Der Posten des stellvertretenden Parteichefs ist eigentlich nicht sonderlich wichtig. "Die Hundehütte ist für den Hund, und der CSU-Stellvertreter ist für die Katz'", pflegte Horst Seehofer zu scherzen, als er selbst noch Vize war. Auf diesem Parteitag in Nürnberg jedoch hatte die Wahl der Stellvertreter eine hohe symbolische Bedeutung. Denn es gab fünf Bewerber für vier Posten, und so kam es zum Duell: Peter Ramsauer gegen Peter Gauweiler, Euro-Rebellion gegen Regierungstreue, Technokratie gegen Bierzelt. Am Ende setzte sich Verkehrsminister Ramsauer knapp gegen Verbalakrobat Gauweiler durch. Damit bestätigten die Delegierten den Personalvorschlag, den Parteichef Horst Seehofer gemacht hatte. Die Revolution fiel aus, Seehofer kann durchatmen.
Auch für ihn ganz persönlich war dieser Parteitag ein Erfolg. Seehofer ist in seiner Partei nicht unumstritten, er gilt als wetterwendisch, launenhaft, arrogant. Zu den Zeiten, als Karl-Theodor zu Guttenberg noch in der Politik war, war Seehofer bereits ein Auslaufmodell. Nun gibt es keine Alternative mehr zu ihm, und die Delegierten fügten sich in ihr Schicksal: Sie bestätigten Seehofer im Amt des Parteichefs, er konnte sein Ergebnis sogar leicht verbessern: 2009 erhielt er 88,09 Prozent, nun waren es 89,9 Prozent. Diese Rückendeckung braucht Seehofer, um sich für die Landtagswahl 2013 in Stellung zu bringen. Dann wartet der populäre SPD-Kandidat Christian Ude auf ihn, für den es ein politisches Geschenk gewesen wäre, hätte die CSU ihren Chef auf diesem Parteitag mit einem schlechten Ergebnis abgestraft.
Zündstoff in der Euro-Debatte
Der wohl größte Erfolg der Parteiführung war es jedoch, einen Leitantrag zum Euro durchgebracht zu haben, der zweierlei Funktionen erfüllt: Er erlaubt eine Euro- und Griechenland-skeptische Rhetorik, engt die politischen Spielräume von Kanzlerin Angela Merkel jedoch nicht ernstlich ein. Entgegen allen Ankündigungen hat die CSU eben doch keine "roten Linien" definiert, kein unumkehrbares "Bis hierhin und nicht weiter", das unweigerlich zu einer Sollbruchstelle der schwarz-gelben Koalition geworden wäre. In ihrer Nürnberger Gastrede bedankte sich die Kanzlerin zwei Mal für diesen Annahme dieses Antrags - weil sie damit leben kann.
Wie viel Zündstoff im Thema Euro steckt, ließ die Debatte um den Leitantrag gleichwohl erahnen. Gebetsmühlenartig zitierten die Euro-Befürworter den CSU-Säulenheiligen Franz-Josef Strauß, der einst gesagt hatte: "Bayern ist die Heimat, Deutschland das Vaterland, Europa die Zukunft." Und Seehofer packte sogar Statistiken über die Exporte Bayerns aus, um zu beweisen, dass die einheimische Wirtschaft massiv von der gemeinsamen Währung profitiert hat.
Gauweiler hingegen sprach von der "Finanzwalze", die über den Planeten rolle und Vermögen, Renten und Jobs vernichte. Gauweiler inszenierte sich - im Janker und offenen Hemd - als Lordsiegelbewahrer der bayerischen Tradition, als konservativer Christ, der zuerst die eigenen Landsleute im Auge hat und für den Griechenland fernes Ausland ist. Dafür bekam er so viel Applaus, dass die Parteitagsregie einschritt, um zu verhindern, dass Gauweiler noch vor der Wahl zum stellvertretenden Parteivorsitzenden der Herzen gekürt wird.
CSU zwischen Globalisierung oder Heimattümelei
Wohin also, Bayern? Weiter in eine ungewisse Euro-Zukunft oder zurück zum überschaubaren, nationalen Wirtschaften? Globalisierung oder Heimattümelei? Irgendwo dazwischen steckt die CSU fest, ihr Standpunkt ist nicht klar erkennbar, das knappe Ergebnis im Duell Gauweiler-Ramsauer spiegelt die Verunsicherung. Dass Bayern und die CSU ohnehin viel zu klein sind, um die supranationale Europolitik entscheidend zu beeinflussen, will sich kaum einer eingestehen. Horst Seehofer jedenfalls weiß, dass der Euro kein Gewinner-Thema ist. In seiner Abschlussrede am Samstag verzichtete er auf weitere Ausführungen und predigte stattdessen wie ein Motivationstrainer die Vorzüge des "5-Sterne-Lands" Bayern: ausgeglichener Haushalt, niedrige Arbeitslosigkeit, hohe Lebensqualität, exzellente Universitäten. Mit dieser Bilanz wird Seehofer versuchen, seinen Herausforderer Ude wie einen ätzenden Nörgler aussehen zu lassen.
Die Landtagswahl 2013 ist für Seehofer sowieso das Wichtigste. Es war kein Zufall, dass dieser Parteitag unter dem Slogan "Auf Bayern kommt es an!" steht. Ohne die Macht in Bayern hat die CSU nichts zu melden. Auch nicht zum Thema Euro.