Baden-Württemberg und die Folgen Schicksalswahl für Merkel

  • von Hans Peter Schütz
Wenn die Bürger in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am Sonntag zur Wahl gehen, stimmen sie auch über Angela Merkel und Guido Westerwelle ab. Noch nie gab es eine Landtagswahl, die so entscheidend für das Schicksal der Bundesregierung war.

Den Sonntag nur unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, wer künftig in den Landtagen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sitzt, wäre das machtpolitische Fehlurteil des Jahres. Noch nie zuvor hatten Landtagswahlen eine so große bundespolitische Bedeutung wie dieses Mal: Kommt der erste grüne Ministerpräsident ans Regieren? Wird die seit 58 Jahren für uneinnehmbar gehaltene CDU-Bastion Baden-Württemberg geschleift? Wird Guido Westerwelle nach dem Machtverlust im Ländle als FDP-Chef gekippt? Ist nach Wahlschlappen der CDU noch sicher, dass sie zur Bundestagswahl 2013 noch einmal mit Angela Merkel als Kanzlerkandidatin antritt? Wackelt gar die CDU-Vorsitzende Angela Merkel?

Die kühne Vorstellung, dass Angela Merkel nach einer Wahlniederlage in Baden-Württemberg auch aus dem Amt der Bundeskanzlerin gekippt werden könnte, ist absurd. Richtig ist, dass die Wahlen in Stuttgart und Mainz gewichtigen Einfluss auf das weitere politische Schicksal Angela Merkels haben können. Diese Wahlen sind der Zentralpunkt der Wahlen des Jahres 2011. Wenn in Baden-Württemberg, einst ein nicht zu eroberndes Stammland der CDU, der Ministerpräsident gestürzt werden würde, dann schlägt dies natürlich auch auf die Kanzlerin zurück. Sie selbst hat diese Wahl zu einer Schlüsselwahl für die schwarz-gelbe Koalition erklärt.

Merkel hat alle Konkurrenten entsorgt

Nirgendwo hat sie in jüngerer Zeit CDU-Erfolge vorweisen können - Nordrhein-Westfalen ging verloren, in Hamburg kippte man in den erbärmlichen Zustand einer 20-Prozent-Partei zurück. Sie muss zudem auch in der CDU politische Entscheidungen verantworten, die dort als blamabel empfunden werden - etwa das Milliarden-Euro-Geschenk an die die Hoteliers.

Bei der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke war sie die treibende Kraft und fiel widerstandslos um, als Japan plötzlich auf der Agenda stand. Und Altkanzler Helmut Kohl watschte sie in "Bild jetzt eine Seite lang öffentlich für ihre hektische atomare Kurskorrektur ab. Trotzdem: Angela Merkel wackelt deswegen noch nicht als Kanzlerin. Alle potentiellen Konkurrenten ums Amt hat sie längst entsorgt: Friedrich Merz, Christian Wulff, Roland Koch, Jürgen Rüttgers. Es gibt keine Konkurrenten mehr, die ihr gefährlich werden könnten. Norbert Röttgen nicht, der es gerne wäre, schon gar nicht Ursula von der Leyen. Profitieren dürfte von einer neuerlichen Schlappe Merkels allenfalls die CSU, die nach der Guttenberg-Affäre nur darauf lauert, wieder mehr bundespolitischen Einfluss zu gewinnen.

Das FDP-Ergebnis ist für die Kanzlerin entscheidend

Die Zukunft Merkels hängt vor allem vom Abschneiden der Liberalen in Baden-Württemberg ab. Überlebt die FDP in Stuttgart, ist das auch massive Überlebenshilfe für die Berliner Koalition. Überlebt sie nicht, und sollten die Liberalen dann etwa einen Christian Lindner zum neuen Vorsitzenden küren - mit dem die FDP bundesweit mehr Überlebenschancen hat als mit Westerwelle -, dann könnte Merkel das Bundestagswahljahr 2013 mit realen Überlebenschancen erreichen. Eine wichtige Voraussetzung muss allerdings erfüllt werden: Bis dahin müsste endlich einmal kontinuierlich solide in Berlin regiert werden. Keine einfache Aufgabe für Merkel, denn sie müsste folgendes erreichen: Dass in der FDP ein Chef nach vorne kommt, der politisch solider und berechenbarer arbeitet als Westerwelle und bei dem die Wähler nicht weiterhin die Notwendigkeit sehen, Grüne oder SPD zu wählen, um nur das Kreuzchen bei der FDP zu vermeiden. Ihren Sitz kann die CDU-Vorsitzende also nur festigen, wenn sie endlich dafür sorgt, dass Westerwelles Eskapaden nicht länger ihre eigenen Schwächen unübersehbar zum Vorschein bringen. Schwer wird es allemal.

