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Wahlkampf Die unredliche Debatte: Wer was im Benzinpreis-Streit sagt

Benzinpreis-Debatte: Annalena Baerbock, Andreas Scheuer, Olaf Scholz
Wahlkampf-Debatte um die Spritpreise (v.li.): Annalena Baerbock (Grüne), Andreas Scheuer (CSU), Olaf Scholz (SPD)
© Henning Schacht / Michael Kappeler / Kay Nietfeld / Getty Images / DPA
Die Grünen stehen derzeit unter Beschuss, den Benzinpreis zugunsten des Klimaschutzes rücksichtslos in die Höhe treiben zu wollen. Willkommen im Wahlkampf. Auch Union und SPD treten für höhere Preise an. Eine Orientierungshilfe in einer "unredlichen" Debatte.

Mehrere Umweltverbände haben an die Parteichefs von CDU/CSU, SPD, FDP, Linke und Grünen appelliert, keinen Wahlkampf auf Kosten des Klimas zu betreiben. Notwendig sei vielmehr ein Parteienstreit um die besten Maßnahmen für den Klimaschutz. Mit einem "unredlichen Wahlkampf auf Kosten des Klimas und der Biodiversität" werde aber die für den Klimaschutz notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung "gerade mutwillig oder fahrlässig zerstört", heißt es in der als "Brandbrief" überschriebenen Erklärung vom Donnerstag.

Ausgelöst worden ist die Debatte bekanntlich durch eine Äußerung von Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gegenüber der "Bild"-Zeitung, der Benzinpreis müsse schrittweise um 16 Cent angehoben werden, um im Kampf gegen den Klimawandel voranzukommen. Seither steht die 40-Jährige mächtig unter Beschuss. Ganz besonders durch die SPD und die CSU. Beide Parteien sind allerdings bekanntlich Teil der Bundesregierung, die die CO2-Bepreisung und daraus folgend unter anderem die schrittweise Erhöhung von Benzinpreisen mit der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes am 15. November 2019 selbst auf den Weg gebracht haben.

Gesetz: CO2-Bepreisung ist schon Fakt

Was auch immer man von den Klima-Beschlüssen halten mag, ein Blick auf Aussagen, Wahlprogramme und Gesetze hilft, markige Wahlkampf-Worte einzuordnen.

Eine Hand hält eine Tankpistole in den den Tankstutzen eines schwarzen Pkw

Gemäß den Beschlüssen der Bundesregierung – also von CDU, CSU und SPD, um es in diesem Zusammenhang nochmals deutlich zu sagen – gilt seit Anfang des Jahres die Bepreisung von CO2 als eine Maßnahme zur Verringerung von Emissionen, was helfen soll, den Klimawandel auf ein noch erträgliches Maß einzudämmen. Unternehmen, die mit Benzin und Diesel handeln, aber auch mit Öl und Gas, müssen jetzt schon 25 Euro je Tonne CO2 zahlen, die durch ihre Produkte entstehen. Weil diese Kosten an die Verbraucher:innen weitergegeben werden, ist der Benzinpreis schon gestiegen – um rund 7 Cent. Und er soll laut den Plänen der Regierung automatisch schrittweise weiter steigen. Nach Angaben des ADAC wird Benzin gemäß einer vorgesehenen CO2-Bepreisung von 55 Euro pro Tonne im Jahr 2025 um 15 Cent teurer sein, Diesel sogar um 17 Cent.

Grüne wollen mehr Tempo

Im Klartext bedeutet das: Die Grünen wollen im Falle einer Regierungsübernahme nicht auf einmal die Preisschraube beim Benzin anziehen. Was sie wollen ist, den CO2-Preis schneller anzuheben. Schon in zwei Jahren soll die Tonne Kohlendioxid laut dem bisher vorliegenden Wahlprogramm 60 Euro kosten, wodurch die 16 Cent gemäße den Einschätzungen des ADAC schon zwei bis drei Jahre früher eintreten würden als bisher vorgesehen. Die Mehrbelastung soll aber ausgeglichen werden. Annalena Baerbock im "Handelsblatt": "Wir geben die Einnahmen aus dem CO2-Preis als Energiegeld an die Menschen zurück, fair aufgeteilt pro Kopf, und senken den Strompreis." Davon profitierten vor allem Kleinverdiener und Familien. 

