Merkels Corona-Ansprache "Ein dringender und vermutlich letzter Appell an die Vernunft"

Angela Merkel zum Coronavirus
© bundesregierung.de / Commons
Bundeskanzlerin Angela Merkel wendet sich in einer Ansprache an die Bürgerinnen und Bürger. "Es ist ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt", betont die Kanzlerin. Die Bewältigung der Coronavirus-Epidemie sei "eine historische Aufgabe - und sie ist nur gemeinsam zu bewältigen", so Merkel.
Sie erklärt, ermutigt und zeigt Verständnis: Angela Merkel hat sich wegen der Coronakrise in einer emotionalen TV-Ansprache an die Bürger gewandt. So bewertet die Presse die Rede der Bundeskanzlerin.

Es war ein beispielloser Schritt: In ihrer ersten außerplanmäßigen Fernsehansprache an die Nation nach fast 15 Jahren als Bundeskanzlerin hat Angela Merkel alle Bürgerinnen und Bürger eindringlich zu Solidarität und Disziplin im Kampf gegen das Coronavirus aufgefordert. Es sei "existentiell", das öffentliche Leben so weit es geht herunterzufahren, sagte sie. Die Bewältigung der Coronakrise sei eine Aufgabe von historischem Ausmaß. Seit dem Zweiten Weltkrieg habe es keine Herausforderung an Deutschland mehr gegeben, bei der es derart auf "gemeinsames solidarisches Handeln" ankomme. Die Pandemie werde nicht einfach von heute auf morgen verschwinden, deshalb müssten sich die Bürger solidarisch zeigen und Verzicht und Rücksicht für Wochen akzeptieren. "Ich glaube fest daran, dass wir diese Aufgabe bestehen, wenn wirklich alle Bürgerinnen und Bürger sie als IHRE Aufgabe begreifen", sagte die Kanzlerin. (Die Rede im Wortlaut können Sie hier nachlesen).

So bewertet die deutsche Presse Merkels Ansprache:

"Schwäbische Zeitung": "Es war der besonnene Auftritt einer Frau, die Krisen kann. Der Appell der Kanzlerin an alle Einwohner der Bundesrepublik war eindringlich und eindeutig. Schnörkellos machte Angela Merkel aber auch klar, dass sie weitere Maßnahmen in der Hinterhand hält, sollte die Bevölkerung nicht den Ernst der Lage im Zuge der Corona-Pandemie verstehen. Noch versucht es die Regierungschefin mit einem Mahnruf an die Vernunft und an die Intelligenz. Sollte dieser verpuffen, wird die Bewegungsfreiheit noch deutlicher eingeschränkt, was wiederum die Volkswirtschaft noch härter treffen dürfte. Die Neunmalklugen, die einem vermeintlichen Mainstream nicht vertrauen wollen, wittern Verschwörung hier und dort. Kanzlerin Merkel hat auch hier die richtigen Worte gefunden."

"Westfalen-Blatt": "Diese Rede an die Nation hat es in sich. In einem beispiellosen Akt versucht die Bundeskanzlerin den schier unmöglichen Spagat zwischen Zuspruch und letzter Warnung, zwischen Lob und unmissverständlichem Tadel. Angela Merkel nimmt dabei das ganze Land wie jeden Einzelnen in die Pflicht: "Niemand ist verzichtbar. Es kommt auf jeden an!" Ausgangssperren gibt es nicht - noch nicht. Die Politik folgt weiter einem Stufenplan, der choreografiert scheint und doch langsam, aber sicher an sein Ende kommen könnte. So macht die Kanzlerin erst gar keinen Hehl mehr daraus, dass uns die nächsten Wochen große Opfer abverlangen werden. Was zu tun ist, sollte längst jeder wissen. Abstand voneinander halten und doch zusammenstehen. Ein Kraftakt gewiss, aber kein Vergleich zu dem, was andernfalls droht. Die Situation ist historisch, die Lage dramatisch."