Nach Baden-Württemberg könnte die politische rot-grüne Abwehrfront im Bundesrat noch unüberwindlicher werden. Merkel muss dann auf die konkurrierenden Parteien zugehen. Kaum ein Zufall ist es, dass in der Berliner politischen Szene jetzt bereits wieder Spekulationen darüber kursieren, mit wem in der SPD Merkel vielleicht wieder eine Große Koalition aufbauen könnte. Steinbrück, mit dem sie immer schon gut konnte? Eindrucksvoll hat der sich schließlich am Donnerstag parlamentarisch im Bundestag zurückgemeldet.

Steht Westerwelles Abtritt bevor?

Wer also eigentlich bedroht ist, ist Guido Westerwelle. Das Superwahljahr 2011, so lauten viele Prognosen, könnte zum Abwahljahr für ihn werden. Sein weiteres politisches Schicksal hängt vor allem vom Ausgang der baden-württembergischen Landtagswahl ab. In Sachsen-Anhalt halbiert, in Baden-Württemberg und vielleicht auch Rheinland-Pfalz nicht drin - Schwarz-Gelb wäre als politische Zukunftsperspektive dann am Ende.

Schließlich ist gerade Baden-Württemberg das Stammland des politischen Liberalismus. Wer dort nichts wird, kann auch mit Überlebenshilfe der CDU nichts mehr werden. Dann muss Westerwelle gehen, was zum Jahresanfang in der Partei ja bereits schon einmal heftig und sehr konkret diskutiert worden ist. Ihm kann zu Recht das Versäumnis in die Schuhe geschoben werden, die Werte des politischen Liberalismus zu kleinsten Preisen mit dem Ziel der persönlichen Machtsicherung verkauft zu haben. Die versprochene große Steuerreform verkam zu einem Steuergeschenk für Hoteliers. Und sein Profil als Außenminister, das mit den FDP-Vorgängern Genscher, Kinkel und Scheel gerne verglichen wird, hat in der Libyen-Frage erneut gelitten.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Eine große Chance für die Liberalen

Erreicht die FDP dennoch das rettende Fünf-Prozent-Ufer in Baden-Württemberg, ist auch das nur ein beschränkter politischer Überlebensgewinn für Westerwelle. Denn auch dann dürfte die FDP auf keinen Fall mehr mit ihrem derzeitigen Vorsitzenden in die Bundestagswahl 2013 gehen. Es steht ja bereits mit Christian Lindner ein Nachfolger bereit.

So gesehen wäre eine Abwahl der FDP in Baden-Württemberg sogar eine Chance für eine inhaltlich neue FDP, in der man nicht mehr Bundesminister wie Dirk Niebel in einem Ressort werden kann, das man wie die Entwicklungshilfe eigentlich abschaffen wollte. Und dieser Niebel glaubt sogar, er könne ein Übergangsparteichef sein, wenn Westerwelle gehen muss. Mit Lindner dagegen hätte die FDP vielleicht auch wieder einmal an die überlebenswichtige Chance, für SPD und Grüne ebenso koalitionsfähig zu sein wie für die CDU. Mit Westerwelle an der Spitze hat die Partei auf Dauer keine Chance, was Liberalismus in der Gesellschaft von heute sein müsste.

Letztlich geht es in Baden-Württemberg auch um die künftige politische Existenz der Liberalen. Baden-Württemberg wäre der richtige Zeitpunkt für einen personellen Neuanfang, sagen viele Liberale - natürlich hinter vorgehaltener Hand. Mehr Führung bräuchte die FDP, wie ihr Herumdrücken um politische Verantwortung in der Libyen-Frage so nachdrücklich belegt.