Schweres Kriegsgerät für Kiew: Nach heftigem Ringen will Deutschland die Ukraine erstmals mit schweren Waffen im Abwehrkrieg gegen Russland unterstützen und deutsche Panzer an die Front schicken. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) kündigte am Dienstag die Lieferung von Flugabwehrpanzern und die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschem Boden an.
Der Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann erhält grünes Licht für den Verkauf sogenannter Gepard-Panzer aus früheren Bundeswehr-Beständen. Es ist davon auszugehen, dass die Bundesregierung für die Panzer aufkommt. Sie können auch im Kampf gegen Bodenziele eingesetzt werden. "Der Gepard ist genau das, was die Ukraine jetzt braucht, um den Luftraum zu sichern vom Boden aus", sagte Lambrecht auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein. Dort berieten Vertreter aus rund 40 Staaten über Hilfe für die Ukraine.
"Damit lässt sich nicht die Krim zurückerobern"
So kommentieren die deutschen Zeitungen die Gepard-Lieferung an die Ukraine:
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Mit der Lieferung von Flugabwehrpanzern leistet Deutschland nun auch bei den schweren Waffen einen eigenen Beitrag zur Unterstützung der Ukraine gegen die russischen Invasoren. Zusammen mit dem geplanten Ringtausch von altem sowjetischen Gerät und der Artillerieausbildung summiert sich die deutsche Militärhilfe auf ein substanzielles Volumen, das ungefähr dem entsprechen dürfte, was andere Verbündete tun. Schon bei den leichten Waffen war Deutschland unter den bedeutenderen Lieferanten, was in der öffentlichen Debatte oft unterging. Für die so lange militärisch zurückhaltende und russlandfreundliche Zentralmacht Europas ist das eine weitere gewaltige Kurskorrektur, allerdings eine notwendige."
"Handelsblatt": "Das Zeitfenster, in dem der Westen die Entscheidung über Sieg oder Niederlage der Ukraine – und damit auch über seine eigene Sicherheit – noch maßgeblich beeinflussen kann, wird immer kleiner. (...) An der Lieferung auch westlicher moderner Waffen und einer raschen Ausbildung der ukrainischen Soldaten führt deshalb kein Weg vorbei. Es gibt bedenkenswerte Argumente dagegen, etwa die Sorge, dass der Krieg auf Nato-Staaten übergreift. Doch wer der Überzeugung ist, dass in der Ukraine auch die Freiheit des Westens verteidigt wird, darf dem Kriegsverbrecher Putin keinen leichten Sieg schenken."
Fotostrecke Flakpanzer Gepard – 6 Bilder

"Stuttgarter Nachrichten": "In der Bundeswehr haben Soldaten Monate gebraucht, um zu lernen, den Gepard einzusetzen, zu warten und zu reparieren. Offenbar haben die Vorstände des Waffenherstellers Krauss-Maffei Wegmann nicht nur einen Weg gefunden, mit ausrangierten Waffensystemen Geld in die eigene Kasse zu spülen. Sondern auch, in kürzester Zeit Soldaten mit komplexen Waffensystemen kriegstüchtig zu machen. Ob das so ist, wird sich zeigen. Dann sieht man auch, ob Deutschland der Ukraine so hilft, sich zu verteidigen – oder nur Kanonenfutter liefert. Scheitert das Projekt Gepard, müssen sich Regierung und Rüstungsfirmen vorwerfen lassen, leichtfertig den Tod schnell ausgebildeter ukrainischer Soldaten in Kauf genommen zu haben."
"Mitteldeutsche Zeitung": "Es ist auch nicht so, dass Deutschland nicht helfen würde. Es gibt Waffenlieferungen, Milliardenzahlungen, zehntausende Flüchtlinge werden aufgenommen und Wirtschaftssanktionen auch zum Schaden der eigenen Gesellschaft verhängt. Das mag den Ukrainern nicht reichen, ist aber eine Menge. Deutschland hält bislang im Dilemma die Balance und hilft, ohne eine Ausweitung des Krieges zu riskieren. Die Lieferung von alten Gepard-Flugabwehrpanzern passt noch so gerade eben dazu. Es sind zwar Panzer, aber keine Offensivwaffen. Damit lässt sich nicht die Krim zurückerobern oder russisches Territorium angreifen, es ist weitere Hilfe zur Selbstverteidigung. Wenn Deutschland aber Leopard-Panzer, Kampfhubschrauber oder Kampfjets liefert, nimmt es in Kauf, durch die russische Reaktion zur direkten Kriegspartei zu werden."

