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"Höegh Esperanza" Aufregung um Flüssiggas-Terminalschiff in Wilhelmshaven: "Ein schleichender Chemieunfall"

Höegh-Terminalschiff an einem LNG-Terminal
Höegh-Terminalschiff an einem Flüssiggas-Terminal: in Wilhelmshaven wachsen die Sorgen vor ernsten Umweltschäden.
© Höegh LNG
Im Dezember soll das erste Flüssiggas-Terminal in Wilhelmshaven den Betrieb aufnehmen. Damit verbunden sind Hoffnungen, kurzfristig ausbleibendes russisches Gas zumindest teilweise auszugleichen. Doch beim Umwandlungsprozess werden Chemikalien in großer Menge ins Meer geleitet.

Auf schwimmenden LNG-Terminals ruhen große Hoffnungen. Sie sind ein wichtiger Teil der Planungen der Bundesregierung, Deutschland auch ohne russisches Gas möglichst warm durch den Winter zu bringen – und eine alternative Versorgung zum russischen Gas aufzubauen. Nach beschleunigter Planung soll nun im Dezember das von der Bundesregierung gecharterte norwegische Terminalschiff "Höegh Esperanza" in Wilhelmshaven stationiert und von dort aus ein Teil der Gasversorgung aufgenommen werden. "LNG-Tanker aller Größen werden die Anlage unabhängig von den Gezeiten und im Einklang mit höchsten  internationalen Sicherheitsstandards anlaufen können", hieß es in einer Mitteilung des Betreibers Uniper im vergangenen Sommer.

LNG-Terminal: Schlimme Folgen fürs Wattenmeer? 

Doch so unproblematisch wie es sich in der Uniper-Mitteilung anhört, wird der Betrieb des Terminals allem Anschein nach nicht sein. "In Wilhelmshaven und an den übrigen LNG-Standorten droht ein schleichender Chemieunfall", warnt Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe. Vor allem der Einsatz von Chlor als Biozid, um die Regasifizierungsanlage von Muscheln und Seepocken freizuhalten, macht Umweltschützern und Lokalpolitikern Sorgen. 178 Millionen Kubikmeter mit Chlor versetztes Wasser dürften jährlich ins Meer gelangen. Durch den Eintrag des Biozids würden der einzigartige Lebensraum Wattenmeer – ein Weltnaturerbe –, aber auch Menschen in der Region gefährdet. Denn, so Imke Zwoch vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk (NDR): "Es geht nicht nur um Chlor, sondern um 20, 30 verschiedene Verbindungen, die daraus entstehen können, vor allem Brom-haltige Verbindungen."

"Brom ist ein Nervengift", erläutert der Lokalpolitiker Dieter Schäfermeier (Pro Wangerland) dem NDR, "und wenn das in die Nahrungskette gelangt über die Krabben- und Fischlaichgebiete, dann haben wir hier ein großes Problem in der Zukunft." Kritisch sieht Schäfermeier auch den Vorgang der Regasifizierung, bei dem nach Angaben von Uniper das auf minus 162 Grad heruntergekühlte Flüssiggas mit Meereswasser erwärmt wird. Das Wasser wird später wieder ins Meer zurückgeleitet, ist dann aber sechs bis sieben Grad kälter als zuvor. Das kalte Wasser werde in mehrere Quadratkilometer großen Wolken absinken, und das etwa alle vier Tage. Die Folgen: unklar. "Das hätte viel genauer untersucht werden müssen", klagt der Lokalpolitiker.

300 Einwendungen gegen das Terminal

Doch angesichts der kritischen Versorgungslage wurden im LNG-Beschleunigungsgesetz Umweltschutzauflagen aufgeweicht. Eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung wurde gleich ganz gestrichen, kritisiert die Umwelthilfe. Beim Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) wurden daher im Rahmen des wasserrechtlichen Erlaubnisverfahrens rund 300 Einwendungen eingereicht, teilte die Behörde mit. Doch Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) weist die Bedenken  insgesamt zurück. Die Genehmigungen für die LNG-Terminals – fünf sollen es voraussichtlich werden – würden nur nach sorgfältiger Prüfung erteilt. Dabei werde berücksichtigt, in welch wertvollem Naturraum man sich bewege, so der Minister am Rande einer Informationsveranstaltung in Wilhelmshaven am Mittwoch. Die Behörden achteten "strengstens auf die Einhaltung unserer hohen deutschen Umweltstandards", zitiert der NDR den Minister weiter.

Doch es gibt Zweifel daran, dass die Einhaltung dieser Standards mit der "Höegh Esperanza" überhaupt möglich ist. So gebe es Alternativen zum Chloreinsatz. Dazu zählten Kautschukkügelchen, die auf mechanischem Wege die Regasifizierungsanlage frei von Bewuchs halten könnten. Aber: "Die 'Höegh Esperanza' ist dafür nicht ausgestattet", sagt BUND-Frau Imke Zwoch. Das Terminalschiff sei demzufolge auch nicht auf dem Stand der Technik, anders als es Minister Lies öffentlich dargestellt hat. Vielmehr habe die "Höegh Esperanza" aufgrund der Biozid-Einleitungen ins Meereswasser für ein 2021 geplantes LNG-Projekt in Australien keine Betriebserlaubnis erhalten. Das Schiff sei bei der Umweltprüfung der Behörden im Bundessaat Victoria durchgefallen, so die Umwelthilfe. Das Projekt sei daraufhin abgesagt worden, und nur deshalb habe die Bundesregierung das Schiff überhaupt chartern können – für 120.000 Euro pro Tag.

"Höegh Esperanza" war am Markt zu haben

"Das Schiff ist das, was gechartert werden konnte", so Lies zum NDR, "das, was auf dem Markt verfügbar war." Die Umweltstandards würden eingehalten, beteuert der Minister, aber es gebe auch keine andere Wahl als die "Höegh Esperanza" einzusetzen, um bei der Sicherung der Energieversorgung voranzukommen. Somit gehe auch kein Weg am Einsatz von Chlor vorbei. Dass das LNG-Terminal in Betrieb gehen wird, daran gibt es trotz aller Umweltbedenken kaum einen Zweifel. Maximal zehn Jahre soll das Terminal in Betrieb bleiben – auf diese Zeit ist das Projekt begrenzt. 

Quellen: Deutsche Umwelt-Hilfe; Täglicher Hafenbericht; UniperNDR (1); NDR (2), Redaktionsnetzwerk Deutschland; DPA

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