Ausschuss untersucht Gorleben-Affäre Trickste die Regierung Kohl bei der Standort-Wahl?

Der Bundestag hat einen Untersuchungsausschuss zum geplanten Atommüll-Endlager in Gorleben eingesetzt. Auch Angela Merkel soll dort aussagen.

Der Bundestag hat einen Untersuchungsausschuss zum geplanten Atommüll-Endlager in Gorleben eingesetzt. Die Abgeordneten stimmten am Freitag mit der erforderlichen Mehrheit einem Antrag der Opposition zu. Das Gremium soll die Umstände der politischen Entscheidung in den 80er Jahren ausleuchten, sich bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll aus Kernkraftwerken ausschließlich auf den umstrittenen Salzstock im Wendland zu konzentrieren und keine anderen Standorte zu prüfen.

Die Grünen wollen im neu eingesetzten Gorleben- Untersuchungsausschuss auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Zeugin laden. In Merkels Amtszeit als Bundesumweltministerin von 1994 bis 1998 sei das Konzept für das mögliche Atommüll-Endlager geändert worden, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sylvia Kotting-Uhl, der "Braunschweiger Zeitung" (Samstag). Zudem solle auch Merkels damaliger Abteilungsleiter Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium, Gerald Hennenhöfer, im Ausschuss gehört werden, der dieses Amt unter der neuen schwarz-gelben Bundesregierung erneut ausübt.

Nach Ansicht der Opposition war die Auswahl von Gorleben in den 70er und 80er Jahren politisch motiviert. Der Ausschuss soll klären, ob es politische Vorfestlegungen oder Einflussnahme auf die Entscheidung für Gorleben als potenzielles Endlager gab und ob der Öffentlichkeit Informationen zur Standortsuche vorenthalten wurden. Die Opposition vermutet unter anderem die Manipulation wissenschaftlicher Gutachten durch die damalige Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU). Untersucht werden sollen auch die politische Verantwortung und die Schlüsse, die daraus für die weitere Suche nach einem Endlager zu ziehen sind. Wann das Gremium seine Arbeit aufnehmen wird, stand zunächst nicht fest.

Die Erkundung von Gorleben war unter der rot-grünen Bundesregierung gestoppt worden. Mitte des Monats entschied Bundesumweltminister Norbert Röttgen, das Verfahren nach zehnjähriger Unterbrechung wieder aufzunehmen. Sollte sich der Standort als geeignet erweisen, könnten dort nach Einschätzung des CDU-Politikers in gut 20 Jahren erstmals verbrauchte Brennstäbe eingelagert werden. Parallel zu den Erkundungen soll Ton- oder Granitgestein wissenschaftlich auf seine Eignung als Endlager untersucht werden, ohne aber konkrete Alternativstandorte zu prüfen.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) bekräftigte im Südwestrundfunk (Samstag) die Absicht, die Prüfung Gorlebens offen gestalten zu wollen. Sollte festgestellt werden, dass der Standort nicht geeignet sei, müsse man andere Gesteinsformationen unter die Lupe nehmen. Röttgen war deshalb bereits von den beiden unionsgeführten Regierungen der infragekommenden Standortländer Baden-Württemberg und Bayern heftig angegriffen worden. "Vor der Verantwortung für ein atomares Endlager kann sich niemand drücken", sagte Röttgen. Niemand dürfe diese Frage unbeantwortet an die nächste Generation weitergeben.

Weiterhin auf Kritik stoßen die Pläne der Bundesregierung, eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke von bis zu 28 Jahren durchrechnen zu lassen. Der Umweltexperte der SPD-Fraktion, Ulrich Kelber, bezeichnete eine mögliche Verlängerung der Gesamtlaufzeit auf bis zu 60 Jahre als "Todesurteil für die Stadtwerke in Deutschland". Deren Investitionen in konventionelle und klimafreundliche Kraftwerke würden sich nicht mehr rechnen, sagte der SPD-Fraktionsvize der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). Der Ausbau der erneuerbaren Energie käme mit dieser Entscheidung ins Stocken.

DPA · Reuters
Reuters, DPA