Verfassungsschutz in Bayern Benutzte Russland Aussagen dieser BSW-Abgeordneten für seine Propaganda?

Sevim Dagdelen und Sahra Wagenknecht
Sevim Dagdelen und Sahra Wagenknecht im Juni im Bundestag
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Eine russische Desinformationskampagne alarmiert die bayerischen Verfassungsschützer. Auch Beiträge einer BSW-Abgeordneten sollen dabei eine Rolle spielen – sie nennt die Erkenntnisse "absurd".

Sevim Dagdelen macht kein Geheimnis daraus, was sie für Europas größtes Sicherheitsproblem hält: die Nato. Fast immer geht es darum in den Beiträgen auf ihrer Website. Im Juli lud die Abgeordnete des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) dort ein Interview mit der chinesischen "Global Times" hoch, die unter Schirmherrschaft der Kommunistischen Partei erscheint. Der Zeitung sagte sie: "Die deutsche Regierung muss einen sozialen Krieg gegen die eigene Bevölkerung führen, um die Anforderungen der USA, einer korrupten Ukraine unter die Arme zu greifen, erfüllen zu können." In einem anderen Beitrag fordert sie plump: "Frieden statt NATO!"

Der Angriffskrieg auf die Ukraine brachte das Weltbild vieler Pazifisten ins Wanken. Nicht das der BSW-Überläuferin Sevim Dagdelen, die vorher langjährige Abgeordnete für die Linkspartei war. Nachdem Russland 2014 die Krim annektierte, lehnte sie Sanktionen gegen Russland ab. Im Dezember 2023, nachdem Putins Krieg bereits Tausende Todesopfer gefordert hatte, tat sie es immer noch.

Offenbar verbreiteten russische Bots Inhalte der BSW-Abgeordneten

Gut vorstellbar also, dass einige in Moskau Gefallen an Dagdelens Positionen finden. Was bisher aber nicht bekannt war: Offenbar verbreiteten russische Bot-Netzwerke die Inhalte der Abgeordneten gezielt in den sozialen Medien, als Teil einer groß angelegten Desinformationskampagne. Das zeigen Erkenntnisse des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, die diese Woche öffentlich wurden.

Bayrisches Landesamt für Verfassungsschutz
Das Bayrische Landesamt für Verfassungsschutz legte am Montag eine 45-seitige Analyse einer russischen Desinformationskampagne vor
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Den Cyberfahndern des Verfassungsschutzes gelang es, russischen Agenten über 14 Monate dabei zuzuschauen, wie sie über Facebook oder X Desinformation nach Deutschland spülten. Die teils automatisch gesteuerten Accounts posteten gefälschte Abbilder deutscher Nachrichtenseiten, etwa des "Spiegel" oder der "Welt". In den verbreiteten Artikeln war dann zu lesen, ein Boykott Russlands sei sinnlos, die Unterstützung der Ukraine schade nur den Deutschen. Die Posts erreichten ungefähr eine Dreiviertelmillion Menschen. 

Die russischen Bots teilten aber nicht nur gefälschte Inhalte, sondern auch echte Seiten, wie eine Untersuchung der russischen Server ergab. Das Ziel laut Verfassungsschutz: "Die Reichweite einzelner Inhalte zu erhöhen, da sie anscheinend grundsätzlich ins russische Narrativ passen". Darunter: Beiträge auf Dagdelens Seite.

Sevim Dagdelen: Analyse ist "absurd"

Die Abgeordnete weist die Analyse des Verfassungsschutzes als "absurd" zurück. "Ganz offensichtlich wittert der bayerische Verfassungsschutz bei jeder Art von kritischer Berichterstattung gegenüber der Nato oder der US-Raketenstationierung in Deutschland russische Feindpropaganda", sagte Dagdelen dem stern. "Kritische Inhalte als Teil russischer Kampagnen zu diffamieren, dient allerdings nicht dem Schutz der freiheitlichen Werte, sondern gefährdet diese und stellt einen Angriff auf die Presse- und Medienfreiheit dar." 

Das zeige sich auch darin, welche Seiten, neben ihrer eigenen, laut Verfassungsschutz für die russischen Kampagne genutzt wurden: Auf der Liste fänden sich auch "hochrespektable US-amerikanische Zeitungen" wie die linksliberale "The Nation" oder die Parlamentszeitung "The Hill", sagte Dagdelen, ebenso die deutsche Wochenzeitung "Der Freitag“ und öffentlich-rechtliche Medien.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der bayerische Verfassungsschutz erklärt das so: Inhalte seriöser Medien teilten die Bots immer dann, wenn es darin um den vermeintlichen wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands, die vielen Krisen der Bundesregierung oder ukrainische Flüchtlinge gehe. All das passt ins russische Narrativ.

Doch die Cyberfahnder fanden noch weitere Hinweise darauf, dass die Posts aus Russland stammten: Die Täter waren vor allem während russischer Bürozeiten aktiv, programmierten die Server mit kyrillischen Tastaturen und nutzten russiche IP-Adressen. Nur am 9. Mai, da blieben die gesteuerten Social-Media-Accounts einmal verdächtig ruhig. Es war der russischen Feiertag des Sieges über Nazi-Deutschland, offenbar hatten die Betreiber an diesem Tag frei. 

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