Der Bundestag startete in seine letzte Sitzungswoche des Jahres. Zum Auftakt stellte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in einer Regierungsbefragung den Fragen der Abgeordneten. Bereits zum dritten Mal dieses Jahr stand sie den Parlamentariern Rede und Antwort. Im Mittelpunkt: die Coronapolitik der Bundesregierung.
Merkel begann mit einigen Sätzen zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die dieses Jahr endet. Man habe das Programm nicht so durchführen können wie geplant, so Merkel. Man habe sich aber unter anderem auf finanzielle Hilfen nach der Corona-Pandemie einigen können. "Die Europäische Union hat gezeigt, dass sie handlungsfähig ist", sagte die Kanzlerin auch mit Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeitsdebatten bezüglich Ungarn und Polen. Auch der Beschluss, den CO2-Ausstoß in der EU zu verringern, sei ein wichtiger Punkt gewesen. Beim Thema Brexit gab es "Fortschritte, aber keinen Durchbruch". Im kommenden Jahr geht die Ratspräsidentschaft an Portugal.
AfD fragt zu Russlandpolitik, Merkel für Lieferkettengesetz
Timo Chrupalla (AfD) stellte Merkel die erste Frage. Dabei ging es nicht um die Coronapolitik, sondern um die deutsch-russische Beziehung. Es bedürfe keines "Neustarts" der Beziehungen, so Merkel. Bei Nord Stream 2, der Pipeline in der Ostsee, die Erdgas aus Russland nach Deutschland transportieren soll, sei die Position der Bundesregierung unverändert. Man habe eine "sehr kontinuierliche Russlandpolitik".
Auf eine SPD-Frage zum Lieferkettengesetz antwortete Merkel, dass sie für dieses Gesetz sei. Die Union stehe zu den diesbezüglichen Vereinbarungen im Koalitionsvertrag – lehne aber darüber hinaus gehende Forderungen ab. "Ich erkundige mich fast täglich nach dem Stand der Gespräche." Unternehmen sollen den Gesetzesplänen zufolge künftig verpflichtend dafür sorgen, dass Menschenrechte und ökologische Mindeststandards eingehalten werden – weltweit, also entlang der gesamten Lieferkette.

Erst die dritte Frage in Richtung der Kanzlerin drehte sich um das Thema Corona, genauer gesagt die kostenlosen FFP-2-Masken für Risikogruppen. Auf die Frage, ob es nicht besser wäre, diese zu verschicken, statt in Apotheken zu verteilen, antwortete Merkel, dass dies ab Januar in einem zweiten Schritt geschehen werde.
Merkel: "Wollen keine Vermögensabgabe"
"Wer soll die Pandemie-Rechnung bezahlen?", war die Frage der Linken-Politikerin Gesine Lötzsch. "Die Kernaufgabe heißt: Wie schaffen wir Wachstum? Denn über Wachstum können wir auch Mehreinnahmen generieren. Das wird die Strategie sein", so Merkel. Man habe aber keine Einschnitte bei sozialen Leistungen geplant. Allerdings sei auch keine Vermögensabgabe von Spitzenverdienern und Wohlhabenden zur Finanzierung der Pandemie-Kosten in Planung. "Wir wollen keine Vermögensabgabe."
Zu den finanziellen Hilfen für vom Lockdown betroffenen Unternehmen sagte Merkel, dass ab Januar die Überbrückungshilfe III für alle gelte. Wer im Dezember einen Umsatzeinbruch von mehr als 40 Prozent habe, habe auch nach dieser Überbrückungshilfe Anspruch auf die November- und Dezember-Hilfe.
Die Bundesregierung prüft, wie auch jetzt geschlossene Brauerei-Gasthöfe in den Genuss von Corona-Hilfen kommen können. "Wir suchen Möglichkeiten, wie hier auch Gerechtigkeit und An-die-Situation-Angepasstheit realisiert werden kann bei den November- und Dezemberhilfen", sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in der Regierungsbefragung im Bundestag. Wirtschaftsminister Peter Altmaier wolle sich dies nochmals anschauen. "Wir haben ein hohes Interesse daran, dass traditionsreiche Unternehmen diese Brücken genauso bekommen wie Unternehmen, die noch nicht so lange existieren." Der AfD-Abgeordnete Martin Sichert hatte zuvor kritisiert, dass Großkonzerne wie McDonald's oder Starbucks, die in Deutschland kaum Steuern zahlten, von den Hilfen massiv profitierten. Dagegen gingen mittelständische, familienbetriebene, Steuern zahlende Mischbetriebe wie Brauerei-Gaststätten leer aus.
Merkel kritisiert jahrelange Diskriminierung von Homosexuellen
Der AfD-Abgeordnete Uwe Witt stellte eine Frage zu Impfstoffen und die Aufklärung der Bevölkerung zu den Impfstoffen. Man habe bei sechs Herstellern Impfstoffe gebucht, davon seien drei mRNA-Impfstoffe, so Merkel. Das Tragen von Masken sei aber nach wie vor notwendig, da noch nicht abschließend geklärt sei, wie sich das Virus trotz Impfung weiter ausbreitet. Erst bei einer ausreichenden Immunisierung der Menschen könnten Masken bald der Vergangenheit angehören. Merkel betonte erneut, dass es keine Impfpflicht geben werde.
Bei den geplanten Corona-Impfungen in Deutschland sind nach Angaben von Kanzlerin Angela Merkel Nachsteuerungen etwa je nach Zulauf der verschiedenen Impfstoffe möglich. Das Vorgehen hänge auch davon ab, was die Zulassungsbehörden zur Eignung der Impfstoffe für welche Gruppe feststellten, sagte Merkel. "Deshalb kann man eine Impfstrategie auch nicht einfach einmal als Gesetz festlegen." Vielmehr müsse immer wieder geschaut werden. Beispielsweise für Kinder lägen auch noch keine Daten vor.
Merkel hat außerdem die jahrzehntelange Diskriminierung von Lesben und Schwulen in der Bundesrepublik kritisiert. Einen Anlass für eine Grundgesetzänderung zum ausdrücklichen Verbot von Diskriminierungen wegen der sexuellen Orientierung sehe sie derzeit aber nicht, sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag. "Ich glaube in der Tat, dass der Umgang mit Lesben und Schwulen über viele Jahre dem Artikel 1 des Grundgesetzes zum Schutz der Würde jedes Menschen nicht entsprochen hat", sagte Merkel.
Zudem zeigte sich die Kanzlerin aufgeschlossen zu einem Vorstoß aus der Linksfraktion für staatliche Zuschüsse zu freiwilligen Beitragszahlungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an die gesetzliche Rentenversicherung gezeigt. "Das Modell würde mich interessieren, damit werde ich mich beschäftigen", sagte Merkel am Mittwoch in der Regierungsbefragung im Bundestag. Der Linken-Abgeordnete Matthias Birkwald hatte sie zu ihrer Haltung zu dem Vorschlag befragt.