"Rheinpfalz": "Spätestens seit Mittwochabend muss jeder und jedem in diesem Land klar sein, was die Stunde geschlagen hat. Schon allein die Tatsache, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel sich in einem bislang einmaligen Akt - von den Neujahrsansprachen abgesehen - per Fernsehen direkt ans Volk wendet, zeigt: Die Lage ist ernst, sehr ernst. Wenn das Robert-Koch-Institut jetzt vor bis zu zehn Millionen Corona-Erkrankten warnt, ist klar:  Es geht in den nächsten Tagen und Wochen um nichts weniger als den Fortbestand des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Systems, wie wir es kennen."

"Merkel stellt klar: Es ist ernst"

"Hessische Niedersächsische Allgemeine": "Dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, die stets besonnen und ohne viel Pathos auftritt, gestern Abend mit einer Fernsehansprache an uns Bürger wandte, ist ein klares Signal. Es ist nichts mehr normal, es gibt kein Weiter-so-wie-bisher. Die Virologie-Experten steigern täglich ihre Negativ-Einschätzungen. Es gilt, mit dem Einsatz aller Mittel katastrophale Verhältnisse wie in Italien zu verhindern, wo Ärzte in größter Not immer öfter auch Schwerstkranke zur Nichtbehandlung nach Hause schicken müssen. Es grenzt an ein Wunder, wenn nicht schon bald in ganz Deutschland eine Ausgangssperre verhängt werden muss. Deshalb: Abstand halten und zuhause bleiben."

"Südwest Presse": "Den Fehler des 2015 ausgerufenen "Wir schaffen das" auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise hat Merkel nicht wiederholt. Dieses Mal benannte sie, was ein Sieg über das Virus uns kosten wird: weitere Menschenleben, die Veränderung unseres Alltags, dramatische Verluste in der Wirtschaft: 'Es ist ernst.'"

"Rhein-Zeitung": "Angela Merkels Ansprache an die Nation ist ein dringender und vermutlich ein letzter Appell an die Vernunft. Der nächste Schritt wäre unvermeidlich eine Ausgangssperre. Merkel stellt klar: Es ist ernst. Die Bürgerinnen und Bürger sollen und müssen verstehen, dass diese Zeiten außerhalb der Normalität sind. Nichts ist, wie es war. Und so wird es eine ganze Weile auch bleiben. (..) Merkels Ansprache ist auch ein Appell an Moral, an Durchhaltewillen, an Solidarität, an Hilfsbereitschaft, an ein Zusammenstehen in der Krise. Und an die Vernunft."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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"Nürnberger Nachrichten": "'Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst': Das waren die Schlüsselsätze aus Angela Merkels Rede an die Nation. Ein vielleicht letzter, im Ton beschwörender bis flehentlicher Appell an die Vernunft der Menschen in Deutschland: Reißt Euch zusammen, auch wenn es schwerfällt - so lässt sich zusammenfassen, was die Kanzlerin anmahnt. Und so vielleicht den nächsten, den drastischsten von vielen schon sehr drastischen Schritten zu intonieren - die Ausgangssperre."

"Merkel packte rhetorisch die Bazooka aus"

"Ludwigsburger Kreiszeitung": "Angela Merkel hat in ihrer ungewöhnlichen Fernsehansprache erneut auf die Dramatik hingewiesen und alle aufgefordert, auf jeden vermeidbaren sozialen Kontakt zu verzichten. Deutschland steht unmittelbar vor der entscheidenden Phase der Krise. Nicht irgendwann. Sondern jetzt. Es wäre ein Wunder, wenn Deutschland angesichts der bisherigen Leichtfertigkeit eines Teils seiner Bevölkerung um den großen Hammer herumkäme, der in Europa schon über Italien, Frankreich, Österreich und Spanien niedergegangen ist: Ausgangssperre. Der totale Shutdown. Merkels Rede ist so etwas wie eine letzte Warnung. Jetzt ist wirklich Disziplin gefragt. Von allen."

"Rhein-Neckar-Zeitung": "Angela Merkel packte am Mittwoch zumindest rhetorisch die Bazooka aus. Denn mehr Versprechen - kein Arbeitsplatz, kein Unternehmen soll verloren gehen - ist unmöglich. Und die Mahnung an die Bürger, sich doch gefälligst an Abstands-, Anstands- und Hygiene-Regeln zu halten, überträgt die Verantwortung genau an die richtige Adresse: Etwas Verzicht über ein paar Wochen hinweg rettet Menschenleben und den eigenen Job. Ist das zuviel verlangt?"

DPA
mad