Herr Bütikofer, die Grünen muten derzeit an wie das schönste Mädchen im Dorf. Jeder will mit Ihnen anbandeln. Die CDU, die SPD. Sie sind fast bei jeder denkbaren Koalitionsvariante im Geschäft. Schwarz-Grün, Jamaika, Rot-Rot-Grün. Ampel. Von wem träumen Sie nachts: Von Angela Merkel oder Kurt Beck?
"Wir machen es wie jedes schöne Mädchen: Wir zieren uns erst einmal, um die Bewerber ordentlich in Erregung zu versetzen. Aber im Ernst: Man muss leider sagen, dass so ein richtig knackiger, überzeugender Bewerber nicht dabei ist. Die SPD liefert gegenwärtig eine desorientierte Vorstellung ab. Die Union scheint eher zu wissen, was sie will. Aber das, was sie will, geht in die falsche Richtung."
Jetzt geißeln Sie gleich den Innenminister ...
... Herr Schäuble trommelt einerseits für Schwarz-Grün, stellt aber andererseits mit kaltem Zynismus elementare, selbstverständliche Werte unserer Rechtsstaatsordnung zur Disposition.
Dennoch buhlt die Union nach Kräften um Ihre Gunst. In der Klimapolitik etwa, in der Familienpolitik. Bei einer Bundestagsdebatte hat der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Norbert Röttgen, sogar eine Lanze für eine ökologische Wachstumspolitik gebrochen. Da muss die Maid doch erbeben vor Glück.
"Langsam. Langsam. Wenn sogar der Oberdogmatiker Oskar Lafontaine begreift, dass man sich ums Klima kümmern muss, dann möchte eine Volkspartei wie die Union vielleicht auch nicht ganz achtlos an dem Thema vorbeigehen ...
Zur Person
Reinhard Bütikofer, 54, ist seit 2002 einer von zwei Grünen-Chefs. Bis 2002 war Angelika Beer als Co-Vorsitzende an seiner Seite, seit 2004 ist es Claudia Roth. Bütikofer ist verheiratet und hat drei Töchter.
Da sind Sie aber jetzt sehr hartleibig. Andere Grüne sind herzlicher: Jürgen Trittin etwa hat die Kanzlerin für ihre Klimapolitik gelobt, Daniel Cohn-Bendit hat Merkel nach dem EU-Gipfel gepriesen.
Trittin lobt selten ohne Hintersinn. Vorsicht. Frau Merkel würde Ihnen auch kaum zustimmen, dass sie von grüner Seite viel gelobt und gepriesen worden sei. Gerade in der Klimapolitik haben wir deutlich gesagt, was getan werden muss - und was Merkel alles nicht anpackt. Und in der Europapolitik hat Joschka Fischer früher sogar Helmut Kohl gelobt. Da darf man nichts Schwarz-Grünes hineingeheimnissen. Es stimmt allerdings. Bei der Union hat sich etwas verändert. Aber zwischen der Rhetorik und der Regierungspolitik liegen immer noch Welten. Die Veränderungen in der Union gehen noch nicht so weit, dass man darauf eine gemeinsame, tragfähige Politik aufbauen könnte.
Woran würde eine schwarz-grüne Affäre scheitern?
Bei mindestens vier Themen würde es schwierig werden: Beim Thema ökologische Innovation, das betrifft konkret den Atomausstieg, beim Thema soziale Gerechtigkeit, das betrifft konkret den Mindestlohn, beim dringend notwendigen Bildungsaufbruch und bei der Bürgerrechtspolitik, das betrifft natürlich auch die Ziele Schäubles. Die Widersprüche in der Union kann man doch schon an ihrer Integrationspolitik ablesen. Auf der einen Seite organisiert man eine große Konferenz, auf der anderen Seite handelt man offen ethnisch diskriminierend und verlangt, dass Ehegatten von Türken oder Arabern anders behandelt werden als Ehegatten, die aus Amerika oder Japan kommen. Wir erweisen der Öffentlichkeit keinen Gefallen, wenn wir die Union für ihre Trippelschritte loben statt sie auf Konsequenz in ihrem Handeln zu verpflichten. Wir wollen und werden da geradlinig bleiben. Deshalb verleihen wir einer Union, die mehr auf ihr Image achtet als auf die Substanz, dafür nicht auch noch einen Preis.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Aber in den Ländern könnte man's doch trotzdem miteinander probieren, zum Beispiel in Hamburg. Dort wird im Januar 2008 gewählt.
In Hamburg kann das Wahlergebnis tatsächlich eine Situation schaffen, in der es an den Grünen hängt, in welcher Konstellation regiert wird. Aber wenn wir die Wahl zwischen Michael Naumann und Ole von Beust haben, ist es wahrscheinlicher, dass es eine rot-grüne Koalition geben wird.
Aber es kann sein, dass es in Hamburg für Rot-Grün nicht reicht, wenn etwa "Die Linke" ins Parlament kommt. Dann bleiben nur die Möglichkeiten einer schwarz-grünen, einer rot-rot-grünen und einer großen Koalition.
Möglich ist Vieles. Aber man muss den Wählern klar sagen, was man will. Und die Hamburger Grünen neigen zu Rot-Grün.
Zurück zum Bund: Fällt mir Ihrer Absage an die Union auch Jamaika flach - eine Koalition mit Union und FDP?
Bei Jamaika hätte ich als Grüner ein Bündnis mit gleich drei gegnerischen Parteien: Die CDU, die CSU und Guido Westerwelles FDP. Das ist ein bisschen viel.
