Die Halbwertszeit von Laurenz Meyers Offenlegung war kurz. Noch am Montag hatte das CDU-Präsidium nach den Worten von Parteichefin Angela Merkel seine Darstellung der RWE- Vergünstigungen "gemeinhin akzeptiert". Wenige Tage später kamen neue, elektrisierende Details über Gehälter und Nebeneinkünfte des CDU-Generalsekretärs heraus: RWE hatte an ihn nicht nur verbilligte Energie, sondern auch Gehalt und Tantiemen in zuvor unbekannter Höhe strömen lassen.
Seit Tagen folgen Meyers Äußerungen der Salamitaktik. Am Montag gab er nach Aussage Merkels Auskunft über zuvor bekannt gewordene verbilligte Stromlieferungen des RWE-Konzerns. Drei Tage später berichteten zwei Zeitungen, Meyer habe auch als Generalsekretär weiter RWE-Gehalt bezogen. Nach April 2001, also fünf Monate nach seinem Amtsantritt als Generalsekretär, habe er "keine RWE- Gehaltszahlung" mehr erhalten, sagte Meyer zuerst. Am Tag darauf gab er die Höhe der Zahlungen mit rund 60.000 Euro an.
Stundenlanges Schweigen
In einem Berliner Weinlokal beriet die CDU-Führung das weitere Vorgehen. Einen Bericht der "Bild am Sonntag", Merkel habe Meyer am Donnerstag "unter Aufsicht" von Fraktionsvize Ronald Pofalla (CDU) gestellt, wies eine Sprecherin am Sonntagnachmittag nach stundenlangem Schweigen der CDU-Spitze freilich zurück.
Zuvor hatte es neue Vorwürfe gegeben: Zwischen Juni 2000 und April 2001 kassierte Meyer von dem Energiekonzern nach Angaben des "Spiegel" Geld in Höhe eines weiteren Jahresgehalts, also mindestens 130 000 Mark. Unklar ist, wie viel er davon nach seinem Amtsantritt in Berlin und wie viel er als Vizepräsident des Düsseldorfer Landtags zuvor bekam. Die internen Ermittlungen von RWE, bei denen die Zahlung herausgekommen sei, seien noch nicht abgeschlossen.
Meyers "Leitkultur"
Die Nervosität fünf Monate vor der auch bundespolitisch bedeutenden Landtagswahl in Meyers Stammland NRW wächst. Nach Monate langem Gesundheitsstreit mit der CSU ist in der CDU jetzt eigentlich "Durchstarten" angesagt - wie Meyer selbst es zum Bundesparteitag in Düsseldorf Anfang Dezember forderte. Vor den Delegierten drückte er in der Migrationsdebatte sogleich rhetorisch aufs Gaspedal: "Wer unsere Wertordnung - unsere freiheitliche demokratische Leitkultur - ablehnt oder sie gar verhöhnt und bekämpft, für den ist in unserem Land kein Platz."
Zwei Wochen später zeigte sich Meyer beim Landesparteitag in Hamm, der mit Jürgen Rüttgers' Wahl zum Spitzenkandidaten Schwung in den NRW-Wahlkampf bringen sollte, dagegen wortkarg. Er habe "alles erklärt, was zu erklären ist". An seinem Platz tippte Meyer mehrfach Kurzmitteilungen in sein Handy. Der Adressat blieb unbekannt.
SPD und Grüne sind sich einig, dass das Problem Meyer zu einem Problem Merkel zu werden droht. "Frau Merkel, schaffen Sie endlich Klarheit!", forderte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter. Die CDU-Chefin "muss jetzt eine Entscheidung treffen", verlangte Grünen- Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke.

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Deutlich macht die Affäre Meyer, dass auch die vor zwei Jahren verschärften Regeln für die Veröffentlichungspflicht von Abgeordneten große Dunkelfelder im Dickicht zwischen Wirtschaft und Politik lassen. Für Meyer sind im Handbuch des Bundestags folgende Posten ausgewiesen: Aufsichtsratsmitglied der Dachdecker Einkauf West eG (Hamm), Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verwertung von Grundbesitz der Erben Christian Nölle mbH (Hamm) und Beiratsmitglied der Investitionsbank NRW (Düsseldorf). Über RWE schweigt sich die Liste aus.