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ARD-Doku "Liebe an der Macht" Das langsame Verlöschen der Hannelore Kohl

Bekam Hannelore Kohl eine Lichtallergie, weil sie kein Penicillin vertrug? Oder hat ihr Mann sie in die Depression getrieben? Eine ARD-Doku schildert die grausamen Zwänge einer Polit-Ehe.
Von Hans Peter Schütz

Im Prinzip passt in der ARD-Dreier-Serie "Liebe an der Macht" nichts zusammen. Was haben schon Hannelore und Helmut Kohl gemeinsam mit Nicolas Sarkozy und Carla Bruni, wenn sie öffentlich miteinander turteln? Oder mit Michelle und Barack Obama, wenn die im Weißen Haus vor den Medien flirten?

Natürlich hat eine Hannelore Kohl niemals öffentlich gejubelt, wie dies Carla Bruni tut: "Mein Traumann hat die Macht.", Michelle und Barack am Montagabend, Nicolas und Carla am Mittwoch, 21.45 Uhr - das ist leichte fröhliche TV-Kost. Wie Macht und Politik eine Beziehung tatsächlich beeinflussen können, wie tragisch für beide Seiten das Leben dabei oft geprägt wird, lässt sich sehr viel einprägsamer erleben, wenn Hannelore und Helmut heute Abend 21.45 Uhr porträtiert werden.

Der Filmemacher Michael Wech ging mit Skepsis an diese Beziehung. Vor seinen Augen die "bleierne Zeit" des Kanzlers Kohl mit der verkündeten geistig-moralischen Wende, die dann in immerwährenden PR-Ferienfahrten an den Wolfgangsee bestand. Sein Urteil über Hannelore Kohl, so Wech zu stern.de, nach diesem Film: "Sie ist immer wieder als Opfer Kohls dargestellt worden. Doch sie hat sich aufgeopfert."

Vieles bleibt nur vage

Wer ihre Rolle in dem Film erkennen will, muss genau hinsehen. Und zum Beispiel wahrnehmen, wer aus der engsten Umgebung des Altkanzlers nicht zu Äußerungen bereit war. Etwa die beiden Söhne Walter und Peter. Noch zu früh komme dieser Film für sie, um mitzuwirken, sagten sie. Weil ihr Urteil den Vater, schwer angeschlagen im Rollstuhl, verletzen könnte? Horst Teltschik und Theo Waigel, beide intime Kenner des Machtpolitikers Kohl, lehnten Kommentare zur Beziehung des Ehepaars Kohl ab.

Viel wird nur vage ausgesprochen. Etwa die Rolle, die Kohls langjährige Sekretärin Juliane Weber spielte. Erwähnt wird Hanns Martin Schleyers Forderung an Kohl, er müsse das "Zigeunerlager" ausräumen, "einschließlich der Marketenderin". Der von der RAF ermordete Arbeitgeberchef spielte damit auf eine Liaison an, die Kohl angeblich mit Weber gehabt haben soll. Nähere Analyse aber trauen sich die Filmemacher nicht zu. Bemerkenswert der Satz des Journalisten Maynhardt Graf von Nayhaus: "Ohne Hannelore wäre Kohl nicht so weit gekommen."

Gattin des Machtmenschen zu sein, darin sah Hannelore Kohl ihre Pflicht. Dass man das mit Einsamkeit bezahlen muss, erkannte sie vielleicht zu spät. Einige bisher unveröffentlichte Filmaufnahmen aus dem Garten des Bonner Kanzlerbungalows zeigen eine Frau, wie sie bisher nicht zu sehen war. Das zentrale Rätsel ihres Lebens an der Seite Helmut Kohls - ihr Selbstmord - bleibt dennoch ohne überzeugende Antworten.

Die perfekt funktionierende Gattin

Weil sie sich ihrer Pflicht als "Gattin", die sie in 50 Jahren an der Seite Kohls ausgefüllt hatte, nicht mehr gewachsen fühlte? Man wisperte und flüsterte damals in den Bonner und Berliner CDU-Zirkeln. Nichts ließ Hannelore Kohl sich anmerken. Ihre Maske als Frau des mächtigsten Mannes der Republik saß. Sie funktionierte perfekt. Auch dann, wenn sie lange Zeiten alleine leben musste, weil Eroberung und Verteidigung der Macht ihren Mann von ihr fernhielten. Sie ist jedenfalls sehr oft sehr alleine gewesen. Und die erhoffte späte Nähe ihrer Partnerschaft fand sich nicht, weil Kohl auch nach seiner Abwahl in Berlin im politischen Netzwerk weiter mitmischen wollte.

Es trifft schon zu, dass Hannelore Kohl im letzten Jahr vor ihrem Tod jeden Sonnenstrahl zu meiden suchte. Ging sie joggen, dann bei Dunkelheit. Die Fensterläden des Hauses in Oggersheim blieben geschlossen. Ihre "Lichtallergie", sagte auch sie, sei eine späte Folge ihrer Penicillin-Unverträglichkeit.

Daher der Selbstmord? Für das Büro Kohl gab es damals keinen Zweifel: "Aufgrund der Hoffnungslosigkeit ihrer gesundheitlichen Lage entschloss sie sich, freiwillig aus dem Leben zu scheiden."

Zweifelhafte Erklärungen

Medizin-Experten haben diese Erklärung nie akzeptiert. Lichtallergie in so dramatischer Form, dass man nur nachts das Haus verlassen könne, sei ihnen nicht bekannt, erklärten sie damals übereinstimmend auf Anfragen des stern. Bei Kindern gebe es die Lichtstrumpfhaut - und sie sterben alle früh. Der Lichtbiologe Professor Hönigsmann: "Es gibt keine Hauterkrankung, die zu dem passt, was ich über Hannelore Kohl gehört habe."

Was bleibt, ist die berechtigte Vermutung, dass sich in die letzten Jahre ihres Lebens depressive Gefühle gedrängt haben. Eine seelische Talfahrt, die gewiss auch dadurch beschleunigt wurde, dass ihr Lebensdenkmal Kohl in die Abgründe seiner Schwarzgeldaffäre rutschte.

Im Bungalow in Oggersheim

Die Frau, die sich nie eine Schwäche hatte anmerken lassen dürfen; die Frau, die nicht an der Hochzeit ihres Lieblingssohns Peter in der Türkei hatte teilnehmen können; die Frau, deren Eltern großbürgerliche Wertmaßstäbe bei ihr verankert hatten - die Seele dieser Frau war irgendwann überlastet. Sich selbst aufzugeben, widersprach im Grunde ihrer Lebensauffassung. Vielleicht war sie in ihrer größten Not zu viel allein. Sie im dunklen Bungalow in Oggersheim, Helmut Kohl in Berlin in einer Lebenssituation, die nach ihren moralischen Wertmaßstäben unglaublich erniedrigend gewesen sein dürfte. Auch für sie selbst.

War ihr Suizid somit eine Art emanzipatorischer Akt? Die Befreiung von einem Leben, das sie nicht länger ertragen wollte? Die Frage, ob Hannelore Kohl so gesehen letzten Endes gestorben ist, weil Helmut Kohl ihre innere Verletzung nicht gesehen hat, darf weiterhin gestellt werden. Beantwortet wird sie auch in diesem Film nicht.

Teil zwei der dreiteiligen Dokumentation "Liebe an der Macht" wird heute abend um 21.45 Uhr in der ARD ausgestrahlt.

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