Auf Augenhöhe mit den Bayern? Jürgen Klopp will davon noch nichts wissen. "Dazu habe ich keine Meinung", knurrt der Dortmunder Trainer, der sehr vergrätzt wirken kann, wenn ihm Fragen nicht gefallen. Ganz so, als wäre es Blasphemie, die Dominanz des FC Bayern München auf einmal in Frage zu stellen. Wochenlang hat die Liga die Litanei von der Brillanz der Münchener gebetet, war ganz hin und weg vom torhungrigen Rekordmeister, vom entfesselten Ribery, vom stets treffenden Gomez, vom quasi unbezwingbaren Neuer. Die Bayern waren auf einmal tatsächlich beliebt in Deutschland ob ihrer Fußballkunst. Deutscher Meister 2012? Bis vor kurzem keine ernsthafte Frage - zumal Borussia Dortmund lange schwächelte.
Ballerei gegen das Ligaprekariat
Doch jetzt stellt sich die Frage wieder. Der Herbst, er ist nicht golden für den FC Bayern, da kann Präsident Uli Hoeneß auf der Jahreshauptversammlung des Vereins noch so überschäumen vor Stolz und Glück und vom "Hort der Glückseligkeit" schwärmen. Und die Liga beginnt endlich, das wahrzunehmen. Niederlagen in Hannover und gegen Dortmund, mageres 0:0 in Hoffenheim, dürftiger, am Ende gar glücklicher Sieg beim Tabellenletzten Augsburg. Bilanz der Münchener im Oktober und November: drei Siege, ein Unentschieden, zwei Niederlagen. Das ist eigentlich der Zahlencode von Tabellensechsten.
Dominanz zeigt der FC Bayern nur gegen Gegner aus der zweiten Tabellenhälfte - und das nur zuhause. Ernüchternd dagegen die Bilanz gegen die Teams aus dem oberen Tabellendrittel: Zwei Niederlagen, nur ein Sieg, gegen Bremen und Stuttgart müssen die Bayern noch ran. Ein 7:0 gegen Freiburg, ein 5:0 gegen den HSV oder ein 4:0 oder Nürnberg entscheiden jedenfalls keine Meisterschaft. Die Ballerei gegen die Eingeschüchterten vom Ligaprekariat wirkt mittlerweile wie Blendwerk.
Doch das zieht bei Mannschaften und Trainern mit gesundem Selbstbewusstsein nicht. Die Borussia agierte in München mit dem gleichen Rezept, mit dem schon Mönchengladbach erfolgreich war: Die Mannschaft war ständig in Bewegung, machte hinten die Räume so dicht, dass man Mitleid mit dem FC Bayern haben konnte. In der Offensive schnürten Lewandowski, Götze oder Kagawa frühzeitig die Versorgungswege der Münchener ab.
Insgesamt rannten die Gäste 10 Kilometer mehr als ihre Gegner, da halfen den Bayern 65 Prozent Ballbesitz gar nichts - unproduktive Dominanz, wie sie heute von den Bayern-Oberen gerne dem häufig geschmähten Ex-Coach Louis van Gaal angelastet wird. Chancen gab es für den Gastgeber so kaum. Superstar Arjen Robben agierte im ersten Spiel nach der letzten Verletzung unglücklich. Es mag Zufall sein, dass er bei beiden Heimniederlagen in der Startelf stand, es mag aber auch ein Beleg dafür sein, dass die Mannschaft den Ausnahmespieler ganz einfach nicht braucht, ohne ihn besser harmoniert.
Der BVB ist kaum zu stoppen
Zum Spiel hatte Klopp an sich denn auch eine Meinung: "Meine Mannschaft hat gegen den Ball ein unfassbar gutes Spiel gemacht." Seine Mannschaft ist derzeit kaum zu stoppen, siegt fast nur noch, kann nicht mehr nur "Hurra"-Fußball, sondern - wie schon beim 2:0 in Bremen gezeigt - auch clever, nutzt ihre Chancen effektiver als früher. Man wünscht sich mehr solcher Spiele vom BVB in der Champions League, wo kommende Woche in London aber schon das Aus besiegelt werden könnte.
Von einem "typischen 0:0-Spiel" sprach denn auch Bayern-Coach Jupp Heynckes. "Wir haben es nicht geschafft, Druck aufzubauen. Dortmund hat es sehr geschickt gemacht." Hört sich fast so an, als sei Heynckes mit einem 0:0 zufrieden gewesen - nicht unbedingt Bayern-Art. Auch Arjen Robben sprach davon, dass ein Unentschieden für die Bayern in Ordnung gewesen wäre. Hat da jemand Respekt? Es wäre verständlich, denn der Deutsche Meister hat die jüngsten drei Spiele gegen die Münchener alle gewonnen. Torbilanz: 6:1 für den BVB.
So wird die Luft an der Spitze für den FC Bayern immer dünner. Auch Gladbach rückt von hinten mit Hurrafußball nach. Zwei Punkte liegen die Bayern noch vor den beiden Borussias. Da ist es keine Blasphemie, das kaum Mögliche in Erwägung zu ziehen: zwei Jahre in Folge ohne Bayern-Meisterschaft. Das gab es zuletzt 1996. Verantwortlich damals: der Doppelmeister Borussia Dortmund.