Grünen-Chefin Claudia Roth hat die SPD zur Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen aufgefordert. "Die SPD muss sich aus ihrer Schockstarre über die Verweigerung von Linkspartei und FDP lösen und für den versprochenen Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen sorgen", sagte Roth der "Berliner Zeitung" vom Montag. Andernfalls bliebe die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat bestehen.
Die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Hannelore Kraft mahnte in einem Interview mit der WAZ-Gruppe angesichts der bereits zuvor geäußerten Forderungen der Grünen, ein Regierungsbündnis zu prüfen, zur Gelassenheit. "Warten wir doch erst einmal die weitere Entwicklung in Berlin und Düsseldorf ab", sagte sie dem Internetportal und den Zeitungen der WAZ-Gruppe (Montagsausgaben). Es gehe der SPD zudem "nicht um Ministersessel und Dienstwagen, sondern um eine bessere Politik für das Land".
Kraft wehrte sich zudem gegen Vorwürfe seitens Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Eine Bundeskanzlerin, die eine solche Chaos-Koalition anführt, sollte sich zurückhalten mit Ratschlägen für Nordrhein-Westfalen und Hinweisen, was verantwortliche Politik ausmacht", sagte Kraft. Merkel hatte ihr nach der Absage der nordrhein-westfälischen SPD an eine große Koalition am Sonntag "Verantwortungslosigkeit" vorgeworfen und die Partei zur Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgefordert.
Im WDR kündigte Kraft am Sonntagabend an, die SPD werde bei der nächsten Landtagssitzung bereits erste Gesetzentwürfe einbringen. Als Beispiel nannte sie die Abschaffung der Studiengebühren. Kraft hatte nach den gescheiterten Sondierungsgesprächen mit allen Seiten angekündigt, den Politikwechsel nun "aus dem Parlament heraus" zu betreiben.
SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel hält sich die Bildung einer Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen offen. Den Anlass für einen solchen Kurswechsel könnten bevorstehende Abstimmungen in der Länderkammer über das Sparpaket der schwarz-gelben Bundesregierung, über längere Laufzeiten für Atomkraftwerke oder über die Gesundheitsreform bieten. "Wenn diese Entscheidungen im Bundesrat anstehen, wird man in NRW neu über eine Regierungsbildung reden müssen", sagte Gabriel dem "Tagesspiegel" (Montagausgabe) in einem vorab im Internet veröffentlichten Interview.
Es sei eines der wesentlichen Wahlversprechen seiner Partei gewesen, die "falsche Politik der Bundesregierung" zu stoppen, sagte der SPD-Vorsitzende. "Diese Entscheidung steht aber in den nächsten Wochen nicht an. Wenn es soweit ist, wird die NRW-SPD sicher alles tun, um derartig katastrophale Fehlentscheidungen im Bundesrat zu verhindern", erläuterte er. "Dann müsste man sicher über eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen reden, die ja zusammen deutlich mehr Stimmen im Landtag haben als CDU und FDP."