Die Liebe der deutschen Autobauer zu den amerikanischen Südstaaten Die perfekte zweite Heimat

BMW Werk Spartanburg
BMW Werk Spartanburg
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Einst schlug das Herz der amerikanischen Autoproduktion in Michigan. Doch die Zeiten haben sich nicht allein durch Tesla gewandelt. Der Bundesstaat Michigan mit der Produktionshauptstadt Detroit spielt trotz der gigantischen Werke von Ford und General Motors eine immer kleinere Rolle und gerade die europäischen Autobauer haben längst in den Südstaaten der USA eine zweite Heimat gefunden.

Wenn Mercedes-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer über seine Zeit im Werk Alabama spricht, sieht man seine Augen strahlen. "Es war hier eine sehr schöne und spannende Zeit", blickt Schäfer zurück, "viele Kontakte sind geblieben und ich komme immer sehr gerne hierher zurück. Diese Freundlichkeit der Menschen ist einzigartig." Seit 25 Jahren ist Mercedes in den Tuscaloosa / Alabama zu Hause und fertigt hier seine ebenso ertrag- wie volumenreichen SUV-Modelle GLE, GLS und bald auch den elektrischen EQS SUV. Wie Markus Schäfer geht es auch Mercedes-CEO Ola Källenius, der nach eigenen Aussagen in den Südstaaten einst besonders schöne Daimler-Jahre erlebte. Ganz ähnlich sieht es bei vielen BMW-Topmanagern aus. Selbst der nüchterne Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Reithofer war vor seiner Zeit als BMW-CEO einige Jahre in den amerikanischen Südstaaten und präsentierte sich hier bei Terminen deutlich entspannter als sonst. 600 Kilometer nordöstlich von Tuscaloosa in Spartanburg / South Carolina liegt seit vielen Jahren das größte BMW-Werk der Welt. Hier werden seit fast drei Jahrzehnten die Crossover der Münchner produziert - gestartet war die Fertigung Anfang der 1990er Jahre mit dem BMW 3er der Generation E36 und dann dem offenen Spaßroadster BMW Z3. 2021 liefen in Spartanburg mehr als 430.000 Fahrzeuge der Modelle X3 / X4, X5 / X6 und X7 vom Band. Damit werden hier mehr Fahrzeuge als in jedem anderen BMW-Werk gefertigt und Ende 2022 kommt das neue Topmodell des XM hinzu.

Rund vier Stunden westlich von Spartanburg hat Volkswagen als dritter deutscher Großkonzern seine Fertigungszelte aufgeschlagen. Anfangs wurde Chattanooga im Bundesstaat Tennessee von einigen Wolfsburgern als Abschiebelager gesehen, doch nicht erst seitdem die Fertigung auf Elektromodelle umschwenkt und der erfolgreiche Atlas-SUV dort gebaut wird, steigt das Werk im Ansehen vieler. Der US-Passat ist Vergangenheit - jetzt warten alle auf die elektrischen ID-Modelle. Losgehen soll es mit dem ID.4, weitere Modelle sollen folgen. Möglich wäre der VW ID. Buzz oder sogar Elektroautos anderer Konzernmarken auf dem modularen Elektrobaukasten. "Dies ist ein großer Moment für das Unternehmen", so Scott Keogh, CEO von Volkswagen Group of America, "die Erweiterung der lokalen Produktion legt die Grundlagen für nachhaltiges Wachstum in den USA. Elektroautos sind die Zukunft der Mobilität und Volkswagen wird sie für Millionen Menschen bauen." Durch die Investition von 800 Millionen Dollar sollen in Chattanooga 1.000 Arbeitsplätze entstehen und für die Elektrofamilie wird die Fertigung um 52.400 Quadratmeter erweitert. Zusätzlich soll eine Montage für Batteriesysteme errichtet werden.

Bleibt die Frage, weshalb die amerikanischen Südstaaten so beliebt bei den deutschen Autobauer sind? Natürlich geht es erst einmal ums Geld und alle drei Standorte haben seinerzeit alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass sich die europäischen Marken mit ihren neuen Fertigungsstätten hier niederlassen. Die Erschließungskosten waren minimal, die Steuervergünstigungen groß und in den Südstaaten sind die Gewerkschaften deutlich flexibler als in der alten Gewerkschaftshochburg Michigan oder in Deutschland, wo Flexibilität oft ebenfalls ein Fremdwort ist. Besonders spektakulär war die Geschichte rund um den VW-Standort in Chattanooga. Als am 16. Mai 2008 eine Gesandtschaft von Volkswagen die ehemalige Eisenbahnerstadt besuchte, sah alles andere als rosig aus. Ein paar grüne Hügel auf dem Gelände eines alten Munitionslagers, zwei Bahnlinien und zwei Autobahnkreuze waren den Produktionsverantwortlichen aus Wolfsburg unter der Leitung von VW-Vorstand Dr. Jochem Heizmann einfach zu wenig, um den Daumen zu heben. Man setzte sich in den Flieger und zog unverrichteter Dinge gen Deutschland ab. Schien so, als würde Chattanooga ihren angeschmutzen Charme aus längst vergangenen Montanzeiten nie ablegen können. Doch noch eine Niederlage wollte der umtriebige Gouverneur des Bundesstaates Tennessee, Phil Bredesen, nicht hinnehmen. Schließlich ging es um 2.000 Arbeitsplätze, ein neues Werk und ein Investitionsvolumen von mindestens einer Milliarde Dollar. Den Finanzfluss wollte man nicht zu den Konkurrenten Huntsville oder Battlecreek abwandern sehen. So wurde am Tage nach dem Ortsermin damit angefangen, eine Fläche von über fünf Millionen Quadratmetern abzuholzen, damit man sich das Gewerbegebiet besser vorstellen konnte, erinnert sich Thilo Brockhaus, seinerzeit Bauleiter des VW-Werkes, - und das ohne jeden Auftrag. Einen Tag später rollten Dutzende von Baggern und schwerstes Baugerät an. Die hügelige Landschaft im Südosten von Chattanooga wurde abgeholzt und binnen kürzester Zeit dem Erdboden gleich gemacht. Nach zwei Monaten war alles bereit für die nächste Besichtigung. Damit Volkswagen sich in der Zwischenzeit nicht anderweitig mit einem der Konkurrenzstandorte verheiratete, schickten die Verantwortlichen von Stadt und County mehrfach in der Woche Zustandsberichte und Luftfotos nach Wolfsburg. Die spektakuläre Aktion verfehlte ihren Sinn nicht. Am 15. Juli 2008 vermeldete die Zeitung Chattanooga Times Free Press, dass VW sich zugunsten der Cho-Cho-Stadt entschieden hatte. Die ganze Region feierte und Bürgermeister Ron Littlefield konnte schon einmal den Champagner für seine nächste Amtszeit bereitstellen.

