stern-Umfrage Steinmeier stürzt auf Rekordtief

  • von Hans Peter Schütz
Die aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag des stern zeigt es: Die SPD kommt einfach nicht voran. Innerhalb der Partei schwelt wegen der schlechten Umfragewerte für Frank-Walter Steinmeier eine Personaldiskussion. Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister zu Guttenberg gewinnen dagegen an Vertrauen.

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier rutscht in der Wertschätzung der Wähler immer tiefer ab: Nach der jüngsten repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts für das Magazin stern wollen ihm bei der Bundestagswahl nur noch 18 Prozent ihre Stimme für die Kanzlerschaft geben. Damit liegt er 40 Prozentpunkte hinter Angela Merkel zurück, die bei der Frage nach der Kanzlerpräferenz auf 58 Prozent gestiegen ist. Das ist ihr bester Wert seit dem Rücktritt von SPD-Chef Kurt Beck. Für Steinmeier ist es gleichzeitig der schlechteste Wert seit seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten der SPD.

Hinzu kommt: Für Steinmeier als Kanzler würden sich auch unter den SPD-Anhängern nur noch 55 Prozent entscheiden. Merkels Rückhalt bei der CDU/CSU ist mit 91 Prozent dramatisch höher. Den schlechten Zahlen des SPD-Spitzenkandidaten entsprechen die Umfragewerte für die SPD: Sie bleibt bei 21 Prozent. Die Union (37 Prozent) und die Grünen (13) gewinnen jeweils einen Punkt hinzu gegenüber der vergangenen Woche. Die FDP steht weiterhin bei 15 Prozent, die Linkspartei verlor zwei Prozentpunkte und liegt jetzt mit neun Prozent erstmals seit vielen Wochen wieder unter der Zehn-Prozent-Marke.

Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ...

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Auch politische Kompetenz wird der SPD immer weniger zugebilligt. Nur noch sieben Prozent trauen ihr zu, die Probleme in Deutschland lösen zu können. Der Union billigen dies 30 Prozent zu.

Für Kanzlerkandidat Steinmeier kommt ein weiteres Problem hinzu. Laut der Forsa-Umfrage "Vertrauen in Politiker" erreicht er nur noch 53 Prozent. Damit liegt er sogar hinter SPD-Finanzminister Peer Steinbrück zurück (57 Prozent). Platz 1 behauptet unverändert Merkel (66 Prozent). Auf Platz 2 liegt CSU-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit 61 Prozent, der sich im Vergleich zu April um sechs Prozent verbesserte, während Steinmeier sechs Prozent verlor.

Wahlverlierer-Niveau erreicht

Für Forsa-Chef Güllner hat Steinmeier jetzt ungefähr das Ansehen erreicht, das auch die ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten Vogel, Rau, Scharping und Lafontaine einst hatten, von denen keiner die Kanzlerschaft erringen konnte. Güllner: "Steinmeier gelingt es nicht, das grundsätzliche Ansehen, das jeder deutsche Außenminister geniest bei den Bürgern auf seine Rolle als Kanzlerkandidat zu übertragen." So gesehen befinde sich die SPD in "einer extrem schwierigen Lage". Die Hoffnung der SPD, in zu Guttenberg endlich ein richtiges Feindbild zu finden, erfülle sich überhaupt nicht. Vielmehr wachse der immer mehr in die "Rolle eines kleinen Obama hinein".

Längst läuft in der SPD beim Blick auf die unverändert schlechten Umfragezahlen eine Diskussion, in der immer massiver die Schuldfrage gestellt wird: Woran liegt es, dass die SPD-Werte bei der Parteipräferenz, bei der Frage nach der politischen Kompetenz und bei der Kanzlerpräferenz jetzt schon seit Wochen wie einbetoniert im demoskopischen Keller festliegen? Die Zweifel wachsen in der SPD-Zentrale, ob denn irgendwann doch noch einmal die erträumte "Aufholjagd" beginnen wird.

Die Europawahl als erster Test für den Kanzlerkandidaten Steinmeier ist gründlich schief gegangen. Und hatte die SPD sich in ihrem Vorfeld nicht als Retterin von Unternehmen und Bewahrerin von Arbeitnehmerinteressen profiliert? Der inhaltliche Kurs sei doch nicht falsch, sagt Ralf Stegner tapfer, der im Präsidium seiner Partei sitzt. Der ratlose Unterton ist nicht zu überhören.

Hat die SPD aufs falsche Pferd gesetzt?

