Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat der neuen grün-roten Landesregierung Baden-Württembergs mit Schadensersatzforderungen gedroht, wenn diese den Bau des umstrittenen Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 (S21) verschleppt. Im Gespräch mit der "Financial Times Deutschland" (FTD) warnte Ramsauer am Dienstag den neuen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) und dessen Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD).
"Mit der Geduld ist es vorbei", sagte er. Kretschmann und Schmid hätten "eine klare Ansage" von Bahn-Chef Rüdiger Grube bekommen. "Jetzt muss wieder gearbeitet werden. Für den Fall, dass das Land sich seinen vertraglichen Verpflichtungen entzieht, muss es für den Vertragsschaden in voller Höhe haften. Das wird offensichtlich der neuen Landesregierung erst Stück für Stück klar."
Als Vertreter des Eigentümers der Bahn habe er auch die Interessen des Steuerzahlers zu vertreten. "Deshalb sage ich unmissverständlich: Hier darf kein Schaden eintreten."
Ramsauer: Bahnkunden müssen sich auf Behinderungen einstellen
Ramsauer wies auch den Eindruck zurück, die Führung der Deutschen Bahn (DB) zweifele mittlerweile selbst an der Umsetzbarkeit von S21 innerhalb des Kostenrahmens. "Aufsichtsrat und Vorstand der DB schwanken ganz und gar nicht", sagte er. Demnächst tage der Lenkungsausschuss für S21. "Und da wird die Führung der DB klipp und klar sagen, dass anstehende Aufträge bald vergeben werden müssen. Jeder weitere Verzug im Bau führt zu Vermögensschäden, die vom Land auszugleichen sind.
Unabhängig von S21 bereitete Ramsauer die Bahnkunden in ganz Deutschland auf jahrelange Behinderungen vor, weil das gesamte Netz ausgebessert werden müsse. Ab Sommer werde es eine zunehmende Zahl von Baustellen geben. Ein Beispiel sei die Strecke Hannover-Berlin. Bevor es dauerhaft besser werde, werde es vorübergehend schlechter
Unter anderem durch die Dividendenzahlungen der DB an den Bund, die zum Teil wieder in die Schiene flössen, könnten 2012 bis 2014 zusätzlich eine Milliarde Euro verbaut werden. Die Regierung und die DB hätten acht Projekte benannt, für die aus dieser einen Milliarde Euro Finanzierungsvereinbarungen abgeschlossen werden könnten. Vor wenigen Tagen hätten sie die Finanzierung für die Strecke Oldenburg-Wilhelmshaven zur Anbindung des Jade Weser Port unterzeichnet.
"Fernbusse stehen nicht in Konkurrenz zur Bahn"
Ramsauer wies auch Drohungen der DB zurück, dass die von ihm durchgesetzte Liberalisierung des Fernbusverkehrs zu einer Ausdünnung des Fernverkehrs auf der Schiene führen werde: "Dass Städte wie Erfurt oder Flensburg vom Fernverkehr abgehängt werden, befürchte ich nicht. Die Drohung geht ins Leere, da unsere Fernbusse nicht in Konkurrenz zur Bahn stehen.
Es gehe nicht darum, der Schiene Kunden abzujagen. Es gehe darum, Autoverkehr zu bündeln. "Bevor 25 Pärchen in eigenen Autos von München nach Berlin fahren, ist es billiger, sicherer und umweltfreundlicher, wenn sie zu 50 im Fernbus sitzen." IC und EC würden keine Masse an Kunden verlieren.
Großes Thema Elektromobilität
Auch beim Thema Elektromobilität griff Ramsauer die neue, autokritische Landesregierung in Stuttgart an. "Wenn ein Land mir gegenüber erklären würde, es will zu einer praktisch autofreien Zone werden, würde ich das als Verzicht interpretieren und mich anderen Regionen Deutschlands zuwenden", sagte der Minister. Noch in diesem Jahr werde es ein offenes Bewerbungsverfahren für die sogenannten Schaufenster geben. In diesen soll E-Mobilität in großem Maßstab ihre Praxistauglichkeit beweisen. Eines der maßgeblichen Kriterien werde ein belastbares - auch finanzielles - Engagement der Beteiligten vor Ort sein. Es geht dabei um einen angemessenen Mittel- und Fahrzeugeinsatz der Industrie und um die Bereitschaft der Kommunen, neue Rahmenbedingungen zu schaffen.
Ramsauer unterstrich die Bedeutung der deutsch-chinesischen Plattform für E-Mobilität. Er habe keine Angst vor Technologiediebstahl. "Die Tatsache, dass die Chinesen so ein brennendes Interesse daran haben, was wir machen, zeigt doch, dass wir gut sind."
Ramsauer räumte ein, dass die bisherigen Anstrengungen für einen europaweit oder international einheitlichen Stecker für E-Autos bisher erfolglos waren. Die Abstimmung mit Frankreich habe nicht geklappt. Dabei sei der deutsche Stecker der beste.