Längst die die drei Standorte Chattanooga, Spartanburg und Tuscaloosa im Produktionsverbund der Marken ebenso wie in der amerikanischen Autoindustrie eine feste Größe. BMW ist seit Jahren mit seiner Fertigung sogar der größte Autoexporteur der USA. Jetzt geht es darum, die Werke fit für die kommenden Jahrzehnte zu machen und somit stellen alle Werke sukzessive auf Elektrofahrzeuge um. Seit 1992 hat BMW fast zwölf Milliarden US-Dollar in das Werk in South Carolina investiert. Das Werk verfügt über eine Produktionskapazität von bis zu 450.000 Fahrzeugen und beschäftigt fast 12.000 Mitarbeiter, die im Zweischichtbetrieb an sechs Tagen in der Woche jeweils zehn Stunden arbeiten. Dr. Robert Engelhorn wurde aus München nach Spartanburg beordert, um das Volumenwerk nach Vorbild der bayrischen Stammstätte in eine flexible Elektrofertigung umzuwandeln. "Wichtig ist für uns die Flexibilität", unterstreicht Engelhorn, "um flexibel zu sein, müssen wir auf einer Linie Verbrenner, Plug-in-Hybriden und Elektromodelle fertigen können."

Auch Mercedes baut seine Fertigung in Alabama aktuell wieder einmal aus. Bevor der elektrische EQS SUV im Herbst zu den Kunden rollt, wurde in Bibb County eine neue Batteriefertigung eröffnet, aus sich insbesondere der EQS SUV und weitere folgende Modelle bedienen soll. Das bedeutet 600 weitere Arbeitsplätze für die bestehenden 4.500 im benachbarten Tuscaloosa. Der EQS SUV ist das erste rein elektrisch angetriebene Fahrzeug aus dem Mercedes-Südstaatenwerk und das neue Batteriewerk in Bibb County ist das erste seiner Art im Bundesstaat Alabama. Hatte das ehemalige ML-Werk vor 25 Jahren eine Startkapazität von 65.000 Fahrzeugen, wo wurden im vergangenen Jahr 260.000 Fahrzeuge der Modellreihen GLE, GLE Coupé, GLS und GLS Maybach produziert. Auf der gleichen Fertigungslinie kommt nach dem Sommer der elektrisch angetriebene Mercedes EQS SUV hinzu. "Die Eröffnung unseres neuen Batteriewerks in Alabama ist ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg zur vollelektrischen Zukunft. Mit einem ganzheitlichen Ansatz, der auch eine lokale Zellbeschaffungs- und Recyclingstrategie beinhaltet, unterstreichen wir die Bedeutung unseres US-Standorts, an dem Mercedes-Benz seit Jahrzehnten erfolgreich ist", sagt Mercedes-CEO Ola Källenius, "wir sind stolz darauf, damit auch neue, zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen, um vollelektrische SUVs \'Made in the USA\' in einem Werk zu bauen, das seit 25 Jahren fester Bestandteil unserer Produktionsfamilie ist."

Seit den 1990er Jahren hat der ehemalige Daimler-Konzern in Alabama mehr als sieben Milliarden US-Dollar investiert. Seit 1997 sind vier Millionen Fahrzeuge im Werk in Tuscaloosa vom Band gerollt. Von den zuletzt rund 260.000 produzierten SUVs gingen zwei Drittel der Jahresproduktion in den Export. "Mit dem Produktionsstart der wegweisenden M-Klasse vor 25 Jahren hat Mercedes-Benz geholfen, unseren Staat an die Spitze der Automobilproduktion zu bringen", so Alabamas Gouverneurin Kay Ivey, "mit dem neuen Batteriewerk hilft Alabama Mercedes dabei, seine Produktion von zukunftsweisenden Elektrofahrzeugen zu beschleunigen. Wir sind stolz darauf, Mercedes als Partner zu haben, und freuen uns auf die Zukunft, die wir gemeinsam in Alabama aufbauen." Mit dem neuen Werk wird Bibb County Teil des globalen Mercedes-Benz Batterieproduktionsnetzwerks, das Fabriken auf drei Kontinenten umfasst.

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