POLITISCHER ASCHERMITTWOCH Auftakt zum Bundestagswahlkampf

Mit Spott, Hohn und heftigen gegenseitigen Angriffen haben die Parteien beim traditionellen Politischen Aschermittwoch den Bundestagswahlkampf eingeläutet.

Sieben Monate vor der Bundestagswahl haben CDU/CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber und FDP-Chef Guido Westerwelle ihren Regierungsanspruch bekräftigt und vor einer Koalition von SPD und PDS auf Bundesebene gewarnt. Stoiber kündigte für den Sommer ein 100-Tage-Programm an, in dem die Abschaffung der nächsten Stufe der Ökosteuer vorgesehen sei.

»Berliner Bündnis kein Modell für den Bund«

Stoiber sagte bei seiner traditionellen Aschermittwochsrede in Passau, das rot-rote Bündnis im Berliner Senat dürfe nicht auf den Bund übertragen werden. »Die Mitte hat keine Farbe, aber rot ist sie mit Sicherheit nicht, und das müssen wir deutlich machen«, sagte Stoiber zum Anspruch der Bundesregierung, die »neue Mitte« zu vertreten. Auch Westerwelle warnte bei seiner Aschermittwochsrede ebenfalls in Passau vor Rot-Rot. Die SPD hat dies allerdings für die Bundesebene wiederholt ausgeschlossen.

Stoiber zog diese Aussage von Bundeskanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder in Zweifel: »Wenn es um den Erhalt seiner Macht geht, ist Schröder jedes Mittel recht.« Dessen Politik für die neuen Länder sei gescheitert, er habe den Osten nicht wie versprochen zur Chefsache gemacht: »Er hat die Menschen im Osten belogen.« Stoiber sagte, er werde »spätestens Juni oder Juli« ein 100-Tage-Programm vorlegen. Auf jeden Fall wolle er die nächste Stufe der Ökosteuer-Erhöhung als »Wachstumsbremse Nummer 1« stoppen.

Die Union liegt seit der Nominierung Stoibers in den Meinungsumfragen leicht vor der SPD, während die Grünen um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen müssen. Die Umfragewerte des kleinen Koalitionspartners liegen derzeit zwischen vier und sechs Prozent und damit hinter den Werten von FDP und PDS.

»Ob Schwarz-Gelb oder Rot-Gelb, beides ist besser als Rot-Grün«

Westerwelle knüpfte die Regierungsbeteiligung der FDP erneut an Steuersenkungen. »Ich werde im Herbst nur einen Koalitionsvertrag unterschreiben, wenn darin ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem vereinbart worden ist.« Er vermied eine Koalitionsaussage. »Ob Schwarz-Gelb oder Rot-Gelb, beides ist in jedem Fall besser als Rot-Grün mit der PDS als Reserverad«, sagte er.

Der FDP-Chef kritisierte die Bundesregierung scharf, sparte aber auch nicht mit Kritik am möglichen Koalitionspartner Stoiber. Der Kanzlerkandidat wolle nur die nächste Stufe der Ökosteuer stoppen, jedoch nicht frühere Erhöhungen rückgängig machen wolle. »Das ist im Grunde genommen Rot-Grün nur in schwarz«, sagte er unter dem Gelächter der rund 350 Zuhörer.

Renate Künast entwickle sich zur »Anti-Landwirtschaftsministerin«

Kanzlerkandidat Stoiber rechnete mit dem Bundeskabinett einzeln ab. So habe sich Verteidigungsminister Rudolf Scharping zum »Minister für Selbstverteidigung« entwickelt, Arbeitsminister Walter Riester hangele sich von Panne zu Panne und sei reif für die Riester-Rente, bei Finanzminister Hans Eichel sei nach der Debatte um die zu hohe Verschuldung der Lack ab, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sei inkompetent, und Verbraucherministerin Renate Künast geriere sich als »Anti-Landwirtschaftsministerin«.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Stoiber rief die Union zu größerem Siegeswillen auf. Inzwischen hielten fast 85 Prozent der Menschen in Deutschland den Ausgang der Bundestagswahl im Herbst für offen, sagte der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident in der Nibelungenhalle vor rund 7000 Zuhörern, auf deren Tischen sich Biergläser drängten. »Wir wollen, dass wir am 22. September wieder die Verantwortung übernehmen.« Schröder sei ein »Kanzler der Beliebigkeit«, der keine Vision für Deutschland habe.

