Die Überschrift zu den Änderungen in der Außenwirtschaftsförderung geht etwa so: die Abhängigkeiten der deutschen Wirtschaft von China zurückbauen. Wenn Firmen in andere Schwellen- und Entwicklungsländer investieren, können sie politische Ausfallrisiken vom Bund absichern lassen – und das künftig zu besseren Konditionen. Für 34 Zielländer gelten künftig die niedrigeren Schwellen. Als Anreiz, Lieferketten ganz neu aufzustellen, dürfte das indes nicht reichen.
Dass die Bundesregierung unter den erschwerten Bedingungen von erhöhten geopolitischen Risiken die staatliche Flankierung von Auslandsgeschäften verbessern will, hatte Minister Robert Habeck bereits im Februar angekündigt. Exporteuren und Investoren auf ihrem Weg ins Ausland die Finanzierung von Export- und Investitionsvorhaben zu erleichtern – das ist der Sinn der Übung. Angesichts des Ukrainekriegs und des schwelenden Konflikts zwischen der Volksrepublik China und Taiwan hält das Ministerium es für zunehmend dringlicher, dass deutsche Unternehmen ihre Auslandsgeschäfte sicherheitshalber auf möglichst viele Standbeine verteilen. Deutschland müsse für den Bezug von Rohstoffen, die Belieferung von Vorprodukten und für Absatzmärkte "unabhängiger von einzelnen Ländern werden", so Habeck.
Die schrittweise Reform geht nun ins Ziel: Neben Investitionsgarantien wird auch an den Exportkreditgarantien zum Schutz vor politisch bedingten Zahlungsausfällen geschraubt. Für beide Instrumente sollen neue klimapolitische Sektorleitlinien gelten, die im Zuge der grünen Transformation bei der Förderung mehr Fokus auf Klimaschutz legen soll – in den Sektoren Industrie, Energie und Transport. So soll eine neue "grüne" Kategorie besonders förderungswürdigen Technologien wie Wind- und Solarenergie sowie "grünem" Wasserstoff künftig erleichterte und attraktivere Deckungskonditionen verschaffen. Zugleich werde die Finanzierung klimaschädlicher Aktivitäten perspektivisch beendet, heißt es.
Weniger Kosten für politischen Geleitschutz
Für Investitionsgarantien, die unternehmerischen Entscheidungen für unsichere Märkte den Weg ebnen sollen, entfällt nun künftig die Antragsgebühr, im Schadensfall wird der Selbstbehalt auf 2,5 Prozent halbiert, die jährlichen Kosten für die Deckung werden um zehn Prozent verbilligt. "Deutsche Unternehmen sollen damit noch wirkungsvoller bei der Erschließung neuer Märkte unterstützt werden", heißt es in den Grundsätzen der Strategie. Die Vergünstigungen scheinen nicht enorm, doch können einstellige Prozentpunkte bei Millioneneinsätzen durchaus einen Unterschied machen.
Bei der Auswahl der Ziele, die als "geografisch ausgewogen" bezeichnet wird, hält die Bundesregierung sich zugute, Länder ausgesucht zu haben, die gute Voraussetzungen für deutsche Unternehmen bieten, "aber bisher weniger im Fokus der Wirtschaft standen" und auch für Investitionsgarantien eine untergeordnete Rolle spielten. Das mag für die Gruppe der Westbalkan-Länder gelten, die nun – im geopolitischen Wettbewerb mit Russland und China – zu Wunschpartnern gekürt werden. In Asien oder Lateinamerika aber tauchen einige vermeintlich neue Freunde auf, die schon in der bisherigen Projektförderung keine Unbekannten sind.
Zugegebenermaßen lässt auch die Maßgabe, dass Länder sich besonders als "Transformationspartner", als "außenpolitischer Partner in einer regelbasierten globalen Ordnung" oder als "aufstrebender Wirtschaftspartner" hervorgetan hätten, trotz wertebasierter Außenpolitik eine breite Palette von Ländern zu: neben lupenreinen demokratischen Ordnungen eben auch autokratisch geführte Staaten oder Pseudodemokratien.
Beispiel Türkei: Projekte in dem nun bevorzugten Partnerland erhalten erstmals günstigere Bedingungen, doch war das Land schon 2022 unter den Top-5-Märkten nach dem Volumen genehmigter Aufträge (300 Millionen Euro) – hinter China und vor Malaysia und Argentinien. Die Türkei gehört neben Russland zur Ländergruppe Osteuropa, auf die Stand 2022 etwa 30 Prozent aller besicherten Projekte mit einem Obligo von 48 Garantien und eine Milliarde Euro Höchsthaftung entfielen, so der Jahresbericht. Auch im ersten Halbjahr 2023 belegt die Türkei nach Anzahl der genehmigten Anträge Platz fünf (hinter China, Ukraine, Armenien und Peru).