SPD pocht auf langsameren Anstieg

Davon sind die Sozialdemokraten eigentlich gar nicht weit weg: Strompreis senken, indem die CO2-Steuereinnahmen genutzt werden, die EEG-Umlage zu senken, haben die Grünen ebenfalls in ihrem Wahlprogramm. Einen Pro-Kopf-Bonus, den die SPD laut Wahlprogramm noch prüfen will, haben die Grünen fest vorgesehen. Von einer Erhöhung der Spritpreise, die einher geht mit der CO2-Bepreisung rücken die Genossen keineswegs ab, sie wollen es lediglich etwas gemächlicher angehen als die Grünen. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz macht daraus:  "Wer jetzt einfach immer weiter an der Spritpreisschraube dreht, der zeigt, wie egal ihm die Nöte der Bürgerinnen und Bürger sind", so der Bundesfinanzminister zur "Bild"-Zeitung. Ein immer höherer CO2-Preis sorge "nicht für mehr Klimaschutz, sondern nur für mehr Frust". Und SPD-Chefin Saskia Eskin warf Baerbock vor, diese jage "gerade denen einen Schrecken ein, die auf ihr Auto angewiesen sind und die mit einem schmalen Budget haushalten müssen." Die mit den eigenen Konzepten nahezu übereinstimmenden Ausgleichspläne der Grünen erwähnten Esken und Scholz nicht.

Die Widersprüche in der Union

"Klimaschutz ist für Annalena Baerbock vor allem ein Kampf gegen die Autofahrer", wetterte CSU-Generalsekretär Markus Blume in der "Augsburger Allgemeinen"  vom Freitag. Dabei hatte Alexander Dobrindt, der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das die Klimagesetze als unzureichend kritisiert hatte, vorgeschlagen, den CO2-Preis schon im kommenden Jahr auf 45 Euro je Tonne zu erhöhen. Das würde den Benzinpreis laut ADAC-Berechnung kurzerhand um 12,6 Cent erhöhen – und zwar zwei Jahre früher als im von der Union mit beschlossenen Gesetz vorgesehen. Eine nicht ganz so schnelle Erhöhung wie bei den Grünen, aber doch eine spürbare. "Interessant" sei dieser Vorschlag fand CDU-Fraktionsvize Andreas Jung das in der "Süddeutschen Zeitung" und beschied, dass man sich einig sei, "dass der Preispfad schneller werden müsse." Das gilt anscheinend nicht für Verkehrsminister Andreas Scheuer, der der "Bild" beschied: "Es geht nicht, dass die Preise immer weiter nach oben gehen." Ein Wahlprogramm, in dem die Linie der Union in dieser Frage festgelegt sein könnte, liegt noch nicht vor. Kanzlerkandidat Armin Laschet sprach sich den Beschlüssen gemäß für einen höheren CO2-Preis aus, was den Benzinpreis unweigerlich steigen lassen wird. Als Ausgleich brachte er ähnlich wie Grüne und SPD Veränderungen der EEG-Umlage und Verbilligung des Stroms ins Gespräch.

