EU-Gipfel Einigung auf EU-Verfassung

Die 25 Staats- und Regierungschefs der EU haben sich zusammen mit der irischen Ratspräsidentschaft über die letzten Streitfragen in der EU-Verfassung geeinigt.

Der Text ist vorbereitet, übersetzt und wurde gegen 21.00 Uhr in einer Plenarsitzung der Staats- und Regierungschefs angenommen. So heißt es in den Delegationskreisen ain Brüssel. Der irische Europaminister Dick Roche sagte, die Einigung stehe unmittelbar bevor. Bis zuletzt hatten kleinere EU-Staaten versucht, noch weitere Zugeständnisse im Poker um das künftige Gewicht der EU-Staaten im Ministerrat zu erreichen.

Nach stundenlangen Einzelberatungen sind die Staats- und Regierungschefs der EU am Abend in Brüssel erneut in großer Runde zusammengekommen. Die irische Präsidentschaft wollte ihre Vorschläge für eine endgültige Einigung vorlegen.

Zuvor hatten Bundeskanzler Gerhard Schröder und der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende in einem Gespräch mit dem irischen Ratspräsidenten Bertie Ahern ihren Streit über den Umgang mit dem Euro-Stabilitätspakt beigelegt.

Streitpunkte: Mehrheiten und Stabilitätspakt

Die Hauptstreitpunkte bei der Verfassung waren bis zuletzt die konkrete Ausgestaltung der doppelten Mehrheit nach Anzahl der Staaten und der Bevölkerungsgröße sowie der Umgangs mit dem Stabilitätspakt.

Ob die irische Präsidentschaft nach Verabschiedung der Verfassung auch noch den Vorschlag für den nächsten EU-Kommissionspräsidenten auf die Tagesordnung setzt, war zunächst offen. Die Iren wollten das nur tun, wenn sich ein Konsens auf eine Person abzeichnete.

Kroatien ist nächster Beitrittskandidat

Die Europäische Union bleibt auch nach der größten Erweiterung ihrer Geschichte für neue Mitglieder offen. Als zweiter ehemaliger Teilstaat Jugoslawiens soll Kroatien in die EU aufgenommen werden, beschlossen die EU-Staats- und Regierungschefs am Freitag auf ihrem Gipfel in Brüssel. Die Verhandlungen sollen 2005 beginnen. Kroatien sei ein Rechtsstaat mit einer Marktwirtschaft, hieß es in einer Erklärung. Als erster ehemaliger Teil Jugoslawiens gehört seit dem 1. Mai Slowenien zur EU.

Neben den schwierigen Verhandlungen um eine erste EU-Verfassung und der komplizierten Suche nach einem neuen Kommissionspräsidenten widmeten die Staats- und Regierungschefs eine Arbeitssitzung EU- Angelegenheiten und Fragen wie der Lage im Nahen Osten.

Türkei muss noch warten

Auf einen Termin für Beitrittsverhandlungen muss die Türkei noch warten. Eine Entscheidung soll beim EU-Gipfel im Dezember fallen. Die Staats- und Regierungschefs lobten die von der Regierung in Ankara angestoßenen Reformen. Das Land mache Fortschritte, hieß es in einer Erklärung.

Die 25 Mitgliedstaaten zeigten sich zufrieden, dass die Beitrittsverhandlungen mit Bulgarien abgeschlossen seien. Bulgarien wird mit Rumänien 2007 der EU beitreten. Die EU bescheinigt der rumänischen Regierung spürbare Fortschritte bei den Verhandlungen.

EU will sich für Lösung des Nahost-Konflikts einsetzen

Unter dem Eindruck der anhaltenden Gewalt im Irak sowie im israelisch-palästinensischen Konflikt bot die EU der arabischen Welt eine faire Partnerschaft bei politischen und wirtschaftlichen Reformen an. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen eine Erklärung über eine "strategische Partnerschaft" mit den Staaten dieser Region. Es wird aber betont, dass nur von ihnen selbst angestoßene Reformen gelingen könnten. "Sie können und dürfen nicht von außen aufgezwungen werden", hieß es.

Zugleich will sich die EU weiter intensiv für eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts einsetzen. Ein "gemeinsamer Raum des Friedens, Wohlstands und Fortschritts" sei ohne eine gerechte und dauerhafte Lösung dieser Auseinandersetzung nicht zu erreichen.

