Im Kampf gegen die Piraten vor Afrika fordert Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ein europäisches Mandat mit einer klaren Rechtsgrundlage. "Angesichts der immer größeren Dreistigkeit der somalischen Piraten müssen wir dringend handeln", sagte auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Verteidigungsminister Jung sagte dem Blatt, im Interesse der Seesicherheit sei ein europäisches Mandat dringlich. "Es muss ein robustes Mandat sein, das zur Abschreckung beiträgt und ein wirkungsvolles Handeln ermöglicht."
Als Reaktion auf die zunehmende Piraterie vor Somalia haben mehrere Staaten Kriegschiffe in die Region entsandt. Die Bundesregierung will die geplante Militär-Mission der EU mit einer Fregatte unterstützen. Rechtliche Unklarheiten bestehen aber vor allem über die Befugnisse der deutschen Marinesoldaten - etwa, ob sie Polizeiaufgaben wie Verhaftungen übernehmen dürfen. Nach dem Grundgesetz sind die Aufgaben von Soldaten und Polizisten eindeutig getrennt. Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU) sprach sich in der "Bild am Sonntag" für einen internationalen Gerichtshof für Piraten-Vergehen aus.
Nach Auffassung des Seerechtsexperten Uwe Jenisch ist ein Einsatz von Polizisten an Bord deutscher Kriegsschiffe die derzeit beste Lösung, um ein Vorgehen gegen Piraten rechtssicher zu regeln. Seiner Meinung nach reiche dafür ein einfacher Kabinettsbeschluss, sagte der Kieler Universitätsprofessor. Jenisch verwies auf das Konzept von US-Marine und US-Küstenwache beim Kampf gegen Drogenschmuggler in der Karibik. Dabei übernähmen die zivilen Beamten der Küstenwache unter Schutz des Militärs Aufgaben wie Beweissicherung, vorläufige Festnahmen und Vernehmungen.
Bush und Medwedew gemeinsam gegen Piraten
Das internationale Seerecht gestatte Staaten generell die Verfolgung und Aburteilung von auf hoher See gefassten Seeräubern in eigener Regie, erläuterte Jenisch. Verdächtige könnten von deutschen Behörden auf der Basis des Strafgesetzbuchs angeklagt werden. Prozesse gegen mutmaßliche Piraten in deutschem Gewahrsam würden laut Jenisch voraussichtlich vor dem Hamburger Landgericht geführt werden, das für die Ahndung von Verbrechen auf hoher See zuständig sei.
Das Bundeskabinett will am 3. oder am 10. Dezember über die Beteiligung der deutschen Marine an der Bekämpfung der Piraterie entscheiden. Der Bundestag könnte dann noch vor Weihnachten darüber beschließen. Die EU startet die Mission am 8. Dezember mit fünf bis sieben Schiffen sowie Aufklärungsflugzeugen.
Angesichts der zahlreichen Überfälle auf Handelsschiffe vor der Küste des ostafrikanischen Landes vereinbarten der russische Präsident Dmitri Medwedew und US-Präsident George W. Bush am Rande des APEC-Gipfels im peruanischen Lima ein gemeinsames Vorgehen gegen die Seeräuber. Sie einigten sich darauf, im UN-Sicherheitsrat die rechtliche Grundlage einzuholen, um den gemeinsamen Waffengang zur Bekämpfung der Schiffsüberfälle zu legitimieren. Der Kampf müsse zu Wasser und an Land geführt werden, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow laut Agenturberichten vom Sonntag. Der Sicherheitsrat hatte schon im Juni andere Staaten ermächtigt, mit Kriegsschiffen und Flugzeugen gegen die Piraten vorzugehen. Nach der Resolution dürfen auch in den Hoheitsgewässern Somalias "alle Mittel zur Unterdrückung von Akten der Piraterie und bewaffneter Überfälle auf See" ergriffen werden.
Unterstützung von Islamisten
Unerwartete Unterstützung kommt dabei auch aus Somalia selbst. "Wir haben unsere Kämpfer in Stellung gebracht", sagte ein Sprecher der somalischen Islamisten der Nachrichtenagentur Reuters. Als erster Schritt sollten die Versorgungs- und Kommunikationswege zwischen den Piraten auf dem Schiff und ihren Komplizen an Land unterbrochen werden. Die Extremisten begründen ihre Angriffspläne damit, dass es sich bei dem Öltanker "Sirius Star" aus Saudi-Arabien um ein muslimisches Schiff handele.
Die Islamisten kämpfen seit fast zwei Jahren gegen die vom Westen unterstützte Regierung in Somalia. In der Frage des gekaperten Supertankers sind die Rebellen gespalten: Ein Bewohner Haradheres sagte Reuters per Telefon, eine Gruppe Islamisten sei mit den Piraten zusammengekommen und habe eine Beteiligung an einem Lösegeld gefordert. Es gebe aber noch keine Abmachung. Piraten hatten die "Sirius Star" vor einer Woche weit vor der Küste geentert. Die Verhandlungen um eine Freilassung des saudischen Supertankers "Sirius Star" dauerten am Sonntag an. Die Seeräuber hatten dem saudischen Aramco-Konzern eine Frist bis zum 30. September gesetzt, um ein Lösegeld in Höhe von 25 Millionen Dollar (20 Millionen Euro) für den mit Rohöl im Wert von mehr als 100 Millionen Dollar beladenen Tanker zu bezahlen. Das Schiff war vor acht Tagen vor der kenianischen Küste gekapert worden und liegt nun vor der nordsomalischen Stadt Haradhere vor Anker.
Lösegeld in Millionenhöhe
Die spektakuläre Entführung der "Sirius Star" gilt als die bisher größte dieser Art und hat in der Reedereibranche weltweit noch mehr Besorgnis ausgelöst. Dem ägyptischen Suez-Kanal drohen nach Einschätzung von Kreisen des Kanalbetreibers Geschäftseinbußen wegen der immer stärker um sich greifende Piraterie. Große Reedereien meiden zunehmend das Gewässer, der das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbindet. Somalische Piraten haben nach kenianischen Regierungsangaben in den vergangenen zwölf Monaten Lösegeldzahlungen von mehr als 150 Millionen Dollar (knapp 120 Millionen Euro) erhalten. Der kenianische Außenminister Moses Wetangula rief die Eigentümer gekaperter Schiffe dazu auf, künftig kein Geld mehr zu zahlen, da dies die Piraten ermutige. Das saudiarabische Außenministerium hatte am Freitag erklärt, es werde nicht mit den Piraten verhandeln. Was die Eigner der Schiffe machten, müssten sie selbst entscheiden. Allein in den vergangenen zwei Wochen wurden im Seegebiet vor Somalia acht Schiffe mit mehreren hundert Besatzungsmitgliedern entführt.
DPA/REUTERS