»Edmund«-Rufe für den Kandidaten

Stoiber war unter begeisterten »Edmund«-Rufen der Menge in die Nibelungenhalle eingezogen. Nach Angaben der CSU mussten Tausende Anhänger abgewiesen werden, weil in der Halle alle Plätze besetzt waren. Draußen war ein Zeltdach aufgebaut, unter dem die Veranstaltung auf einen Großbildschirm übertragen wurde.

Der Aschermittwoch hat in Bayern eine lange Tradition. Die CSU nahm ihn 1953 mit ihrem früheren Vorsitzenden Franz Josef Strauß erstmals zum Anlass für einen Schlagabtausch mit dem politischen Gegner.

Stoibers Kritik »in sich verlogen«

Die SPD hat scharfe Attacken gegen den Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber in den Mittelpunkt ihres politischen Aschermittwochs in Vilshofen gestellt. Bundesinnenminister Otto Schily nannte als Hauptredner Stoibers Kritik an der Haushaltspolitik der rot-grünen Regierung »in sich verlogen«. Stoibers Wahlversprechungen summierten sich inzwischen auf 63 Milliarden Euro, kritisierte Schily. Wenn der CSU-Chef im Bund regieren würde, hätte Deutschland »schon zehn blaue Briefe bekommen«, betonte er.

Stoiber sei »ein einziger Versprecher«, sagte Schily unter großem Lachen der rund 800 SPD-Anhänger im Wolferstetter Keller weiter. Bei der kommenden Bundestagswahl gehe es um die Frage: »Welche politische Seite ist glaubwürdig und welche nicht«, fuhr der SPD-Politiker fort. Schily vertrat die Ansicht, die SPD habe von ihrer Vorgängerregierung »einen Saustall übernommen«, den die neue Regierung als Erbe wegen Überschuldung hätte ablehnen müssen.

Angesichts der Widersprüche in den Äußerungen des »Konfusionsrats Stoiber« sei die Opposition nicht regierungsfähig. Die erfolgreiche Wirtschaftspolitik in Bayern gehe zu einem gut Teil auf sozialdemokratische Kommunalpolitiker zurück, erklärte Schily. Im Bund habe die SPD ihr Ziel in der Beschäftigungspolitik zwar nicht voll erreicht, aber Deutschland komme erstmals aus einer Konjunkturkrise mit weniger Arbeitslosen, als sie es zuvor gegeben habe.

Schily: im Kampf gegen Rechtsextremisten nicht beirren lassen

Im Streit um das NPD-Verbotsverfahren räumte der Innenminister erneut Fehler ein. »Da sind einige Dinge passiert, die nicht hätten passieren sollen«, sagte er. Früher habe es Vorwürfe gegeben, der Verfassungsschutz kümmere sich zu wenig um den Rechtsextremismus, heute dürfe nicht das Gegenteil behauptet werden. Schily betonte, er werde sich in seinem Kampf gegen Rechtsextremisten von niemanden beirren lassen.

Der bayerische SPD-Chef Wolfgang Hoderlein warf Stoiber vor, er vergesse vor lauter Kanzler-Euphorie, sich um Skandale in Bayern zu kümmern, etwa um BSE, die Schreiber-Affäre oder riskante Kredite der Landesbank. »Die CSU hat in 40-jähriger Alleinherrschaft aus dem stolzen Freistaat die schwarze Amigorepublik Bayern gemacht«, sagte Hoderlein. Die SPD gehe sehr zuversichtlich in die Bundestagswahl, Kanzler Gerhard Schröder und die SPD hätten »zwar nicht den Himmel auf Erden geschaffen, aber sie haben mehr Menschen in Lohn und Brot gebracht«.

Für Lacher im vollbesetzten Saal sorgten Schily und Hoderlein vor allem, wenn sie an Stoibers missglückten Auftritt bei der ARD-Talkshow »Sabine Christiansen« erinnerten, in der er die Moderatorin als »Frau Merkel« angesprochen hatte. »Dem Mann fehlt ein Sprachheilkurs, aber gewiss nicht das Kanzleramt« sagte Hoderlein. Stoiber sei »als Frühstückstiger von Wolfratshausen gestartet und acht Tage später als abendlicher Bettvorleger bei Frau Christiansen gelandet«, fügte er unter großem Beifall hinzu..