Jahrelang war George Soros das Feindbild Nummer eins der rechtspopulistischen ungarischen Regierung. Doch kaum hat der Milliardär und Philanthrop seine einflussreichen Stiftungen an seinen Sohn Alexander übergeben, richtet sich die Hetze nun gegen den 37-Jährigen – ein anschauliches Beispiel dafür, wie die Stimmungsmache der Regierungschef Viktor Orban treu ergebenen Medien funktioniert.
Der gebürtige Ungar George Soros wurde als Finanzexperte in den 1970er und 1980er-Jahren in den USA reich. Mit seinem Vermögen gründete er die Open Society Foundations (OSF), die Demokratie, gute Regierungsführung und liberale politische Initiativen fördern.
Für Rechte und Populisten ist Soros eine Hassfigur, der sie dunkle Machenschaften vorwerfen. Als Jude ist der Milliardär auch immer wieder antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Weil sich die Stiftungen für die Rechte von Flüchtlingen einsetzen, warf die ungarische Regierung Soros etwa vor, Europa mit Migranten "überschwemmen" zu wollen.
Viktor Orbans Regierung hetzt gegen Alexander Soros
"Die Regierung hat George Soros zu einer Art unumstrittenen Feind gemacht", der für alles verantwortlich sei – von der hohen Inflation bis hin zu Ungarns außenpolitischer Isolation, sagt Peter Kreko, Geschäftsführer der Denkfabrik Political Capital in Budapest, die auch von OSF unterstützt wird.
Als am Montag bekannt wurde, dass der 92-Jährige die Kontrolle über sein philanthropisches Imperium nun seinem Sohn überlässt, war Orban einer der Ersten, der die Nachricht kommentierte. Unter der Überschrift "Soros 2.0" twitterte er eine Szene aus dem Film "Der Pate", in welcher der Mafiaboss seinen Sohn küsst.

Soros habe "ein Vermögen für den Versuch ausgegeben, die Ereignisse, einschließlich Wahlergebnissen, zu beeinflussen", erklärte Regierungssprecher Zoltan Kovacs anlässlich des Führungswechsels. "Und das alles ohne demokratisches Mandat. Die Vertreter des Soros-Netzwerks wurden nie gewählt, in gewissem Sinne könnte man sagen, dass sie fast eine Mafia sind", sagte er.
Regierungsnahe Medien verbreiten Falschnachrichten
Die weiteren Reaktionen zeigen die Bandbreite und die Methoden der regierungsfreundlichen Medienlandschaft in Ungarn, in der es kaum noch unabhängige kritische Stimmen gibt. Die Website Origo veröffentlichte ein Foto, das Alexander Soros zusammen mit einem Mann zeigt, den die regierungsnahe Plattform als seinen "Lebenspartner" bezeichnete. "Die beiden umarmen sich oft und halten Händchen", schrieb Origo weiter. "Das ist offensichtlich Teil der LGBTQ-Propaganda des jungen Soros." Hirado, ein Programm des wichtigsten öffentlichen Senders, verbreitete die Behauptungen der privaten Website weiter.
Bereits 2018 hatten regierungsnahe Medien die Falschmeldung veröffentlicht, Alexander Soros sei auf der Homosexuellen-Parade Budapest Pride gesichtet worden. Thinktanks, die Orbans Fidesz-Partei nahestehen, wiederholen gern die Rhetorik der Regierung.

Tamas Fricz vom Institut Alapjogokert Központ griff in Kommentaren die Andeutungen über das Privatleben von Soros junior auf. Der Sohn werde noch "radikaler" sein als sein Vater, wenn es um "die Frage einer Weltregierung, Impfpflicht oder Abtreibung" gehe, schrieb er weiter.
"War zu erwarten, dass die Rhetorik bestehen bleibt"
Abseits der traditionellen Nachrichtenkanäle, auf die sich viele Ungarn verlassen, ist die Gruppe Megafon aus regierungsfreundlichen Autoren und Influencern auch in den sozialen Medien aktiv. Wer die Gruppe finanziert, ist unklar. Fest steht jedoch, dass Megafon Millionen Euro für politische Werbung auf Plattformen wie YouTube und Facebook ausgibt. Alexander Soros wolle "unsere Heimat zerstören", schrieb Megafon-Mitglied Daniel Deak und warnte davor, dass die Stiftungen unter der jüngeren Führung noch stärker werden könnten.
Die Berichterstattung der regierungsnahen Medien über Alexander Soros sei sehr einseitig, sagt Politikwissenschaftler Kreko. "Dass er sich auch regelmäßig mit rechtsgerichteten Politikern getroffen hat" wie dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz oder dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic, werde nicht erwähnt, sagt er.
Der Politologe rechnet nicht damit, dass mit dem Sohn fairer umgegangen wird als mit dem Vater: "Das rhetorische Kartenhaus der Regierung ist auf George Soros aufgebaut, ohne ihn würde es zusammenbrechen. Es war also zu erwarten, dass die Rhetorik auch dann bestehen bleibt, wenn Alex Soros in den Vordergrund tritt."