Auch in der Ländergruppe Kaukasus/Zentralasien ist neben den neuen Wunschpartnern Georgien und Kasachstan das nur formal demokratisch regierte Usbekistan kein Neuling in der Förderung: 2022 landete es gemessen am Wert genehmigter Anträge (550 Millionen Euro) auf Platz zwei hinter China. Als Wertepartner geht auch das präsidiale Regime in Kasachstan nicht durch, doch hat sich das Land im Zuge der westlichen Sanktionen gegen Russland zur begehrten Handelsdrehscheibe entwickelt.
"Wir haben Länder ausgewählt, die zuverlässige Außenhandelspartner und politisch stabil sind", sagte Staatssekretärin Franziska Brantner dem "Handelsblatt". "Diversifizierung wird leider nur gelingen, wenn wir uns auch auf Handelspartner einlassen, die nicht alle unsere Werte teilen."

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Klumpenrisiko minimieren
Dass Diversifizierung auch im Eigeninteresse des Bundes ist, zeigt ein Blick auf das geballte Risiko möglicher krisenbedingter Ausfälle. Der Bund hatte Mitte des Jahres 2023 rund 600 Investitionsgarantien im Bestand mit einer daraus resultierenden Höchsthaftung von 29,5 Milliarden Euro – laut Jahresbericht auf "weiterhin hohem Niveau" nach 30,1 Milliarden Euro Ende 2022. Auf die Volksrepublik China, wo Projekte inzwischen weniger stark gefördert werden, entfiel nach Volumen der abgesicherten Projekte mit 10,4 Milliarden Euro der höchste Wert (154 Garantien), gefolgt von Russland an zweiter Stelle mit 7 Milliarden Euro.
In Süd- und Südostasien wurden 2022 seit längerer Zeit wieder Investitionsprojekte in Taiwan abgesichert, wo Deutschland laut Brantner eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit anstrebt – aber ohne es zum Zielland zu erklären. Nach der Anzahl genehmigter Anträge ist Taiwan damit schon unter den Top-5-Märkten platziert – so wie Vietnam, das zu den neu bevorzugten Märkten gehört – neben Indien, Indonesien, Malaysia, den Philippinen und Thailand.
Im ersten Halbjahr 2023 fiel regional der Schwerpunkt geförderter Investitionen auf Indonesien: Das rohstoffreiche Land will Industrieland werden und verbucht Rekordinvestitionen vor allem in den Sektoren Metallverarbeitung und Bergbau. Das Exportverbot für Nickelerz hat riesige Projekte angezogen, schreibt der Außenwirtschaftsdienst GTAI. Seit Mitte Juni 2023 gilt das Verbot für Bauxit. Die nächsten Rohstoffe auf der Liste könnten Kupfer und Zinn sein. Deutschland habe im Inselreich traditionell die Rolle des Technologielieferanten – nicht die eines Investors, heißt es bei GTAI, die Zuflüsse 2021 mit 200 Millionen Dollar 2021 beziffern.
Stärker im Wettbewerb mit China
Die Lieferketten werden dort von chinesischen Unternehmen dominiert – was auch zur Rolle der Außenwirtschaftsförderung bei der Stärkung heimischer Firmen im Wettbewerb führt. So reicht Chinas Allgegenwart auch bis Lateinamerika, nicht zuletzt wegen der dort reichlich vorhandenen agrarischen und mineralischen Rohstoffe. Letztere beflügeln mit der Energiewende auch deutsche Phantasien. Während Asien von den genehmigten Anträgen für Investitionsgarantien knapp 60 Prozent ausmacht, entfielen auf Mittel- und Südamerika 2022 immerhin zwölf Prozent (mehr als der anteilige historische Bestand).
Als bevorzugtes Zielland reiht sich zum Beispiel nun Peru ein, dessen wichtigster Handels- und Investitionspartner China ist. Chinesische Unternehmen betreiben zwei der fünf größten Kupferminen, nahezu drei Viertel der Kupferexporte gehen nach China, so GTAI. Auch in anderen Bereichen wie Infrastruktur und Energie breite die Volksrepublik ihre Präsenz aus.
