Wenn Norbert Röttgen im NRW-Wahlkampf eine Frage nicht mehr hören kann, dann ist es die nach seinem Verbleib in Düsseldorf bei einer CDU-Niederlage. Die Menschen seien "mehr an der Zukunft ihrer Kinder interessiert als an der Zukunft von Politikern", entgegnet der CDU-Spitzenkandidat und Bundesumweltminister seit Wochen allen, die ihm seine fehlende Festlegung auf einen Wechsel nach NRW auch als Oppositionschef vorhalten. So darf bis zur NRW-Wahl am Sonntag weiter spekuliert werden, ob Röttgen im Fall des Falles von seiner Rückfahrkarte nach Berlin Gebrauch macht.
Kurz vor der Landtagswahl geben die Demoskopen Röttgen wenig Chancen, beim vorgezogenen Urnengang im bevölkerungsreichsten Bundesland Hannelore Kraft (SPD) im Ministerpräsidentenamt abzulösen. Denn seit Mitte März, als Krafts rot-grüne Minderheitsregierung scheiterte, liegt die CDU in Umfragen hinter der SPD - zuletzt um immerhin sechs bis sieben Prozentpunkte. Auch Röttgens persönliche Sympathiewerte bleiben deutlich hinter denen der Landesmutter zurück.
Der in Meckenheim bei Bonn geborene Jurist ist eben nicht unbedingt ein Politiker zum Anfassen. Die Stärke des 46-Jährigen, der in Berlin "Muttis Klügster" genannt wird, liegt eher in der intellektuellen Debatte als im Straßenwahlkampf. Auf CDU-Wahlplakaten wirbt der verheiratete Vater von drei Kindern mit dem Slogan "Politik aus den Augen unserer Kinder". Seine Kontrahentin Kraft bedenkt Röttgen mit dem wenig schmeichelhaften Titel "Schuldenkönigin".
Möglicher Kronprinz in Berlin
"Verantwortung statt Verschuldung" lautet denn auch die Aufschrift eines weiteren Plakats, mit dem der Katholik um neues Vertrauen für seine Partei wirbt - zwei Jahre, nachdem Jürgen Rüttgers als CDU-Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen abgewählt wurde. Nach der damaligen CDU-Pleite hatte Röttgen gezielt nach der Macht im größten CDU-Landesverband gegriffen. In einer Mitgliederbefragung um den Vorsitz der Landes-CDU setzte sich Röttgen im November 2010 mit 54,8 Prozent gegen den früheren NRW-Integrationsminister Armin Laschet durch.
Ebenfalls im November 2010 wurde Röttgen zum stellvertretenden Vorsitzenden der Bundes-CDU gewählt. Damit rückte der Jurist in der Reihe der möglichen Kronprinzen von CDU-Kanzlerin Angela Merkel weit nach vorne. Landespolitische Ambitionen wurde Röttgen damals nicht nachgesagt - denn noch in seiner Zeit als Vorsitzender der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen in den 90er Jahren war Röttgen in die Bundespolitik gewechselt. Bereits seit 1994 sitzt er im Bundestag, als Mitglied der "Pizza Connection" knüpfte Röttgen in der Folgezeit Kontakte zu den Grünen - als einer der ersten CDU-Politiker.
Dass es allerdings vor diesem Hintergrund nach der bevorstehenden NRW-Wahl ein schwarz-grünes Bündnis geben könnte, glaubt in Düsseldorf niemand - zumal die Grünen solchen Spekulationen frühzeitig eine klare Absage erteilten. Auch Röttgen ließ zuletzt kein gutes Haar an den Landes-Grünen. Diese hingen sich "ideenlos an den Rockzipfel von Frau Kraft", sagte er in einem Zeitungsinterview.
"Ich will Ministerpräsident werden"
Freilich will sich Röttgen, der vor seinem Amtsantritt als Bundesumweltminister 2009 vier Jahre lang Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag war, vor dem NRW-Wahltermin grundsätzlich keine Koalitionsmöglichkeiten verbauen. So kommentierte er jüngst auch Mutmaßungen nicht, wonach eine große Koalition in Düsseldorf heraufziehen könnte - falls nämlich Rot-Grün wegen guter Wahlergebnisse von Piraten und FDP keine eigene Mehrheit erzielen sollte.
Im Fall einer SPD/CDU-Koalition freilich dürfte feststehen, dass Röttgen seinen Berliner Ministersessel nicht gegen ein Ministeramt in einer von Kraft geführten Landesregierung tauschen würde. "Ich will Ministerpräsident werden", bekräftigte Röttgen jüngst in einem Interview, "und die CDU wieder in die Regierung führen".