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Kampfpanzer Leopard 2 – auf diesen deutschen Superpanzer wartet die Ukraine

Die Kanone hat einen weiten Neigungswinkel.
Die Kanone hat einen weiten Neigungswinkel.
© Picture Alliance
Der Kampfpanzer Leopard 2 gilt als der beste Entwurf seiner Zeit, denn er löste den Konflikt zwischen Panzerung, Beweglichkeit und Feuerkraft am besten. Entsprechend begehrt ist er. Doch die Aufgabe, für die der Leo konzipiert wurde, existiert nicht mehr.

Der Leopard 2 galt und gilt als Vorzeigestück des deutschen Panzerbaus. Mit ihm konnte die Rüstungsindustrie an den Nimbus der Modelle der ehemaligen, deutschen Wehrmacht anschließen. Selbstverständlich war das nicht, mehrere Entwicklungen der Nachkriegszeit verliefen unglücklich. Der Schützenpanzer HS 30 taugte nichts und wurde von Korruptionsaffären begleitet, der Kanonenjagdpanzer war schon beim Bau überholt.

Diesen Vorwurf konnte man dem Leopard 1 nicht machen. Doch litt der erste Nachkriegspanzer an seiner unzureichenden Panzerung. Sie wurde auf das Nötigste reduziert. Zur Zeit der Konzeption ging man davon aus, dass sogenannte HEAT-Geschosse, die mit einem heißen Plasmastrahl den Stahl aufschneiden, ohnehin jede Panzerung durchschlagen hätten, also erschien es sinnlos, immer stärkere Panzerplatten zu verwenden. Diese Einschätzung erwies sich als falsch, und so kam es, dass der Leo 1 keinen Schutz vor den Geschossen der sowjetischen T-Modelle bot. Hinzu kam, dass seine Hauptwaffe im Kaliber 105 Millimeter die Frontpanzerung der damals neuen russischen Panzer nicht durchschlagen konnte.

Gelungenster Panzer des Kalten Krieges

In dieser Situation wurde der Leopard 2 entwickelt. Er war größer, stärker und mächtiger als sein Vorgänger. Im Vergleich zu den Konkurrenzmodellen löste er den Grundkonflikt zwischen Schutz, Mobilität und Feuerkraft am überzeugendsten. Vom Grunddesign her siedelte sich der Leopard 2 zwischen den Sowjetpanzern und denen der westlichen Verbündeten an. Modelle wie der T-72 sind merklich kleiner, leichter und beweglicher. Der Abrams aus den USA dagegen schwerer und weniger mobil.

Darum wurde er auch in eine Vielzahl an Ländern exportiert, und zwar auch als teure "Neuware". Insgesamt wurden 3600 Stück gebaut. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden die großen Bestände der Bundeswehr sehr kostengünstig an Verbündete weitergereicht. So kommt es, dass Länder wie Griechenland und die Türkei mehr Leos besitzen als Deutschland.

Unübersehbare Vielfalt der Varianten

Heute kann man nicht mehr von "dem" Leopard 2 sprechen. Mit der Produktion wurde 1978 begonnen. Im Laufe der langen Bauzeit und für die verschiedenen Kunden wurden unterschiedliche Varianten gebaut. Dazu kam es immer wieder zu umfassenden Modernisierungen. Sodass heute ein wilder Mix im Umlauf ist, denn es wurden keineswegs alle Alt-Panzer stets auf den neuesten Stand gebracht. Die Vielfalt der Typen wird noch durch ihren jeweiligen Zustand erweitert. Neben den Panzern, die voll funktionsfähig im aktiven Dienst stehen, gibt es Magazinbestände in den unterschiedlichsten Erhaltungszuständen. Nur ein Beispiel: Im letzten Jahr gab es Meldungen, dass Spanien erwäge, der Ukraine ausrangierte Ibero-Leoparden zur Verfügung zu stellen. Lokale Medien wiesen dann darauf hin, dass diese Panzer nach Flutschäden seit Jahrzehnten vor sich hin rotteten und die Weitergabe an andere Staaten schon Jahre zuvor an dem Zustand der Panzer gescheitert sei (Keine Leopard-2-Panzer für Kiew aus Spanien).

