Zwei Wochen vor der Bundestagswahl hat der CSU- Vorsitzende Edmund Stoiber bei seiner Wiederwahl trotz einer Zustimmung von 93,1 Prozent einen leichten Dämpfer erhalten. Der bayerische Ministerpräsident kam am Samstag in Nürnberg bei seiner fünften Wahl zum Parteichef der Christsozialen nach den Spitzenergebnissen in der Vergangenheit auf das zweitschlechteste Ergebnis. Vor den 1000 Delegierten, die ihm bei seiner Parteitagsrede zuvor Minuten Beifall gespendet hatten, sprach 63-jährige Stoiber im Anschluss dennoch von einem "überwältigenden Vertrauensbeweis". Vor zwei Jahren hatte er 97,0 Prozent erzielt.
Verwunderung über 57 Nein-Stimmen
Im Saal herrschte nach dem Ergebnis zum Teil Verwunderung über die 57 Nein-Stimmen für Stoiber. Insgesamt wurden 821 gültige Stimmen abgegeben. Seine eigenen Ambitionen nach einem Wahlsieg der Union hatte Stoiber in seiner 75-minütigen Parteitagsrede nicht angesprochen. Am Rande des Treffens betonten führende Parteimitglieder aber, dass Stoiber nach wie vor auch einen Wechsel nach Berlin in das Bundeskabinett erwäge.
In diesem Zögern sahen führende Parteimitglieder aber nicht den Grund für das Resultat Stoibers. Als Ursache wurden der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Rande des Treffens die Landespolitik und hier insbesondere Stoibers harter Sparkurs genannt. Das Ergebnis für Stoiber wurde von Delegierten auch darauf zurückgeführt, dass er vor zwei Jahren noch einen Bonus als ehemaliger Kanzlerkandidat gehabt habe und nun wieder "normale Verhältnisse" eingekehrt seien. CSU-Generalsekretär Markus Söder sprach von "einem sehr starken Ergebnis". Beim letzten Mal habe Stoiber ein 10:0 erzielt. "Jetzt ist es ein 7:0".
Seehofer als Stellvertreter bestätigt
Bei den Vorstandswahlen wurde der ehemalige Gesundheitsminister Horst Seehofer mit 83,4 Prozent in seinem Amt als Stellvertreter Stoibers bestätigt. Seehofer war wegen seiner Kritik an dem Unions- Gesundheitskonzept im Herbst vergangenen Jahres vom Amt als stellvertretender Chef der Unions-Bundestagsfraktion zurückgetreten und zwischenzeitlich mit Stoiber in Konflikt geraten. Seehofer hatte vor zwei Jahren 85,1 Prozent erhalten. Als weitere Stellvertreter wurden die ehemalige bayerische Sozialministerin Barbara Stamm (87,2 Prozent), Bayerns Justizministerin Beate Merk (82,9) und der Europaabgeordnete Ingo Friedrich (83,6) bestätigt.
Wie am Vortag Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel hatte Stoiber in seiner Parteitags-Rede Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) scharf angegriffen und zur Abwahl der rot-grünen Bundesregierung aufgerufen. Die Union müsse um jede Stimme kämpfen, sagte Stoiber. Unmittelbar vor dem TV-Duell zwischen Schröder und Merkel an diesem Sonntag nannte er Schröder einen Bundeskanzler "auf Abschiedstour". Die SPD setze im Wahlkampf "auf billige Polemik statt auf Argumente". Er warf den Sozialdemokraten vor, kein Angebot für die Zukunft zu haben.

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Schröder habe "Zukunft verpennt"
Den Vorwurf der SPD, die Union stehe für soziale Kälte, konterte Stoiber mit dem Hinweis auf die Rekordarbeitslosigkeit in Deutschland. "Das ist soziale Kälte", betonte Stoiber, und diese habe der Bundeskanzler persönlich zu verantworten. Seiner Ansicht nach habe Schröder auf mehreren Feldern die "Zukunft verpennt". Der Parteichef warf der SPD vor, auch die Möglichkeit eines Bündnisses mit der Linkspartei/PDS ins Auge zu fassen.
Stoiber bekräftigte die Ankündigung der Union, nach einem möglichen Wahlsieg unerwartete Steuereinnahmen aus den steigenden Benzinpreisen an die Bürger zurückzugeben.
Stoiber schließt für die Union erneut EU-Beitritt der Türkei aus
Einer Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union erteilte Stoiber erneut eine klare Absage. "Die EU muss aufnahmebereit bleiben, aber das ist ein Schritt zu viel", sagte er. Die Länder Europas teilten über die Jahrhunderte hinweg immer wieder eine gemeinsame Geschichte und damit gemeinsame kulturelle Wurzeln. Die Türkei und Russland hätten eine andere Kultur und das passe nicht zusammen, betonte Stoiber.
In einem von der CSU bei dem Parteitag verabschiedeten Aufruf zur Bundestagswahl am 18. September heißt es: "Wir sagen Nein zu einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU und bieten eine privilegierte Partnerschaft an." Auch Angela Merkel hatte sich in Nürnberg erneut klar gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei ausgesprochen. Zuvor hatte der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel einem EU-Beitritt Kroatiens den klaren Vorzug vor dem der Türkei gegeben.