Die EU bietet der irakischen Übergangsregierung, die am 30. Juni die Macht übernehmen soll, Hilfe bei der Stabilisierung des Landes an. Eine hochrangige EU-Delegation soll rasch mit der irakischen Führung zusammenkommen.

Streit um Prodi-Nachfolger

Im Streit um einen neuen EU-Ratsvorsitzenden gab es nach wie vor keine Einigung. Der irische Premierminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Bertie Ahern sagte am frühen Freitagmorgen: "Wir haben noch keinen Kandidaten gefunden." Dieser Konflikt drängte die entscheidende Debatte um die erste Verfassung für die Europäische Union in den Hintergrund. Die Gipfelrunde will bis zu diesem Freitag das EU-Grundgesetz verabschieden. Alle Teilnehmer zeigten sich zuversichtlich, eine Einigung erzielen zu können.

Als Favorit hatte zunächst Belgiens Premierminister Guy Verhofstadt gegolten. Er hat die Unterstützung von Deutschland und Frankreich. Doch dann schickte überraschend die konservative Europäische Volkspartei den EU-Außenkommissar Chris Patten ins Rennen.

Irland hatte in seinen jüngsten Vorschlägen zum EU-Grundgesetz deutliche Zugeständnisse an mittelgroße Länder wie Polen und Spanien und kleine Staaten gemacht. Polen verlangte allerdings Diplomaten zufolge weitere Nachbesserungen, um seinen Einfluss zu stärken.

Deutschland akzeptiert Kompromissvorschläge zur Verfassung

Deutschland akzeptiert nach den Worten von Regierungssprecher Bela Anda die abschließenden Kompromissvorschläge der irischen Ratspräsidentschaft zur Verfassung. "Man kann damit gut leben", sagte Anda am Freitag in Brüssel. "Im Interesse der Gesamtheit" sei Deutschland dafür, den Vorschlag der Präsidentschaft zu akzeptieren. Anda zitierte Bundeskanzler Gerhard Schröder mit den Worten: "Wir stehen an einem historischen Punkt, den man nicht ungenutzt verstreichen lassen sollte."

Zuvor hatten sich im Streit um einen neuen Präsidenten der Europäischen Kommission und die geplante EU-Verfassung die Fronten verhärtet.

Der britische Premierminister Tony Blair warnte nach Angaben seines Sprechers bei dem Treffen in Brüssel Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac davor, die Partner mit Gewalt zu einer Einigung zu bringen. "Wir arbeiten in einem Europa der 25 ... nicht der sechs oder zwei oder eines einzigen", sagte ein Sprecher Blairs am Freitag. Er warf Schröder vor, eine Einigung über die Verfassung mit dem ungelösten Streit über die Nachfolge von Kommissionspräsident Romano Prodi zu verbinden, was Schröder zurückwies. Im Verfassungsstreit ging die irische EU-Ratspräsidentschaft auf die Wünsche kleinerer und mittlerer Staaten ein. Deutschland und Frankreich wandten sich allerdings strikt gegen eine weitere Aufweichung des irischen Kompromisspapiers.

Der Blair-Sprecher kritisierte vor allem Chiracs Vorgehen bei den Gipfelberatungen: "Es war bedauerlich, dass Präsident Chirac sich entschieden hat, unsere Position anzugreifen, bevor die Verhandlungen wirklich begonnen haben." Der Sprecher sagte, die britische Regierung stimme auch nicht damit überein, dass Schröder versuche, eine Einigung über die erste europäische Verfassung für die erweiterte Union mit der Ernennung des nächsten Präsidenten der EU-Kommission zu verknüpfen.

Chirac: "Von jetzt an gibt es Grenzen"

Der französische Präsident Jacques Chirac hatte einem weiteren Aufweichen des EU-Verfassungsentwurfs auf dem Brüsseler Gipfeltreffen eine Absage erteilt.

"Von jetzt an gibt es Grenzen, die nicht mehr überschritten werden können", zitierte Chiracs Sprecherin Catherine Colonna den Präsidenten am Rande des EU-Gipfeltreffens am Freitag. "Wir werden kein weiteres Abweichen von den Vorschlägen der irischen (EU-Rats-)Präsidentschaft mehr akzeptieren." Chirac sei besorgt über den Verlauf des zweitägigen Gipfels, der praktisch die letzte Chance für die Verabschiedung der vor einem Jahr ausgearbeiteten Verfassung darstellt.

DPA
<em>mit Agenturen</em>