Einiges blieb in der Baugeschichte gleich. Der Leopard ist mit einer 120-Millimeter-Glattrohrkanone ausgestattet, allerdings in unterschiedlichen Längen.  Mit dem Modell A6 wuchs der Lauf von L/44 auf L/55 – das sind 1,30 Meter mehr. Die Besatzung besteht aus vier Mann. Anders als beim T-72 verwendet der Leopard 2 keinen vollautomatischen Auto-Loader. Der Leopard 2 wurde für die große Panzerschlacht entwickelt. Gemeinsam mit dem Schützenpanzer Marder und den Panzergrenadieren sollte er die Panzerarmeen des Warschauer Paktes auf der deutschen Ebene aufhalten. Diese Aufgabe führte zu konstruktiven Eigenheiten, der Neigungsbereich der Kanone ist etwa auch für das Feuern aus gedeckten Stellungen optimiert. Doch im Grunde war die Aufgabe des Leopard 2 simpel: Er sollte aus der Bewegung heraus mit der stabilisierten, schweren Kanone gegnerische gepanzerte Fahrzeuge zerstören. Der Lauf der Waffe ist – wie bei Kampfpanzern dieser Zeit üblich – stabilisiert, damit sind gezielte Schüsse in Fahrt bei sich bewegenden Fahrzeug möglich.

Geringe Sekundärbewaffnung 

Für die heutige Zeit bringt das Konzept auch einige Nachteile mit sich. Die Sekundärbewaffnung ist vergleichsweise bescheiden. Parallel zur Hauptwaffe ist ein leichtes MG eingebaut. Dazu konnte ein Flugabwehr-MG am Turm montiert werden. Für dessen Bedienung musste der Ladeschütze jedoch mit dem Oberkörper aus dem Turm. Dazu gibt es eine Wurfanlage für Nebelgranaten. Und das war es dann aber auch schon. Zum Kampf gegen Infanterie auf kurze Entfernung eignet sich der Leopard 2 also nicht. Um Ziele mit dem koaxialen MG zu erfassen, muss der Turm bewegt werden. Dazu kommt, dass die Wirkung des leichten MGs begrenzt ist.

Immer mehr - immer schwerer 

Die Plattenpanzerung wurde seit der dritten Generation durch eine Kompositpanzerung nach dem Vorbild der Chobham-Panzerung ersetzt. Anstatt einer immer dickeren Stahlplatte bestehen diese Panzerungen aus mehreren Schichten verschiedener Materialien, durch den Materialmix steigt die Abwehrfähigkeit stark an. Der Zwölfzylinder-Diesel leistet 1500 PS. Das reicht für eine Straßengeschwindigkeit von etwa 70 km/h. Eigentlich erreichte der Leopard 2 bei Fragen wie Watttiefe, Steigungen etc. Bestwerte für einen westlichen Kampfpanzer. Doch die ganzen Modernisierungen steigerten zwar den Kampfwert, führten aber auch zu einer merklichen Gewichtszunahme. Zu Beginn der Planung sollte der Panzer noch 50 Tonnen wiegen, bei Bau wurden es etwa 60 – im Laufe der Zeit ist noch einiges hinzugekommen. Inzwischen ist der Leopard tendenziell zu schwer. Das belastet das Zusammenspiel der Systeme, so verschleißt sich die Lagerung des Turmes inzwischen schnell (Mehr als die Hälfte der Leopard-2-Panzer nicht einsatzbereit). Von den gebauten 3600 Leos ist ein Großteil noch vorhanden, aber in sehr unterschiedlichem Erhaltungszuständen.

Eine Rheinmetall-Manager sagte treffend über den Leopard 2, man könne ihn schön schminken, aber er bleibe doch eine alte Dame. In der Theorie ist die Zeit der Kampfpanzer der vierten Generation abgelaufen, die Zukunft gehört Entwürfen wie dem T-14. Doch die Schwierigkeiten Russlands bei der Einführung des Armatas und im übertragenen Sinn auch die ewigen Kinderkrankheiten des deutschen Schützenpanzers Puma beweisen, dass die theoretisch möglichen Fortschritte in der Realität auf große Probleme stoßen. In den nächsten Jahren wird kein großer Wurf den Leopard 2 deklassieren, es ist aber zu erwarten, dass eine Zwischenstufe von Panzern auf den Markt kommen wird. So wie der Challenger 3 oder die beiden Demonstratoren von Krauss-Maffei und Rheinmetall, die im letzten Jahr gezeigt wurden (KF51 Panther – Rheinmetall stellt eigenen Kampfpanzer mit 130-mm-Kanone vor).

