Mit Gezänk und einer "Gespensterdebatte" ist die schwarz-gelbe Koalition ins neue Jahr gestartet. Die CSU warnte die FDP vor übereilten Versprechen milliardenschwerer Steuersenkungen. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich warf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mangelnde Führungsstärke vor und sorgte damit für Zwist in der Union. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle ging nach wachsender Kritik aus der Union und den eigenen Reihen zum Angriff über.
Zur kurzlebigen "Gespensterdebatte" wurde ein Vorstoß aus der CSU mit dem Ziel, einen Vizekanzler-Posten für Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg herauszuholen. Der Koalitionsstreit über den Steuerkurs und das Erscheinungsbild von Schwarz-Gelb wurde vor dem Dreikönigstreffen der FDP am Mittwoch und der Klausur der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth noch heftiger.
Streit um Steuersenkung schwelt weiter
CSU-Chef Horst Seehofer warnte die FDP vor der Zusage von 24 Milliarden Euro Steuererleichterung pro Jahr ab 2011. "Wir können den Umfang weiterer Steuersenkungen nicht völlig losgelöst von der künftigen Entwicklung der Steuereinnahmen und von der Wirtschaftsentwicklung festlegen", sagte er der "Bild am Sonntag". "Deshalb kann über den Umfang der Steuererleichterungen ab 2011 erst im Sommer auf der Grundlage der aktuellen Steuerschätzung entschieden werden." Die Steuerreform solle in einem Paket verabschiedet werden.
Westerwelle forderte eine "geistig-politische Wende" und beharrte auf zügigen Steuersenkungen. "Wir werden ruhig und unbeirrt an mehr Steuergerechtigkeit arbeiten", sagte der Vizekanzler dem Magazin "Focus" vor dem Dreikönigstreffen seiner Partei. "Jetzt regiert die FDP mit, jetzt wird auch an die Mittelschicht gedacht und an den Mittelstand." Er wies die Kritik am Erscheinungsbild der Koalition zurück. "Ich akzeptiere nicht, wenn schwarz-gelbe Erfolge zerredet werden." FDP-Vize Andreas Pinkwart warnte die Bundesregierung in der "Bild am Sonntag" davor, Glaubwürdigkeit zu verspielen.
CSU fordert von Merkel Führungsstärke
CSU-Landesgruppenchef Friedrich forderte von Kanzlerin Merkel mehr Entschlossenheit. "In der schwarz-gelben Koalition muss sie entschlossener Linie und Kurs vorgeben", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Sie muss an zentralen Stellen klar machen, was sie möchte." CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wies diese Kritik umgehend zurück: Man wolle "als Union gut ins neue Jahr starten", sagte er dem "Tagesspiegel". "Überflüssige Gespensterdebatten um Regierungsposten und abwegige Kritik an unserer Bundeskanzlerin sind da nicht gerade hilfreich."
CDU-Vize Annette Schavan kritisierte die CSU. "Das alljährliche Tam-Tam aus Bayern hat die CSU noch nie stärker gemacht", sagte die Bildungsministerin der "Rheinischen Post". Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) sprach von der "üblichen bayerischen Kraftmeierei vor Kreuth".
Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) rief die Union zu mehr Disziplin auf. "Besser für den Zuhörer ist es, wenn man die gleiche Melodie singt", sagte er dem "Tagesspiegel". Die Koalition habe sich gemeinsam für eine große Steuerreform entschieden, die 2011 in Kraft trete. Der Geschäftsführer der Bundestags-Grünen, Volker Beck, sprach von der Koalition als einem "Hühnerhaufen".
Richtungsstreit bei den Liberalen
Die CSU versuchte am Wochenende, die Vizekanzler-Debatte schnell zu stoppen. "Die neue Regierung ist noch keine drei Monate im Amt. Schon deswegen ist das eine Gespensterdiskussion", sagte Seehofer der "Bild am Sonntag". "Die Bürger erwarten von uns jetzt keine Diskussion über Posten, sondern dass wir unsere Arbeit machen." Die CSU-Politiker Hans-Peter Uhl, Norbert Geis und Christa Matschl hatten sich sich zuvor in der "Bild"-Zeitung für einen Vizekanzler ihrer Partei starkgemacht. Sie bezeichneten Guttenberg als geeignete Wahl. Traditionell gibt es in Koalitionsregierungen nur einen Vizekanzler.

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In der FDP brach ein Richtungsstreit aus. Bayerns FDP-Vize Martin Zeil verlangte, die Konsolidierung des Haushalts müsse eine größere Rolle spielen. Hessens FDP-Vorsitzender Jörg-Uwe Hahn kritisierte das Erscheinungsbild seiner Partei in Finanzfragen. Es sei nötig, "zwei, drei Persönlichkeiten zu platzieren, damit uns wieder Kompetenz abgenommen wird", sagte er dem "Spiegel". Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow sagte, die FDP müsse jetzt beweisen, "dass wir nicht nur Opposition, sondern auch Regierung können".