Was den bislang unüberwindbaren Abwärtstrend gefährlich macht: Inzwischen wird unüberhörbar die Frage gestellt, ob es, wenn nicht am Programm, so doch am verantwortlichen Personal liegt. Die vermeintliche SPD-Wahlkampf-"Wunderwaffe" Kajo Wasserhövel steht parteiintern massiv in der Kritik. Bisher sei es ihm nicht gelungen thematische Schwerpunkte zu setzen, etwa durch eine gut organisierte Interviewarbeit der SPD-Führung. Dass Wasserhövel bei den Bundestagswahlen 2002 und 2005 noch relativ gute SPD-Ergebnisse vorweisen konnte, so seine Kritiker, sei doch nur dem Wahlkämpfer Schröder zu verdanken gewesen.

Dass jetzt der bisherige stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg in die SPD-Zentrale wechselt, ist ein verzweifelter Versuch, diese Misere der Selbstdarstellung zu beseitigen. Nur er könne Steinmeier noch zu einem Siegertyp aufmöbeln, so die Hoffnungen. Immer wieder wird von den Steinmeier-Vertrauten bemängelt, dass die Kooperation zwischen Willy-Brandt-Haus und Auswärtigem Amt nicht gut funktioniert. Beide Seiten basteln an Wahlkampf-Szenarien, von denen man sich gegenseitig wenig erzählt. Zum breiten Spektrum der deutschen Innenpolitik sei von Steinmeier kaum etwas zu hören.

Unbegreiflich sei, dass er sich jüngst nach der neuen Panne im AKW Krümmel nicht zum Thema "Ausstieg aus der Kernenergie" geäußert habe. Alle innenpolitischen Fragen überlasse der SPD-Kanzlerkandidat am liebsten den Fachministern. Jetzt soll Steg ein Team formieren, das Steinmeier in solchen Augenblicken in sachliche Position und Wortform bringt.

Mit der "Super-Nanny" für die Frauenquote

Unbegreiflich sei ferner, dass in der SPD-Führung immer noch keine halbwegs bekannte Sozialdemokratin außer Andrea Nahles zu sehen sei. Dass jetzt die TV-Pädagogin Katharina Saalfrank, die "Super-Nanny", gegen Familienministerin Ursula von der Leyen bemüht werde, um Steinmeier für das weibliche Wahlvolk attraktiver zu machen, zeige die ganze Hilflosigkeit der Wahlkampfmanager. Zumal sie nicht mit dem Kanzlerkandidaten selbst, sondern mit SPD-Generalsekretär Hubertus Heil öffentlich in den Wahlkampf zieht. Steinmeier persönlich kennt sie gar nicht, "aber natürlich unterstütze ich ihn," sagt sie.

Unsinnig sei es auch, rügen andere Kritiker, eine Frau zu präsentieren, die auf keinen Fall in einem "Schattenkabinett" Steinmeiers auftreten werde. An einem "Schattenkabinett" wird derzeit gebastelt, allerdings unter dem Vorbehalt, dass der Kanzlerkandidat von der Truppe "nicht überstrahlt wird".

Müntefering will Parteichef bleiben

Mittlerweile wird auch SPD-Chef Franz Müntefering in die Rolle des Buhmanns des danieder liegenden SPD-Wahlkampfs gestellt. Statt über SPD-Programmpunkte werde mehr über das Privatleben des SPD-Chefs mit seiner neuen Lebensgefährtin Michelle Schumann geredet. Völlig fassungslos machte Müntefering viele in der Partei mit seiner Äußerung, er wolle auch nach der Bundestagswahl wieder als Parteichef antreten. Das wurde von allen so verstanden, dass er für den Tag der neuen Machtverteilung in der SPD nach einer Wahlniederlage versuche, sich den Posten des SPD-Chefs auf dem dann folgenden SPD-Parteitag im November 2009 zu sichern. Wie verquer in der SPD die ganze Debatte läuft, zeit sich auch darin, dass bereits jetzt die Frage diskutiert wird, auf jeden Fall müsse jeder Versuch Münteferings verhindert werden, nach der Wahl SPD-Fraktionschef zu werden.

Die Frage einer Kanzlerschaft Steinmeiers wird in der Partei überhaupt nicht mehr diskutiert. Ganz ernsthaft ist dort eine sehr spezielle Theorie im Gespräch: Ob es denn nicht gut sei, wenn die FDP bei der Bundestagswahl besonders gut abschneide. Denn dann drohe Angela Merkel ein besonders unangenehmer Koalitionspartner. Umso geneigter könne sie sein, die Koalition mit den pflegeleichten Genossen fortzusetzen.

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