Größter deutscher Investor in dem Land ist Fraport. Der Ausbau des internationalen Flughafens Lima mit einer zweiten Start- und Landebahn, Tower und neuem Terminal soll 2025 abgeschlossen sein. Ein Großprojekt in Peru dominierte auch die Garantiebilanz des Bundes im ersten Halbjahr 2023: 90 Prozent des neu übernommenen Volumens entfielen so auf Mittel- und Südamerika. Antragsteller werden jedoch vertraulich behandelt – ob ein Zusammenhang mit dem Hub-Flughafen Südamerikas besteht, ist unklar.
Dass bereits erhöhtes Interesse an dem neuen Wunschpartner Argentinien besteht, zeigt dessen Position auf Platz fünf aller Top-Märkte nach Volumen weltweit 2022 (hinter der Türkei und Malaysia). In Brasilien setzt der Bund Hoffnungen auf neue Investitionschancen nach dem Regierungswechsel zu Inazio Lula da Silva. Auch für Projekte in Kolumbien wurden laut Mitteilung der Garantieverwalter PWC kürzlich bestehende Garantien verlängert. Mit Chile – dem vierten regionalen Wunschland für die Diversifizierung – ist bereits eine Klima- und Energiepartnerschaft geschlossen, die auch Möglichkeiten zur Erschließung von Wasserstofflieferungen umfassen soll.
Diese Start-Ups wollen das Klima retten

Hinter der schönen bunten Welt der Modebranche verbirgt sich die dreckigste Industrie gleich nach dem Erdöl. Bei der Herstellung werden nicht nur große Mengen an Chemie verwendet, sondern auch Erdölprodukte wie Polyester, von den Treibhausgasen bei der Herstellung und dem Schiffstransport ganz zu schweigen. Allein in Deutschland landen jedes Jahr rund eine Milliarde Kleidungsstücke in Altkleidersammlungen oder im Müll - oder werden wie auf diesem Bild anderweitig verwertet. Das Recycling von Kleidung hat kaum einen positiven Effekt auf die Umweltbilanz weil ....
Schlusslicht Afrika
Potenzielle Märkte für den Import von Wasserstoff nach Deutschland und Europa werden inzwischen auch in Afrika sondiert, das bei den deutschen Direktinvestitionen und auch der Nachfrage nach Garantien das Schlusslicht bildet. Projekte in Afrika machten 2022 ganze sieben Prozent des Garantiebestandes aus. Allein Algerien schaffte es in dem Jahr gemessen am Volumen registrierter Anträge auf Platz fünf, und es zählt neben Kenia und Südafrika nun auch zu den 13 Zielländern, die auf dem Kontinent von der Diversifizierungsstrategie empfohlen werden.
Die anderen zehn – darunter Ägypten, Äthiopien, Ghana, Marokko, Senegal oder Tunesien – werden bereits im Rahmen der G20-Partnerschaften "Compact with Africa" als Reformländer – und somit als besonders förderungswürdig behandelt. So wurden für das stark verschuldete und autoritär regierte Ägypten schon 2020 und zuletzt im August vom Interministeriellen Ausschuss Anträge für eine Investition positiv entschieden.
Daher begrüßt der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft zwar den zusätzlichen Geleitschutz des Bundes für drei neue Zielländer. Das erleichtere den Schritt in stark vernachlässigte Märkte. Aber was mit den übrigen 41 Ländern sei, fragt AV-Geschäftsführer Christoph Kannengießer: "So fehlt in der Liste des Ministeriums mit Nigeria die größte Volkswirtschaft Subsahara-Afrikas, aber auch andere Länder, die sich zur Diversifizierung anbieten."
Bandbreite wächst
Laut Wirtschaftsministerium hat sich im Jahr 2022 die Bandbreite der Zielmärkte deutscher Investoren schon deutlich erhöht (16 gegenüber 11 in 2021). Investitionsgarantien bieten ihnen in Entwicklungsökonomien sicher Vorteile – langfristige Absicherung politischer Risiken, Interventionen aus Berlin, wenn Schaden droht, notfalls Kostenbeteiligung des Bunds oder Entschädigung im eintretenden politischen Schadensfall, wie Enteignung, Krieg oder Rechtsbruch.
Aber als Anreiz für Investitionen – oder gar für ihr Umlenken in ungewisse Märkte – hält etwa Martin Lück vom Vermögensverwalter Blackrock sie für ungeeignet. Sie seien eher als diplomatische Absicherung und Schutz gedacht, sich unter bestimmten Risiken zurückziehen zu müssen, sagt er in einem Interview. Zugleich dürften die wenigsten Unternehmen sich wegen dieser verbesserten Förderung für neue gute Freunde Gewinnchancen in China entgehen lassen.
Dieser Artikel erschient zuerst bei "Capital".