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"Südwest-Presse": "Jetzt soll es also der Gepard richten: ein Flugabwehrpanzer, der seit gut einer Dekade bei der Bundeswehr ausgemustert ist und den man offenbar nicht ohne intensives Training bedienen kann. Bis zu sechs Wochen dauert es angeblich, um die Geparden einsatzfähig zu machen. Auf den stillgelegten Gepard als Hilfe für die Ukraine ist die Koalition gekommen, weil die Bundeswehr angeblich auf kein weiteres betriebsbereites Kriegsgerät verzichten kann, ohne die Landesverteidigung zu gefährden. Doch die Ostflanke der Nato ist dann am besten gesichert, wenn sich die Ukraine im Kampf gegen Putins Truppen gut schlägt. Ob das mit den nun in Aussicht gestellten Geparden gelingt, ist fraglich."
"OM-Mediengruppe": "Einstweilen dürfte der Bundesregierung mit der Ankündigung, Flugabwehrpanzer zu liefern, gelingen, etwas Luft aus dem politischen Druckkessel zu lassen, in dem in dieser Woche die Frage der Waffenlieferungen gekocht wird. Die Union hatte die Ampel zuletzt mit ihrem eigenen Antrag auf Lieferung schwerer Waffen vor sich hergetrieben; auch im Lager der Regierung nimmt die Unruhe zu. Experten schauen überrascht auf die Ankündigung Berlins: Der Gepard müsse wieder aufbereitet werden, sei in der Bedienung sehr kompliziert – und mit der Verfügbarkeit von tauglicher Munition sehe es auch nicht besonders rosig aus, heißt es. Vielleicht ist die Entscheidung vom Dienstag nicht mehr als ein politisches Placebo, wie es stellenweise heißt. Denn: Auch nach der Ankündigung einer 'Zeitenwende' Ende Februar tun sich Teile von Rot-Grün-Gelb weiter schwer, anzuerkennen, dass gegen den Imperialismus Moskaus nur Heldenmut und Waffen helfen."
"Schwäbische Zeitung": "Zum Schluss dürfte der Druck auf Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu groß geworden sein, so dass er eine Kehrtwende vollzog und die Lieferung der Gepard-Panzer erlaubte: Im Bündnis muss Deutschland substanzielle Unterstützung präsentieren. Gleichzeitig konnte Scholz die Skeptiker in der eigenen Partei überzeugen: Gepard-Panzer können als Defensiv-Waffen eingeordnet werden. Mit der Lieferung sendet die Bundesregierung politisch zwei Signale. Sie muss auf die Zeit nach dem Krieg schauen und fragen. Wie glaubwürdig wird Deutschland als europäische Mittelmacht künftig sein, wenn heute es heute nicht solidarisch ist? Daher setzt sie kleine Zeichen der Solidarität, um gefährdete Glaubwürdigkeit zu retten. Das zweite Signal: Der Eindruck entstand, dass eine verängstigte Nation weniger ihren Werten verpflichtet zu sein schien als der Furcht vor Despoten wie Wladimir Putin. Mit der Gepard-Lieferung, die der Einstieg in ein Paket schwerer Waffen sein dürfte, könnte sich dieser Eindruck korrigieren."
"Ludwigsburger Kreiszeitung": "Noch am Wochenende antwortete der Kanzler auf die Frage nach Waffenlieferungen mit dem Hinweis auf die Gefahr eines Dritten Weltkrieges, doch am Montag beschloss die Regierung die Gepard-Lieferung. Es war neben der Einladung nach Ramstein auch ein Oppositionsantrag zur Waffenlieferung dazugekommen, bei dem die Koalition nicht länger als die Getriebene dastehen wollte. Druck wirkt. Wenn er sowohl von den Partnern im Äußeren als auch aus den eigenen Reihen kommt, offenbar besonders deutlich."
"Südkurier": "Nun also doch. Nach langem Zögern gibt die Bundesregierung ihren Widerstand auf und schickt Panzer, Haubitzen und andere schwere Waffen auf direktem Weg ins Kriegsgebiet. Zu groß war am Ende der Druck auf den Kanzler: Die Hilferufe aus der Ukraine werden lauter, unter den Verbündeten wachsen die Zweifel an der deutschen Entschlossenheit, die Union droht mit einem eigenen Antrag im Bundestag. Dennoch sehen viele Bundesbürger mit Sorge, dass sich Deutschland Schritt für Schritt in den Krieg verstrickt. Es ist Scholz nicht vorzuwerfen, dass er die Befürchtungen ernst nimmt. Sie dürfen jedoch nicht zu einer außenpolitischen Lähmung führen, weil diese am Ende nur Putin nützt. Die jüngsten Atomdrohungen des russischen Außenministers zeigen, wie gezielt die Führung in Moskau mit diesen Ängsten spielt. Es ist ein durchsichtiger Versuch, den Westen einzuschüchtern, um das sich abzeichnende Scheitern des Angriffskriegs abzuwenden. Auch die Bundesregierung lässt sich damit nicht mehr erpressen."