Knapp vier Wochen nach der Bundestagswahl demonstrieren in Berlin Hunderte Klimaschützer, um ihre Forderungen an die künftige Bundesregierung zu untermauern. Unter dem Motto "Ihr lasst uns keine Wahl" protestierten Anhänger der Bewegung "Fridays for Future" am Freitagmittag am Brandenburger Tor. Nach Polizeiangaben waren rund 1300 Teilnehmende zum Auftakt dort. Weitere Menschen seien auf dem Weg zu der Aktion, berichtete ein Sprecher. Laut Veranstalter waren etwa 3000 Teilnehmende aus gesamten Bundesgebiet angereist. Der Protestzug sollte durch das Regierungsviertel zurück zum Brandenburger Tor ziehen. Die Demonstration ist zugleich Auftakt der Aktionstage, zu denen das Bündnis "Gerechtigkeit Jetzt!" anlässlich der Koalitionsverhandlungen von SPD, Grüne und FDP aufgerufen hat.
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Das Bündnis will so die Parteien der möglichen künftigen Ampelkoalition zu umfassenden Maßnahmen für den Klimaschutz bewegen – mit allem Nachdruck. Die Parteien hätten bisher "keine echte Antwort auf die Klimakrise geliefert", hieß es. Erst am Mittwoch hatte FFF sechs Forderungen an die kommende Bundesregierung gestellt. Binnen ihrer ersten 100 Tage soll die neue Regierung etwa ein 1,5°C-konformes CO2-Budget verabschieden, den Erdgasausstieg bis 2035 sowie die Versiebenfachung des Ausbaus von Sonnen- und Windenergie beschließen. Der Einbau von Verbrennungsmotoren in Autos soll laut FFF schon ab 2025 verboten werden.
Baerbock wehrt sich gegen Kritik
Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock hat sich gegen den Vorwurf verteidigt, Klimaziele der aktuellen Bundesregierung könnten in einer künftigen Ampel-Koalition aufgeweicht werden. "Wenn wir die Ziele unterschreiten würden, dann können wir dieses ganze Papier nehmen und in den Mülleimer werfen", sagte Baerbock am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" zu den Klimaschutz-Vorschlägen im Sondierungspapier, das SPD, Grüne und FDP in der vergangenen Woche vorgestellt hatten.
"Alle Sektoren müssen weiter ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten", sagte Baerbock dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Im Sondierungspapier von Grünen, SPD und FDP heißt es, man wolle die Einhaltung der Klimaziele "anhand einer sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen Gesamtrechnung überprüfen".
Sondierungspapier beim Klimaschutz wenig konkret
Bislang wird jedes Jahr überprüft, ob die einzelnen Sektoren wie Energie, Verkehr oder Landwirtschaft ihre jährlichen Klimaziele erreichen. Wenn nicht genug Treibhausgase eingespart werden, muss die Regierung Maßnahmen ergreifen. Kritiker deuteten die Formulierung im Sondierungspapier als Abschied von den jährlichen Sektorzielen. Diese wolle man aber "keineswegs streichen", sagte Baerbock. Es gehe nun auch darum, wie Maßnahmen, berücksichtigt werden sollen, die nicht sofort wirken, aber mittelfristig umso mehr. "Der Kohleausstieg etwa wird einen riesigen Klimaschub geben, aber eben erst in ein paar Jahren – so etwas sollte zusätzlich aufgeführt werden", erläuterte die Grünen-Vorsitzende.

Im Sondierungspapier der möglichen Ampel-Koalition wird es unter der Überschrift "Klimaschutz in einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft" insgesamt wenig konkret. Dort heißt es etwa: "Wir werden das Klimaschutzgesetz noch im Jahr 2022 konsequent weiterentwickeln und ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen auf den Weg bringen." Der Ausbau der Erneuerbaren Energien solle "drastisch" beschleunigt werden. Oder: "Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig. Idealerweise gelingt das schon bis 2030." Allerdings handelt es sich eben auch erst um ein Sondierungspapier, in dem sich die Parteien erst einmal grob auf einen Konsens einigen müssen. Schon der Koalitionsvertrag – so er denn zustande kommt – dürfte deutlich konkreter ausfallen.
Der letzte Klimastreik fand erst vor wenigen Wochen statt – kurz vor der Bundestagswahl demonstrierten Menschen in mehr als 470 deutschen Städten. "Fridays for Future" bezifferte die Gesamtzahl der Teilnehmer damals auf 620.000.

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Weitere Quellen: Sondierungspapier auf gruene.de, "Fridays for Future"-Forderungen an die neue Bundesregierung, Baerbock-Interview auf spiegel.de (Bezahlinhalt).