Der Kapitalismus war schön, ist aber am Ende. Das sagt die "taz"-Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann. Noch während die UN-Klimakonferenz in Ägypten läuft, tagen heute die Länder-Chef:innen der G20 auf Bali, also der 20 stärksten Industrienationen. Auch dort wird wieder über das große Versprechen des grünen Wachstums gesprochen werden: Technische Innovationen, befeuert durch ökologische Energiequellen, sollen die Lösung sein, um die Klimaverträge erfüllen zu können und bis spätestens 2050 klimaneutral zu sein. Dieses Versprechen hat zumindest die EU unterzeichnet.
Doch immer wieder taucht an dieser Stelle die große Frage auf: Wie kann das funktionieren? Der einzige Weg ist die ökologische Kreislaufwirtschaft, in der man nur noch verbraucht, was man recyclen kann. Das sagt Ulrike Herrmann in der 404. Folge des Podcasts "heute wichtig": "Wir haben nur die Wahl, dass wir jetzt, freiwillig, geordnet, rechtzeitig aus dem Kapitalismus aussteigen, und noch die schlimmsten Kipppunkte in der Klimakrise vermeiden. Oder wir machen weiter wie bisher. Aber dann ist es so, dass die Klimakrise sich derartig verschärft, dass der Kapitalismus von alleine zusammenbricht."
Deutschland verbraucht im Moment drei Planeten
Das gezielte Schrumpfen der Wirtschaft hätte große Folgen. Das Bankensystem würde sich nahezu selbst abschaffen, denn wenn die Wirtschaft nicht mehr dynamisch wächst, können Kredite nicht mehr abbezahlt werden. Auto- oder Flugverkehr dürfe es überhaupt nicht mehr geben, ist sich die Wirtschaftsjournalistin und Buchautorin ("Das Ende des Kapitalismus") sicher: "Fliegen ist nicht mehr. Weder Kurzstrecke, noch Langstrecke."

Diese Abkehr hat aber nicht nur Folgen für die Mobilität, sondern für Millionen von Beschäftigten. Alleine für die Autobranche arbeiten 1,75 Millionen Menschen in Deutschland. Umgekehrt schafft der Klimaschutz viele neue Arbeitsplätze, so Herrmann, die wir eher heute als morgen brauchen. Was sich dabei allerdings auch verändern würde, ist die Gehaltsstruktur: "Wenn die Wirtschaft schrumpft, kann es nicht mehr so viele Güter geben, die man einkaufen kann, und dann muss natürlich auch das Einkommen sinken." Auch deshalb, warnt die Journalistin, muss der Systemwandel so schnell wie möglich eingeleitet werden, um keine schwere Wirtschaftskrise mit Millionen von Arbeitslosen zu verursachen.
Eine Ökologische Kreislaufwirtschaft soll das Ziel sein
Ein mögliches Modell für diesen Umbau könnte die Kriegswirtschaft aus Großbritannien von 1939 sein. Die studierte Historikerin hat sich Beispiele aus der Vergangenheit angesehen und insbesondere für einen demokratischen Umbau der Gesellschaft war England besonders, so Ulrike Herrmann: "Großbritannien musste innerhalb von Wochen die Friedenswirtschaft schrumpfen, um Kapazitäten in den Fabriken freizuräumen, für das Militärgerät das man brauchte." Nun kommt es in diesem Fall nicht auf den militärischen Aspekt an, sondern darauf, dass die gesamte Gesellschaft klimaneutral versorgt werden kann – den Firmen aber gleichzeitig genügend Freiraum gelassen wird, um eigene wirtschaftliche Entscheidungen treffen zu können. Das ist der ganz wesentliche Unterschied zum Sozialismus.
Das globale Wirtschaftssystem wird sich durch die Klimakrise in jedem Fall ändern. Wie und wann es sich ändert, bleibt uns überlassen. Jedoch sieht Ulrike Herrmann insbesondere Deutschland und andere westliche Länder am Zug: "Die Klimakrise wird von den reichen Ländern verursacht. Deshalb müssen auch die reichen Länder verzichten. Nicht die armen Länder."
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