Bleiben die Ampel - also ein Bündnis mit SPD und FDP - und ein rot-rot-grünes Bündnis mit Oskar Lafontaine?
Bei den vier zentralen Themen ökologische Innovation, soziale Gerechtigkeit, Bildung und Bürgerrechte ist gegenwärtig die Schnittmenge in einer Ampel am größten. Wenn es durch ein entsprechendes Wahlergebnis notwendig wird: warum sollte man es nicht versuchen? Wenn die FDP nach der Bundestagswahl 2005 bereit gewesen wäre zu springen, hätten wir die Ampel schon damals gemacht.
Sie werben ja geradezu enthusiastisch für eine Partie mit der FDP. Haben Sie kein Problem mehr mit der Westerwelle-FDP, die in jüngster Zeit ja verstärkt auch nationalliberale Töne anschlägt?
Enthusiasmus sieht bei mir doch noch anders aus. Eine Ampel ist nicht unsere Wunschkoalition. Die größte Schwäche der FDP ist gegenwärtig Guido Westerwelle. Er lässt die große bürgerrechtlich-liberale Tradition der FDP einfach links liegen und positioniert sich in Fragen der inneren Sicherheit rechts von Merkel - wie jüngst bei den Diskussionen zu den Sicherheitsmaßnahmen in Heiligendamm zu besichtigen. Aber die FDP ist nicht nur Westerwelle, auch wenn er alles andere mit markigem Getöse zudeckt. Und die Vergangenheit hat gezeigt: Westerwelle ist wendig, umso mehr, wenn es um eine Machtbeteiligung geht.
Aber die SPD wird gerade von Lafontaines Linken zerlegt. Wollen Sie mit einer so bedauernswerten, schwachen SPD wirklich koalieren?
Ich habe zur SPD weder ein hämisches noch ein pädagogisches Verhältnis. Aber eines ist sicher: Oskar Lafontaine und seine "Linke" sind derzeit überkauft.
Weshalb wollen Sie mit Lafontaine eigentlich partout nicht koalieren?
Wir werden nicht mit einer Partei koalieren, die eine verantwortliche deutsche Außenpolitik denunziert und die deutsche Soldaten, die in Afghanistan dem afghanischen Volk beim Wiederaufbau helfen, als Terroristen verunglimpft. Auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik haben wir Probleme mit einer Partei, die behauptet, mit Hartz IV sei die soziale Ungleichheit in die Welt gekommen und vorher hätten wir im Paradies gelebt. Das ist grundfalsch. Hartz IV hat erhebliche Ungerechtigkeiten geschaffen, die korrigiert werden müssen. Hartz IV hat aber auch dazu beigetragen, dass Wachstum wieder mehr Leute in Beschäftigung bringt als es zuvor der Fall war. Es wäre unsozial, das jetzt wieder abzuschaffen. Oskar Lafontaines demagogische Politik ist in der Substanz unsozial.
Haben Sie Angst vor "Der Linken"? Ihr nordrhein-westfälischer Landtagsabgeordnete Rüdiger Sagel ist zu Lafontaine übergelaufen. Bangen Sie um Ihre linke Klientel?
Keineswegs. Ich suche die Auseinandersetzung mit diesen altbackenen Linken à la Lafontaine darüber, was wirklich progressiv ist. Nehmen Sie die Friedenspolitik: Sicher, hinsichtlich der Auslandseinsätze des Bundeswehr gibt es in unserer Partei Bedenken, es gibt Militär-Skeptiker. Aber es ist ein fester Bestandteil unserer Debatte, dass Friedenspolitik auch bedeutet, internationale Verantwortung zu übernehmen. Und ich kenne keine prominente grüne Stimme, die mit dem Afghanistan-Einsatz so hetzerisch, ideologisch und demagogisch umgehen würde wie Lafontaine. Was Lafontaine von sich gibt, hat mit Pazifismus überhaupt nichts zu tun.
Müssten Sie dennoch nicht Jürgen Trittin als Brückenfigur zur Linken in eine herausgehobenere Position heben?
Als Vize-Fraktionsvorsitzender hat Jürgen Trittin eine herausgehobene Funktion. Alles andere ist die Entscheidung der Abgeordneten und Mitglieder.
Ich frage den Vorsitzenden. Der darf ja Personal empfehlen. Würden Sie eine stärkere Einbindung Jürgen Trittins als Galionsfigur für die Parteilinke befürworten?
Unsere Stärke liegt in der Vielfalt der Köpfe. Es wäre ein Fehler, diese Vielfalt zu beschneiden. Es ist doch etwa ein Ausdruck der Schwäche der FDP, dass sie nur einen Kopf hat. Bei uns ist es dagegen ein Ausdruck der Glaubwürdigkeit, dass wir mehrere Führungspersonen haben. Das funktioniert, weil die Köpfe in eine einheitliche Strategie eingebunden sind.
Wann wollen Sie über den oder die Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl entscheiden?
Wenn man von einem normalen Ende der Legislatur ausgeht, dann wäre es vernünftig, dass die Partei die Kandidatenfrage nach den Landtagswahlen des kommenden Jahres entscheidet, also im Herbst 2008.
In der Führungsriege sind Sie satzungsgemäß der einzige, der kein Bundestagsmandat hat. Wollen Sie das ändern?
Nein, das will ich nicht. Die Gelegenheit dazu hätte es schon oft gegeben.