Der europäisch-amerikanische Streit über die Folgen der Weltwirtschaftskrise hat vor dem Gipfeltreffen der führenden Industriestaaten in Kanada neue Nahrung erhalten. Der britische Premierminister David Cameron und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bekräftigten am Freitag die europäische Forderung nach globalen Sparanstrengungen. Für eine entschlossene Haushaltskonsolidierung tritt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ein. US-Präsident Barack Obama sieht darin eine Gefahr für die Erholung der Weltwirtschaft.
Cameron schrieb in einem Meinungsbeitrag für die kanadische Zeitung "Globe and Mail", die Stabilisierung des weltweiten Aufschwungs sei fraglos die wichtigste Aufgabe der G-8- und G-20-Treffen in Kanada. "Aber ich glaube, wir müssen damit anfangen, unsere nationalen Haushalte in Ordnung zu bringen", betonte der britische Premierminister. Seine Regierung hatte erst am Dienstag ein Sparpaket vorgelegt, mit dem die öffentlichen Ausgaben um jährlich 30 Milliarden Pfund gekürzt werden sollen.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte nach seiner Ankunft in Toronto in der Nacht zum Freitag: "Es gibt keinen Raum mehr für mehr öffentliche Ausgaben." Europa werde auf den Gipfeltreffen in Kanada auf Schritte zur Wiedergewinnung des Vertrauens in die Wirtschaft pochen. "Vertrauen ist notwendig für Wachstum, Jobs und nachhaltigen Wohlstand."
Auch Gaza, Iran und Afghanistan auf G-8-Agenda
Merkel traf in der Nacht zum Freitag in Kanada ein. Nach ihrer Landung in Toronto flog die Kanzlerin weiter nach Huntsville in der Ferienregion Muskoka, wo am Mittag (Ortszeit) die Staats- und Regierungschefs der führenden Industriestaaten und Russlands zum G-8-Gipfel erwartet wurden. Themen des G-8-Gipfels sind neben Wirtschaftsfragen die Lage im Nahen Osten und insbesondere in Gaza, der Konflikt um das iranische Atomprogramm sowie die Entwicklung in Afghanistan.
Nach dem Mittagessen der Staats- und Regierungschefs war ein sogenanntes Outreach-Treffen der G-8-Gruppe mit den Regierungschefs der afrikanischen Staaten Malawi, Äthiopien, Algerien, Nigeria, Senegal und Südafrika geplant. Im Mittelpunkt steht dabei die Initiative der kanadischen G-8-Präsidentschaft, zusätzliches Geld für den Kampf gegen die Sterblichkeit von Müttern und Kindern in Entwicklungsländern zu mobilisieren. Deutschland hat weitere Hilfe zugesagt, aber noch keine konkrete Summe genannt.
Auf der Tagesordnung stand außerdem eine Begegnung der G-8-Gruppe mit den mittel- und südamerikanischen Regierungschefs aus Haiti, Kolumbien und Jamaika zusammen. Im Zentrum steht die besorgniserregende Verzahnung von Drogenhandel und Terrorismus.
Der G-8-Gipfel endet Samstagmittag (Ortszeit). Abends kommt dann in Toronto die große Runde der G-20 zusammen, die zwei Drittel der Weltbevölkerung und rund 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft repräsentiert. Merkel will dort zusammen mit Frankreich und Großbritannien für eine weltweite Bankenabgabe werben, die den Geldhäusern die Kosten künftiger Krisen zumindest teilweise aufbürdet. Gastgeber Kanada hält ein solches Instrument indes für unnötig, weil die kanadischen Banken ohne große Blessuren durch die Krise gekommen sind.
G-20 sollen G-8 teilweise ablösen
Die G-8-Gruppe besteht aus den USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Russland und Kanada. Hinzu kommen in der G-20-Runde China, Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika, Argentinien, Australien, Indonesien, Saudi-Arabien, Südkorea, die Türkei und die Europäische Union. Für die beiden Gipfeltreffen in Huntsville und Toronto hat die kanadische Regierung 19.000 Sicherheitskräfte abgestellt.