Reform der Sicherungsverwahrung Bund und Länder können sich nicht einigen

Ungeachtet des anhaltenden Streits um die Sicherungsverwahrung sieht das Bundesjustizministerium den Zeitplan für die anstehende Reform nicht in Gefahr. Doch Bund und Länder sind von einer Einigung weit entfernt.

Offener Streit über die Sicherungsverwahrung: Nach einem Treffen von Bund und Ländern am Dienstag in Berlin rief Justiz-Staatssekretär Max Stadler (FDP) die Bundesländer auf, nicht die Freilassung gefährlicher Straftäter zu riskieren. Die Länder ihrerseits warfen dem Bundesministerium vor, kein Gesamtkonzept zu haben.

Der Streit dreht sich um die Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom Mai 2011. Nachdem schon der Europäische Gerichtshof (EGMR) die deutsche Praxis gerügt hatte, forderte Karlsruhe eine Neuregelung bis 2013 und bemängelte insbesondere die Ähnlichkeit von Haftstrafe und Sicherungsverwahrung. Zudem forderten die Richter eine besseres Therapieangebot.

Die Vorsitzende der Justizministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Ressortchefin Angela Kolb (SPD), übte massive Kritik an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und beklagte das Fehlen eines Konzepts. "Spätestens heute hätte das auf den Tisch gemusst. Unsere Zeitpläne platzen. Es ist unverantwortlich, dass der Bund auf Kosten der Sicherheit der Bevölkerung so viel Zeit verstreichen lässt."

Stadler sagte dagegen: "Der Schutz der Bevölkerung bleibt nur gewährleistet, wenn Bund und Länder die Entscheidung der Verfassungsrichter ohne Wenn und Aber umsetzen." Wer hinter dem Spruch der Karlsruher Richter zurückbleibe, riskiere eine Freilassung aller Sicherungsverwahrten. "Das wäre unverantwortlich." Nun ist ungewiss, ob bis zur Justizministerkonferenz am 22. September eine Verständigung erreicht werden kann.

Die bisherigen Vorschläge aus Berlin seien "eine geeignete Diskussionsgrundlage", bedürften aber noch deutlicher Änderungen, betonte das baden-württembergische Justizministerium. Leutheusser- Schnarrenberger hatte im Juli Eckpunkte für eine Reform vorgelegt, die von mehreren Bundesländern kritisiert worden waren. Auch aus Union und SPD war ihr vorgeworfen worden, mit einer möglichen Freilassung gefährlicher Straftäter die Sicherheit von Frauen und Kindern aufs Spiel zu setzen.

Das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen betonte am Dienstag vor allem die Notwendigkeit, bei Entlassungen die Sicherheitsbelange der Bevölkerung zu schützen. Minister Thomas Kutschaty (SPD) sagte in Düsseldorf, sein Ressort habe einen Vorschlag erarbeitet, wonach hochgefährliche und psychisch gestörte Gewalt- oder Sexualstraftäter auch nach einer Entlassung wieder geschlossen untergebracht werden können.

Der Linkspartei-Bundestagabgeordnete Wolfgang Neskovic forderte eine Fachkommission zur Reform der Sicherungsverwahrung. "Die reflexhafte Kritik" einiger Justizminister an den Eckpunkten der Bundesministerin zeige, dass die Politik nichts aus dem Urteil des Verfassungsgerichts gelernt habe, sagte er nach Angaben seiner Fraktion.

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DPA/AFP