Die Eine-Billion-Euro-Frage

Auf diese Summe soll der EFSF erweitert werden. Doch der angebliche Plan provoziert Streit: Die SPD fordert bereits eine neue Abstimmung über die Euro-Rettung.

Die Summen zur Euro-Rettung werden immer unvorstellbarer: Sollte sich der Bericht der "Financial Times Deutschland" bestätigen, dann sind die EU-Staats und Regierungschefs willig, den Euro-Rettungsschirm (EFSF) auf eine Billion Euro zu erhöhen. Der britische "Guardian" berichtet sogar von einer Summe in Höhe von zwei Billionen Euro. Noch dementieren die Beteiligten entsprechende Pläne, aber die Märkte reagieren erfreut auf die Nachricht des Tages.

Der Euro zum Beispiel legte im Handel leicht zu und pendelte am Vormittag um die 1,38-Dollar-Marke. Auch der Dax schöpft Hoffnung: Der deutsche Leitindex stieg um 1,1 Prozent an. Ein Händler sagte der Nachrichtenagentur Reuters, noch halte die Ungewissheit an und die Anleger warteten gebannt auf jede neue Nachricht zur Entwicklung der Euro-Krise. Denn dem offenbar positiven Signal zum Trotz - eine Bestätigung für die finanzielle Stärkung des Rettungsschirms gibt es noch nicht. So will Reuters aus EU-Kreisen erfahren haben, dass bislang noch keine Einigung über den Umfang der Ausweitung des EFSF erzielt worden sei.

Zeitungsberichte "schlicht falsch"

Andere Eingeweihte bezeichneten die Zeitungsberichte sogar schlicht als falsch. Ein anderer EU-Vertreter, der mit den Verhandlungen vertraut sein soll, sagte der Nachrichtenagentur, es sei nicht so einfach, das Kreditvolumen des EFSF von 440 Milliarden Euro auf eine deutlich höhere Summe zu multiplizieren. "Es ist naiv zu glauben, dass man eine einfache Rechnung aufmachen kann und dass am Ende dann eine schöne runde Zahl von zwei Billionen steht", so der EU-Vertreter. Die Hebelung der EFSF-Mittel stehe aber weiterhin im Mittelpunkt der Diskussionen rund um eine Stärkung des provisorischen Euro-Rettungsschirms.

Der so genannte Kredithebel ist bereits seit einigen Wochen im Gespräch. Damit könnte die Finanz- und Schlagkraft des Fonds tatsächlich deutlich erhöht werden: Nach dem derzeit diskutierten Modell würde der Fonds nur einen Teil der Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder und nicht 100 Prozent versichern.

Mit Teilbeträgen Vertrauen zurückgewinnen

Davon könnten vor allem Länder mit angeschlagenem Ruf wie Spanien und Italien profitieren, denn die Botschaft der Hebel-Lösung wäre: Der Fonds ist auch stark genug für große Volkswirtschaften mit angekratzter Kreditwürdigkeit.

Auch wenn lediglich 20 oder 30 Prozent der Anleihen versichert würden, könnte mit diesem Teilbetrag Vertrauen bei Anlegern wie Banken zurückgewonnen werden. Kann ein Land seine Anleihen nicht zurückzahlen, würde der Fonds die vereinbarte Versicherung auszahlen. Ein Totalausfall wäre vermieden. Der Rettungsschirm wird demnächst tatsächlich 440 Milliarden Euro an Notkrediten bereitstellen können. Würde ein Teil - zum Beispiel 30 Prozent - der Anleihen versichert, könnte das Vertrauen zusätzlicher Geldgeber gewonnen werden - das Nothilfe-Volumen würde so steigen.

Haushaltsausschuss muss Neuregelung zustimmen

Diese Idee einer Versicherung wäre für die 17 Staaten der Eurozone eine elegante Lösung, die Schlagkraft des Rettungsfonds zu stärken. Der EFSF selbst müsste nicht mehr Kapital aufnehmen, die Euro-Länder keine höheren Garantien für den EFSF übernehmen. Die Hebelwirkung soll Teil der Leitlinien für den Rettungsfonds werden.

So könnte der Fonds teilweise für Anleihen garantieren und damit den Kauf kritischer Papiere - wie griechischer Staatsanleihen - für Investoren wieder attraktiv machen. Wenn der EFSF für einen Anteil von 20 Prozent garantiere und das Risiko abdecke, würde ein Euro Garantie fünf Euro Finanzierung für ein Krisenland möglich machen. Wankende Euro-Staaten hätten dann wieder besseren Zugang zu frischem Geld.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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SPD sieht EU auf dem Weg in die Schuldenunion

Kritik am Hebel kommt sowohl aus Reihen der Regierung als nun auch wieder von der SPD: "Wir gehen den Weg in die Schuldenunion, aber ohne jedes Instrument, diese Schulden kontrollieren zu können", sagte Parteichef Sigmar Gabriel im "ZDF-Morgenmagazin". Das Risiko für Deutschland werde dadurch "exorbitant höher". Ohnehin gehe die Bundesregierung zu langsam vor: "Vor anderthalb Jahren hätten wir den Schuldenschnitt in Griechenland machen müssen." Damals sei Italien noch nicht im Fokus der Finanzmärkte gewesen. "Jetzt wird es alles viel, viel teurer." Die Bundesregierung habe seit anderthalb Jahren nichts unternommen, "um den Banken und Finanzsektor zu regulieren", so der SPD-Chef.

Das "Handelsblatt" berichtet, dass daneben weitere Einsatzmöglichkeiten für den Rettungsfonds im Gespräch sind: So würden in der Bundesregierung Möglichkeiten von Zinshilfen bei Staatsanleihen von Ländern erwogen, die Finanzierungsprobleme am Kapitalmarkt bekämen. Diese soll in einer Art Zinsstundung bestehen, hieß es in der Zeitung. Hinter diesen Überlegungen stehe die Befürchtung, dass Frankreich sein Top-Rating verlieren könnte, was auch die Bewertung der EFSF-Kreditwürdigkeit selbst betreffen würde. Zudem berichtet die Zeitung von Überlegungen, dass finanzstarke Schwellenländer, wie China, Indien und Brasilien, helfen könnten, das Finanzvolumen des Rettungsschirms aufzustocken. EFSF-Chef Klaus Regling wolle dafür Konten beim Internationalen Währungsfonds (IWF) einrichten. Die USA und der IWF seien im Grundsatz offen für diese Idee.

SPD wittert Züge einer Geheimpolitik

Angesichts der unklaren Lage, fühlt sich Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion von der Regierung getäuscht und verlangt eine neue Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm im Bundestag. Das Vorgehen der schwarz-gelben Koalition habe immer mehr "Züge einer Geheimpolitik", sagte er nun. Die Berichte über konkrete Pläne für eine sogenannte Hebelung des Euro-Rettungsschirms stünden im krassen Gegensatz zu den Zusicherungen, die führende Regierungspolitiker noch vor kurzem abgegeben hätten.

Falls das Verlustrisiko für Deutschland dadurch weiter steige, reiche es nicht, dass nur der Haushaltsausschuss des Bundestags darüber beschließe. Wenn der gesamte Haushalt davon berührt sei, müsse vielmehr der Bundestag entscheiden, erklärte Oppermann. Er ließ ausdrücklich offen, ob die SPD-Fraktion erneut zustimmen würde. Der Haushaltsausschuss des Bundestages muss dem komplizierten und umfassenden Regelwerk des EFSF auf jeden Fall zustimmen.

DPA · Reuters
nik/Reuters/DPA