Aufruhr im Iran Regierung droht Mussawi

Die Spannung steigt in Teheran: Die iranische Regierung hat Oppositionsführer Mussawi mit Verhaftung gedroht, sollten die angekündigten Demonstrationen stattfinden. Die Veranstalter sagten die Kundgebung deshalb ab. Gleichzeitig sollen nun zehn Prozent der bei der umstrittenen Präsidentenwahl abgegebenen Stimmen neu ausgezählt werden.

Nach Drohungen der iranischen Führung gegen die Oppositionsbewegung ist eine für Samstagnachmittag geplante Protestdemonstration in Teheran abgesagt worden. Die dem Reformer Mir-Hussein Mussawi nahestehenden Hauptveranstalter hätten ihren Aufruf zu der vom Innenministerium verbotenen Massenkundgebung gegen den umstrittenen Wahlsieg von Präsident Mahmud Ahmadinedschad zurückgezogen, berichtete der Nachrichtensender Khabar.

Zuvor hatte die iranische Regierung Mussawi mit Verhaftung gedroht, sollten die am Samstag angekündigten Demonstrationen stattfinden. Polizeisprecher Ahmad Resa Radan sagte, falls Oppositionsanhänger wieder auf die Straßen gingen, "werden ihre Führer verhaftet".

Offen ist, ob am Nachmittag nicht trotz des Verbots und der Absage durch die reformorientierte Klerusgemeinschaft MRM wieder Hundertausende auf die Straße gehen würden.

Unterdessen hat sich im Konflikt um die Rechtmäßigkeit der iranischen Präsidentenwahl der Wächterrat des Landes dazu bereiterklärt, stichprobenartitg zehn Prozent der Stimmen neu auszuzählen. Das berichtete der staatliche Rundfunk am Samstag. Der Wächterrat besteht aus sechs Geistlichen und sechs hohen Richtern und steht Ahmadinedschad nahe.

Die beiden Zweit- und Drittplatzierten bei der umstrittenen Wahl, Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi, kamen allerdings der Einladung des Wächterrats zur Sitzung am Samstag nicht nach. Damit wollten die beiden nach Einschätzung von Beobachtern ihre bisherige Forderung nach Wiederholung der gesamten Wahl bekräftigen.

Der oberste Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, hatte am Freitag den Wahlsieg Ahmadinedschads bestätigt und der Opposition mit Konsequenzen gedroht, sollte sie die "illegalen" Demonstrationen fortsetzen. Nach der Rede Chameneis war nach Beobachtungen von Augenzeugen die Polizeipräsenz auf den Straßen in ganz Teheran massiv erhöht worden.

Bereits am vergangenen Montag hatten Hunderttausende im Zentrum Teherans demonstriert, obwohl Mussawi den Protestzug kurz vor Beginn abgesagt hatte. Bei den Protesten Anfang der Woche waren bei Zusammenstößen mit der Polizei mindestens acht Demonstranten getötet worden.

Gerüchte über eine Festnahme Mussawis bestätigten sich zunächst nicht. Ein Sprecher Mussawis sagte am Freitag, der Oppositionsführer sei nicht festgenommen worden. Er dürfe aber nicht mit Journalisten sprechen oder sich auf Kundgebungen über ein Mikrofon an die Menge wenden. Der iranische Filmemacher Mohsen Machmalbaf sagte in Paris, es sei inzwischen sogar schwer, enge Vertraute Mussawis zu erreichen.

US-Präsident Barack Obama hat die jüngste Reaktion der iranischen Führung auf die Massenproteste kritisiert und seinen Ton im iranischen Machtkampf verschärft. Er sei sehr besorgt über Inhalt und Ton einiger Äußerungen, sagte Obama am Freitag im TV-Sender CBS nach der Rede von Chamenei. Die Regierung in Teheran sollte "erkennen, dass die Welt auf sie blickt", sagte Obama dem US-Sender CBS. "Und wie sie mit den Menschen umgehen, die auf friedliche Weise versuchen, sich Gehör zu verschaffen, wird...ein ziemlich klares Signal an die internationale Gemeinschaft darüber aussenden, was der Iran ist - und nicht ist", so der US-Präsident weiter.

Bei seiner Freitagspredigt hatte Chamenei, der als oberster geistlicher Führer des Irans laut Verfassung praktisch uneingeschränkte Macht genießt, vor Zehntausenden Menschen in der Teheraner Universität die Rechtmäßigkeit der Wahl betont. Er zeigte sich lediglich dazu bereit, "einzelne" Stimmen nachzählen zu lassen. In seiner ersten öffentlichen Rede seit Beginn der Massenproteste übte Chamenei scharfe Kritik am Westen, der die Ereignisse im Iran falsch darstelle und sich einmische. Mehrfach warf er dem Westen Einmischung und eine falsche Darstellung der Ereignisse vor. Die westlichen Führer hätten in der Debatte ihre Maske fallen lassen und gegenüber dem Iran ihr wahres Gesicht gezeigt.

Bereits vor den Äußerungen Obamas hatte der US-Kongress in Resolutionen die Gewalt gegen Demonstranten und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit im Iran angeprangert. Das Repräsentantenhaus unterstütze in einer Entschließung alle iranischen Bürger, die sich zu Freiheit, Menschen- und Bürgerrechten sowie Recht und Gesetz bekennen. Der US-Senat billigte eine eigene Resolution, die vor allem die Beschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit im Iran verurteilt.

Nach Informationen der internationalen Organisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG) hat sich die Zahl der im Iran festgenommenen einheimischen Journalisten weiter erhöht. Seit Beginn der Proteste seien inzwischen 17 iranische Journalisten festgenommen worden, teilte die Organisation am Freitag in Berlin mit. Zu den bisher bekannten zwölf Fällen seien weitere fünf hinzugekommen: So seien in der Stadt Buschehr im Süden des Landes vier und in der Stadt Raschat im Norden mindestens ein Medienmitarbeiter festgenommen worden.

AP · DPA · Reuters
DPA/AP/Reuters

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