Ein Panzer, der wie der Armata vollständig auf Automatik und Sensoren angewiesen ist, wird im Feld auf sich warten lassen. Doch ein Problem ist drängender. Bei seiner Entstehung war die 120-Millimeter-Glattrohrkanone das Non-Plus-Ultra im Panzerbau, doch heute geht ihre Ära zu Ende. Sie kann die starke Kompositpanzerung modernisierter T-Modelle nicht durchschlagen. Und noch gibt es keine konkreten Pläne, die neue – noch schwerere – 130-Millimeter-Kanone von Rheinmetall zu integrieren. Wenn das überhaupt möglich ist. (Diese Drei-Tonnen-Kanone soll Putins Panzer knacken)

Ungünstige Bedingungen für Kampfpanzer

Trotz seines überaus gelungenen Entwurfs steht der Leopard 2 beim Einsatz heute vor Herausforderungen. Die Krise des Kampfpanzers, wie man sie in der Ukraine erleben kann, trifft auch den deutschen Panzer. Die größte Einschränkung besteht darin, dass es nie zum eigentlichen Einsatzszenario gekommen ist. Gedacht war der Leopard 2 für den kurzen und extrem heftigen Zusammenprall großer Panzerarmeen im beweglichen Gefecht unter besonderer Berücksichtigung der Herausforderungen eines zurückweichenden Kampfes. Im Kalten Krieg befürchtete die NATO, dass die Truppen des Warschauer Paktes mit einem gewaltigen Angriffsschwung durch die norddeutsche Tiefebene fegen würden. Tatsächlich hat es derartige Schlachten mit der Ausnahme des Jom Kippur Krieges seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben.

Das heißt, man muss die Panzer anders einsetzen als ursprünglich gedacht. Bei dem türkischen Einmarsch in Syrien konnte man sehen, wie man es nicht machen darf. Ohne begleitende Infanterie ist der Leopard im unübersichtlichen urbanen Gelände genauso hilflos wie andere Kampfpanzer auch. Wenn der Gegner über ausgebildete und kaltblütige Panzervernichtungstrupps verfügt, können sie sich in den Trümmerlandschaften einen perfekten Angriffswinkel suchen, um einen Panzer von hinten oder seitlich zu fassen. Erwischen sie dann auch noch das vordere Munitionslager wie in Syrien, fliegt der Leopard 2 sofort in die Luft.

Gefecht in urbanen Räumen 

Der Einsatz durch die Türkei wurde als unprofessionell kritisiert. Das ist etwas voreilig: Niemand kann sich das Gefechtsfeld aussuchen. Auch im Donbass besteht die Landschaft häufig aus zersiedelten Zonen, dort verschanzt sich der Gegner, und wenn man ihn rauswerfen will, müssen die eigenen Kräfte in diese ungünstigen Räume. Genau auf diese Weise haben die Ukrainer Kiew verteidigt. Sie haben gar nicht erst probiert, die Invasionstruppen in einem für Putins Panzerverbände günstigen offen Gelände zu stoppen, sie versteiften den Widerstand in den Vororten der Hauptstadt.

In der Enge der Bebauung und bei einem Mangel an eigener Infanterie können auch schwere Kampfpanzer wie der Leopard 2 mit altertümlichen Mitteln wie der Panzerfaust 3 ausgeschaltet werden. Etwa bei seitlichen Treffern oder dem gezielten Beschuss des Laufwerks. Im urbanen Gebiet wird es außerdem buchstäblich "eng" für einen schweren Kampfpanzer – in Nebenstraßen oder bei neben der Fahrbahn aufragenden Konstruktionen kann die Besatzung wegen der Länge des Laufes nicht einmal den Turm drehen. Und wie alle anderen Panzer auch, muss der Leopard 2 sogenannte ATMG  (Anti Panzer Lenkwaffen) trotz seiner Kompositpanzerung fürchten, die ihn auf große Entwarnung hin attackieren können. Insbesondere gegen Waffen wie die Javelin, die die nur schwach gepanzerte Oberseite angreifen, hätte auch der Leopard 2 ein Problem.

Beim Einsatz in Afghanistan bewährte sich der Leopard. Doch dort profitieren die Verbündeten davon, dass die Aufständischen weder mit modernen Panzerbekämpfungsmitteln noch mit tragbaren Luftabwehrraketen beliefert worden sind. Eine gute Performance gegen einen Gegner, der nur mit RPGs ausgerüstet ist, hat für den Kampf in der Ukraine keine Bedeutung. Gegen Lenkwaffen helfen derzeit nur aktive Schutzsysteme, die die anfliegende Rakete abschießen. Doch damit werden gerade die ersten Leopard 2 ausgerüstet.

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