Umstrittene Taxonomie EU-Kommission stuft Atomkraft und Gas als klimafreundlich ein – Österreich will dagegen klagen

Klimaaktivistin Luisa Neubauer protestiert gegen ein grünes Label der EU-Kommission für Atomkraft und Gas
Klimaaktivistin Luisa Neubauer protestiert gegen ein grünes Label der EU-Kommission für Atomkraft und Gas
© Marek Majewsky / DPA
Die EU-Kommission hat ein Klima-Siegel für Atomenergie und Gas beschlossen – trotz massiver Kritik aus einzelnen Mitgliedsstaaten. Gas und Kernkraft werden demnach in die sogenannte Taxonomie-Verordnung aufgenommen.

In der Europäischen Union sollen Investitionen in neue Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Auflagen als klimafreundlich gelten. Trotz massiver Kritik nahm die Europäische Kommission am Mittwoch einen entsprechenden Rechtsakt an. Er bleibt sogar noch hinter einem ursprünglichen Entwurf zurück und lockert die Auflagen für Gaskraftwerke. Besonders Deutschland hatte darauf gepocht, die Kriterien für Gas flexibler zu gestalten. Österreich kündigte kurz darauf an, gegen die Entscheidung zu klagen.

Hintergrund der Einstufung von bestimmten Gas- und Atomprojekten als nachhaltig ist die sogenannte Taxonomie der EU. Sie soll Bürgerinnen und Anleger dazu bringen, in klimafreundliche Technologien zu investieren, um die Klimaziele der EU zu erreichen.

Scharfe Kritik an Entscheidung der EU-Kommission

Der nun angenommene Rechtsakt sieht vor, dass Investitionen in neue Gaskraftwerke bis 2030 als nachhaltig gelten, wenn sie unter anderem schmutzigere Kraftwerke ersetzen und bis 2035 komplett mit klimafreundlicheren Gasen wie Wasserstoff betrieben werden. Im ursprünglichen Entwurf war die Beimischung von klimafreundlichen Gasen schon ab 2026 vorgeschrieben. Das bedeutet, dass Gaskraftwerke nun unter Umständen länger höhere Anteile an verschmutzendem Erdgas nutzen können. Neue Atomkraftwerke sollen bis 2045 als nachhaltig klassifiziert werden, wenn ein konkreter Plan für die Endlagerung radioaktiver Abfälle ab spätestens 2050 vorliegt.

Die Pläne der Kommission wurden bereits im Vorfeld stark kritisiert. Die österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler sagte am Mittwoch, ihr Ministerium werde in den kommenden Wochen "alle rechtlichen Schritte vorbereiten" und bei einem Inkrafttreten des Kommissionsbeschlusses beim Europäischen Gerichtshof "mit einer Nichtigkeitsklage dagegen vorgehen". Der Beschluss der EU-Kommission komme einem "Greenwashing für Atom und Erdgas" gleich.

Auch Spanien, Dänemark, die Niederlande und Schweden lehnen eine nachhaltige Einstufung von Gas ab, hieß es Anfang der Woche in einem Brief an die Kommission. EU-Abgeordnete, Umweltschützer und Wissenschaftler haben immer wieder auf die klimaschädlichen CO2-Emissionen von Gas und die ungelösten Frage des radioaktiven Abfalls bei der Kernkraft hingewiesen. Auch große Anleger wie die Europäische Investmentbank und die Investorengruppe IIGCC äußerten sich kritisch.

Nachdem die Kommission den Vorschlag offiziell angenommen hat, kann er nur noch durch eine Mehrheit im EU-Parlament oder mindestens 20 EU-Länder abgelehnt werden, ansonsten tritt er automatisch in Kraft. Eine Ablehnung gilt bislang als unwahrscheinlich.

DPA
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