FDP setzt auf Emissionshandel

Wer die Preisschraube für die Menschen im Land immer weiter anziehen wolle, "wird die Quittung für diese Ignoranz am Wahlsonntag im September bekommen", kommentierte FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki in der "Augsburger Allgemeinen" die Pläne der Grünen. Die vielen Pendler-Familien auf dem Land spielten in dieser Welt keine Rolle. "Grün wählen muss man sich finanziell leisten können", machte Kubicki in dem Blatt unverhohlenen Wahlkampf. Dabei dürfte letzten Endes auch bei den Liberalen der Benzinpreis steigen, unklar ist nur wann und wie. Die FDP setzt laut Wahlprogramm darauf, den Emmissionshandel auf den Verkehr auszuweiten, um den Klimawandeln einzudämmen. Das Prinzip dabei ist, einen CO2-Ausstoß pro Jahr festzulegen und Verschmutzungszertifikate von Jahr zu Jahr zu verringern, so dass diese teurer werden. Das aber wird unweigerlich auch die Spirtpreise ansteigen lassen. Offen bleibt, ob das schnell genug geschieht, um einen Effekt gegen die Klimaveränderungen zu erzielen. Indirekt gibt auch die FDP die Preiserhöhung zu, plant sie doch Gegenmaßnahmen wie  etwa eine Klimadividende und Abschaffung der EEG-Umlage. Maßnahmen, die in den Wahlprogrammen in der einen oder anderen Form immer wieder auftauchen – auch bei den so kritisierten Grünen.

Die Linke hält nichts von CO2-Bepreisung

Anders als die anderen Parteien kann die Linke mit einer CO2-Bepreisung gar nichts anfangen. Und somit auch nicht mit Ausgleichsmaßnahmen. "Mir ist schleierhaft, was an dem Konzept des Energiegelds der Grünen nachhaltig sein soll", wetterte Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali am Freitag in der Zeitung "Die Welt". Auch mache es insbesondere für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen einen Unterschied, wenn sie in Vorleistung gehen und darauf warten müssten, dass sie irgendeinen Betrag vom Staat zurückbekommen. Reiche dagegen könnten sich die Folgen eines erhöhten CO2-Preises leisten. Stattdessen wollen die Linken den Individualverkehr schrittweise gleich ganz abbauen und voll auf den Ausbau von Bus und Bahn setzen. Keinerlei Spritpreis-Erhöhung also? Nicht ganz! Laut Wahlprogramm soll der Steuervorteil für Diesel verschwinden, was den Preis steigen lässt – wie bei den Grünen. Und ab 2030 will man gar keine Verbrenner mehr zugelassen werden – wie die Grünen.

AfD: Klimawandel? Wo ist das Problem?

Bisher nicht entscheidend an der Debatte beteiligt hat sich die AfD. Warum auch, aus ihrer Sicht? Die "Alternative" sieht den Klimawandel nicht als Problem an, eine CO2-Bepreisung würde es mit ihr daher laut Wahlprogramm nicht geben.

Benzin wird auf jeden Fall teurer – nicht nur mit den Grünen

Bleibt unterm Strich: Anders als die markigen Wahlkampfäußerungen suggerieren, braucht es keine grüne Bundeskanzlerin, damit die Spritpreise in den kommenden Jahren steigen – nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel gegen den Treibhausgaus-Ausstoß, der die globale Erwärmung antreibt. Teurer wird es auf jeden Fall, weil die meisten Parteien auf die eine oder andere Weise im Kampf gegen schädliche Klimagase CO2 teuer machen wollen, was zwangsläufig den Benzinpreis nach oben treibt. Die Frage ist nur um wie viel zu welchem Zeitpunkt. Die vielfach kritisierten 16 Cent der Grünen im Jahr 2023 würden nach den jetzt schon geltenden Beschlüssen laut ADAC-Zahlen 2026 ebenfalls erreicht.

Der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, stützt übrigens die Argumentation von Baerbock. Auch er verwies in den ARD-"Tagesthemen" darauf, dass die Koalition selbst beschlossen habe, den CO2-Preis zu erhöhen. Inzwischen seien die Klimaziele noch einmal ehrgeiziger gefasst worden. Daraus müsse man Konsequenzen ziehen. Der CO2-Preis sei das wichtigste Instrument der Klimapolitik. Es spreche viel dafür, ihn schneller zu erhöhen.

Quellen: ADAC; Brandbrief der Umweltverbände; Wahlprogramme: AfD, FDP,Grüne, Linke, SPD; Bundestagsbeschluss Klimaschutzgesetz; Nachrichtenagenturen DPA und AFP; ARD-"Tagesthemen""Süddeutsche Zeitung"

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