jahren hat Soyeon Kim auch mit der deutschen Politik zu tun. Im Jahr 2011 heuerte die damals noch SPD-geführte Landesregierung von Nordhein-Westfalen die Koreanerin an. Kim repräsentiert seitdem die Wirtschaftsförderungsgesellschaft "NRW Invest" in Seoul. Allein im Jahr 2016 zahlte diese vom Landeswirtschaftsministerium kontrollierte Gesellschaft dafür 180.000 Euro an Kims Firma.
Ungereimtheiten bei Arbeit von Kims Agentur
Nach Recherchen des stern sind bei der Arbeit dieser Firma Ungereimtheiten aufgetaucht – gerade wenn es um Gerhard Schröder geht. Unter der Flagge von "NRW Invest" kümmerte sich das Unternehmen der Dolmetscherin immer wieder nicht nur um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Südkorea und Nordrhein-Westfalen – sondern auch um die Beziehungen zwischen Südkorea und dem Altkanzler aus Niedersachsen. Zum Beispiel half die Firma gerade dieser Tage dabei, eine sechstägige Schröder-Reise zu organisieren. Vom 7. bis zum 13. September besuchte der Altkanzler das Land im fernen Osten. Und unter der Adresse von "NRW Invest" kümmerte sich eine Kim-Mitarbeiterin um praktische Fragen, wie die Buchung von Zimmern im Fünf-Sterne-Hotel Grand Hyatt in Seoul.
Gerhard Schröders Büro ließ Fragen des stern dazu unbeantwortet – dabei kann seinen Mitarbeitern die Rolle von "NRW Invest" kaum verborgen geblieben sein. Soyeon Kim war auch während Schröders jüngster Südkorea-Reise immer wieder als Dolmetscherin an seiner Seite zu sehen. Zum Beispiel am Dienstag vergangener Woche. Da stellte der Altkanzler in der südkoreanischen Hauptstadt die eben erschienene Übersetzung seiner Autobiographie "Entscheidungen" vor. Soyeon Kim hatte das Buch ins Koreanische übertragen und dolmetschte die Pressekonferenz in einem Kulturzentrum.

Woher plötzlich das Interesse in Südkorea?
Schröders späte publizistische Karriere in Ostasien erscheint einigermaßen erstaunlich. In Deutschland waren die Memoiren bereits 2006 erschienen. Wie kommt es, dass man sich heute - elf Jahre danach - plötzlich auch in Südkorea für das Werk interessiert? Für ein Buch, dass selbst der dem Ex-Kanzler sonst wohlgesonnene Historiker Gregor Schöllgen vor zwei Jahren als "Schnellschuss" bezeichnete?
Auch im restlichen Ausland fiel die Resonanz auf das Werk bisher nicht gerade überwältigend aus. Zwar gibt es von dem Buch Ausgaben auf albanisch, russisch und ungarisch - aber keine Übersetzung in die Weltsprache Englisch. Sicher ist zugleich auch: Seit dem Jahr 2016 liegen die Weltrechte an dem Buch wieder bei dem Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer.
Maschmeyer hat sich immer wieder um Schröders Gunst bemüht. Kurz nach dessen Abwahl im Jahr 2005 kaufte der Unternehmer dem Politiker für zwei Millionen Euro die Rechte an den Memoiren ab. Von dem Verlag Hoffmann und Campe in Hamburg erlöste Maschmeyer dann für das fertige Manuskript die Hälfte seines Einsatzes – eine Million Euro. Doch im vergangenen Jahr seien die Rechte an Maschmeyer "zurückgefallen", sagt jetzt der Verlag. Und nein, "zu einer koreanischen Lizenz" habe Hoffmann und Campe "keine Informationen".
Schröder-Köpf: Kim "Anlass für Trennung"
Offenkundig ist es also Maschmeyer, der hinter dem Buchdeal in Korea steht. Großen wirtschaftlichen Erfolg kann er sich damit kaum erhofft haben. Die "Bunte" behauptet, das Werk sei nun auch in Südkorea ein "Bestseller". Doch laut Angaben des koreanischen Verlags wurden bisher gerade einmal 3000 Stück davon gedruckt; das sei in dem Land bei Startauflagen so üblich. Hat Maschmeyer womöglich sogar die Übersetzung finanziert und damit Schröders südkoreanischer Bekannten Soyeon Kim ein Zubrot verschafft? Maschmeyer ließ Fragen dazu unbeantwortet.
Stattdessen äußerte sich die Noch-Ehefrau des Altkanzlers auf Facebook. Frau Kim sei "im Frühjahr 2016 der Anlass, wenn auch nicht der alleinige Grund, für die endgültige Trennung" von Gerhard Schröder gewesen, erklärte die heutige Landtagsabgeordnete Doris Schröder-Köpf auf Facebook. Es sei "sehr bedauerlich", schrieb sie, dass statt der gemeinsamen Kinder nun eine Frau an dem Buch verdiene, "die nichts mit der die Autobiografie umfassenden Zeit und ihren Bürden zu tun hatte".
"NRW Invest" mahnt Kim ab
Der koreanischen Dolmetscherin hat es offenkundig nicht geschadet, dass sie mit Schröder im Bunde ist. Erst neuerdings bekommt sie Ärger – eben weil ihre Firma als "NRW Invest" auftrat, wo es doch um die Geschäfte und Aktivitäten von Gerhard Schröder ging. Nachdem der stern bei "NRW Invest" wegen der Hilfe bei dem jüngsten Südkorea-Trip des Altkanzlers angefragt hatte, zog die Zentrale der landeseigenen Gesellschaft in Düsseldorf die Reißleine: "Das Dolmetscherbüro Mirae Translation & Communications hat hier unzulässigerweise seine wirtschaftlichen Interessen mit Dritten mit seinen Aufgaben für NRW Invest verquickt, indem es im Namen von NRW Invest in diesem Zusammenhang aufgetreten ist", teilte die Gesellschaft mit. Man habe darum Soyeon Kim "eine schriftliche Abmahnung erteilt".
Dabei war die jüngste Schröder-Reise nicht die erste, die Kims Firma unter der "NRW Invest"-Flagge organisierte. Bereits im Oktober 2016 war Schröder in Südkorea, offenbar im Rahmen der Konferenz eines dortigen Medienkonzerns. Zugleich verschickte die Dolmetscherin Kim im Namen der NRW-Gesellschaft ein "Reiseprogramm für Herrn Schröder" für einen Besuch in Seoul. Damals standen etwa ein Gespräch mit einem Journalisten sowie das Treffen mit einem Bau- und Schiffahrtsunternehmer auf dem Terminplan. Hier sollte nicht nur Soyeon Kim mit dabei sein, sondern eine weitere Mitarbeiterin von "NRW Invest". Überdies war ein Besuch einer örtlichen Teststrecke von BMW vorgesehen. Warum trat hier "NRW Invest" ebenfalls als Veranstalter auf? Die Wirtschaftsfördergesellschaft sagt, ihre Mitarbeiter hätten den Schröder-Besuch nicht organisiert.
Gab es gar weitere Fälle, in denen Soyeon Kim für Schröder arbeitete, aber so tat, als gehe es um nordrhein-westfälische Wirtschaftsinteressen? "NRW Invest" sagt, Soyeon Kim sei leider "erkrankt" und könne Fragen daher nicht beantworten.