In Bonn beginnt heute die Weltklimakonferenz. Vertreter von etwa 180 Nationen verhandeln über die Ausgestaltung des Klimaschutz-Abkommens von Kyoto. Darin haben sich die Industrieländer 1997 verpflichtet, ihren Ausstoß an Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) bis 2012 um insgesamt 5,2 Prozent zu verringern. Welche Maßnahmen dazu erlaubt sein sollen, ist aber umstritten. Die knapp zweiwöchige Konferenz startet mit Beratungen auf Beamtenebene. Die entscheidende Phase beginnt erst mit der förmlichen Eröffnung am Donnerstag und den Ministergesprächen am selben Abend. Wegen der massiven Ausschreitungen am Rande internationaler Konferenzen in jüngster Vergangenheit hat die Polizei strikte Sicherheitsvorkehrungen getroffen.
Die Verhandlungen in Bonn, dem Sitz des UNO- Klimasekretariats UNFCCC, sollen den Weg freimachen für die Ratifizierung des Kyoto-Abkommens in den nächsten Jahren. Nur dann wird das Protokoll völkerrechtlich verbindlich. Ein Erfolg ist jedoch durch die Absage der neuen US-Regierung an das Kyoto-Abkommen in Frage gestellt. Eine Mehrheit für die Ratifizierung kann nur zu Stande kommen, wenn nicht auch noch Japan oder Russland abspringen. Japan hat bisher keinen Willen erkennen lassen, das Abkommen ohne die USA zu ratifizieren und erwartet für die Bonner Konferenz keine endgültigen Beschlüsse.
Gewalttätige Proteste angekündigt
Die Klimakonferenz tagt nach 1999 zum zweiten Mal in Bonn. Erwartet werden 5000 bis 6000 Teilnehmer aus etwa 180 Nationen. Das Treffen ist die Fortsetzung der 6. Klimakonferenz in Den Haag vom November 2000.
Die Verhandlungen wurden damals nach Bonn vertagt, da ein Scheitern drohte. Formell ist es die 6. Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention des Erdgipfels von Rio de Janeiro im Jahr 1992.
Einige Gruppen haben gewalttätige Proteste angekündigt. Mit Straßenschlachten wie in Göteborg oder Salzburg ist nach Aussage eines Polizeisprechers nicht zu rechnen, weil die gewaltbereite Szene voraussichtlich eher zum parallel stattfindenden Weltwirtschaftsgipfel nach Genua fahren werde. Rund 2000 Polizisten sollen im Einsatz sein. Der Bundesgrenzschutz hat verstärkte Kontrollen in den Zügen aus Frankreich und den Benelux-Staaten angekündigt.
Der Konferenzort selbst, ein Hotel, gilt während der Konferenz wie ein Botschaftsgelände als extraterritoriale Zone, für die die Bonner Polizei nicht zuständig ist. Sie kann jedoch eingreifen, wenn sie von der UNO-Polizei dazu aufgefordert wird.
Druck auf USA wächst
In dramatischen Appellen an die USA haben Politiker aus dem In- und Ausland vor einem Scheitern des Bonner Klimagipfels gewarnt. Der Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Klaus Töpfer, sagte am Wochenende einen drastischen Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperaturen voraus, wenn nicht sofort gehandelt werde. Bundesumweltminister Jürgen Trittin und EU-Umweltkommissarin Margot Wallström kündigten an, notfalls im Alleingang ohne die USA gegen die drohende Klimakatastrophe vorzugehen.
Trittin warnte vor einem Ausscheren weiterer Länder aus dem Abkommen. Er werde »nicht zulassen, dass sich andere Industrienationen davonstehlen«, sagte der Grünen-Politiker in der »Welt am Sonntag«. Er rief die USA auf, »ihren Ankündigungen zur CO2-Reduktion im eigenen Land Taten folgen lassen« und zudem wenigstens die Kraftwerke auf europäischen Stand zu bringen. In »Focus Online« kündigte er an, das Kyoto-Protokoll notfalls ohne die USA umzusetzen. »In Bonn müssen wir den Sack zumachen«, sagte Trittin.

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EU-Umweltkommissarin Wallström kritisierte im »Spiegel« die drohende Ablehnung des Kyoto-Protokolls durch die US-Regierung als »unfair gegenüber dem Rest der Welt«. Sie sprach sich für einen europäischen Alleingang aus, wenn die USA sich weiterhin verweigern sollten. Die EU habe bereits 40 Maßnahmen
wie Wärmedämmung oder Bio-Treibstoffe untersucht. Danach läge das Einsparpotenzial bei Kohlendioxid in der EU sogar doppelt so hoch wie in Kyoto vereinbart.
Töpfer nennt Einigung moralisch zwingend
Töpfer appellierte in der »Märkischen Allgemeinen« in Potsdam an die USA, das Protokoll zumindest nicht zu unterlaufen und außerdem andere Länder nicht zu beeinflussen, sich gegen Kyoto zu entscheiden. Nach Angaben des UNO-Umweltpolitikers geht die weltweite Erwärmung schneller voran als jemals vorhergesagt. Zu erwarten sei ein »weiterer Anstieg zwischen 1,4 und 5,8 Grad Celcius«, schrieb Töpfer in der »Bild am Sonntag«.
Die Folgen seien verheerend: »steigender Meeresspiegel, abschmelzende Gletscher, veränderte Niederschläge, verstärkte Wüstenbildung, häufiger gewaltige Stürme, Niederschläge und Dürren.« Daher sei eine Einigung auf eine rechtliche Verpflichtung für weltweites Handeln beim Bonner Gipfel faktisch und moralisch zwingend, betonte Töpfer.