Krieg in der Ukraine Iran, Venezuela, Katar: Diese Länder könnten demnächst Öl und Gas in den Westen liefern

Wirtschaftsminister Habeck: "Deutschland ist von russischen Energieimporten abhängig"

Was tun ohne Öl und Gas aus Russland? Wegen des Kriegs in der Ukraine verzichten immer mehr Länder auf russische Rohstoffe. Lieferanten wie Norwegen aber können nicht mehr produzieren und so werden plötzlich wieder "Schurkenstaaten" interessant.

Der Abstecher zur Tankstelle war noch nie so teuer wie derzeit. Teilweise kostet der Liter Sprit mehr als zwei Euro, Tendenz eher steigend. Dabei hat der Preis für Rohöl, also den Ausgangsstoff für den Treibstoff, noch nicht einmal seinen historischen Höchststand erreicht. Zuletzt lag das Barrel der Nordseesorte Brent bei bis zu 139 US-Dollar. Das ist immer noch elf Dollar weniger als beim bisherigen Rekordhoch aus dem Jahr 2008. Aber sollte der Westen seine Drohungen wahr machen und Öl- und Gasimporte aus Russland wegen der Ukraine-Invasion stoppen, dürfte die Energie weiter knapp und noch teurer werden.

Man müsse loskommen von russischem Gas, Öl und von russischer Kohle, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen jüngst, die eine deutliche Verknappung des Imports von Erdgas oder Erdöl aus Russland nicht länger ausschließt. Problem dabei: Rund 40 Prozent des Gases für Europa stammt aus Russland und Gas als Energieträger ist bislang nicht oder nur schlecht zu ersetzen. Andere Lieferanten müssen also her. Wer aber kommt dafür in Frage? Wären sie überhaupt in Lage kurzfristig einzuspringen? Und mit welcher Art von Regimen haben es die Europäer dann zu tun?

Katar kann nicht viel mehr Gas liefern

Nur zwei Tage vor dem russischen Angriff auf die Ukraine hatten sich in Katars Hauptstadt Doha elf Vertreter von gasexportierenden Staaten getroffen. Angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen Russland und Ukraine und den erwartbaren Sanktionen wurde auch darüber beraten, ob die Länder als Lieferanten einspringen könnten, für den Fall, dass Russland ausfällt. Ihre ernüchternde Antwort lautet: Nein. Katar etwa wies darauf hin, dass es zunächst "bedeutende Investitionen in die Infrastruktur benötige" und dazu "langfristige Verträge mit den Europäern abschließen müsste", wie der Energieminister des Landes, Saad Sherida al Kaabi, sagte. Zudem seien bereits große Teile der Gasexporte anderweitig vergeben.

Er kündigte aber an, die Menge an verflüssigtem Erdgas, bekannt unter der Abkürzung LNG, zu erhöhen. Von jetzt 77 Million Tonnen jährlich auf 126 Million Tonnen bis 2027. Zuletzt hat ganz Europa laut dem Energiekonzern BP rund 51 Milliarden Tonnen LNG importiert. Unter anderem aus Katar und den USA. Aus Russland stammten 17,1 Milliarden Kubikmeter. Problem dabei: Für die Annahme und Aufbereitung von Flüssiggas fehlen in Deutschland entsprechende Schiffsterminals. Bisher bezieht Deutschland das LNG über Häfen in Belgien, Frankreich und den Niederlanden. Anfang März wurde bekannt, dass eine LNG-Anlage in Brunsbüttel bei Hamburg entstehen soll, auch in Wilhelmshaven wird ein Terminal gebaut. Bis die aber einsatzfähig sind, werden noch ein paar Jahre vergehen.

Norwegen "dreht bei voller Kapazität"

Norwegen ist der zweitgrößte Gaslieferant für Deutschland. Zwischen 20 und 30 Prozent stammen aus dem skandinavischen Land. Viel mehr dürfte es aber nicht mehr werden: "Wir drehen bei voller Kapazität. Wir haben keine Reserven, mit denen wir andere Dinge ersetzen könnten", sagte der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Store jüngst im ZDF. Ähnlich die Situation in den Niederlanden, aus denen rund zehn Prozent des Erdgases stammt. Die dortige Regierung will die Ausbeutung des Gasfelds in der Nähe von Groningen beenden und nicht erweitern. Grund ist die Furcht der Anwohner vor Erdbeben in der Region. Das Lieferland Algerien hat dagegen bereits angekündigt, mehr Gas über die Trans-Mediterranean-Pipeline in die EU zu pumpen.

Auch in anderen Ecken der Welt macht sich die Rohölknappheit bemerkbar. Etwa in den USA. Dort kostet die Gallone Benzin, das entspricht 3,8 Litern, mittlerweile mehr als vier Dollar. Ein Höchstpreis – obwohl die Vereinigten Staaten der größte Ölexporteur der Welt sind. Allerdings ist das heimische Produkt teurer als die Importware aus Russland, weswegen mittlerweile das vor kurzem noch Undenkbare gedacht wird: die Einfuhr von Öl aus einem fast vergessenen "Schurkenstaat": Venezuela.

Venezuela bringt sich wieder in Stellung

Das lateinamerikanische Land sitzt auf den größten Ölreserven weltweit, kann aber aufgrund von Misswirtschaft, Schulden und Sanktionen kaum davon profitieren. Die sozialistische Regierung von Präsident Nicolás Maduro wird von Washington und anderen westlichen Staaten nicht anerkannt, dennoch haben sich nun Vertreter beider Staaten getroffen und über die Energieversorgung gesprochen. Die Atmosphäre sei "respektvoll, herzlich und diplomatisch" gewesen, hieß es danach. Auch China hatte bereits die Wiederaufnahme von Ölgeschäften mit der umstrittenen Regierung in Caracas angekündigt. Venezuelas Hauptproblem aber bleibt vorerst die marode Infrastruktur zur Förderung der Rohstoffe.

Auch das mögliche Comeback eines anderen Ölriesen geht in den Wirren des Ukraine-Kriegs fast unter. Erst vor wenigen Tagen wurden offenbar erhebliche Fortschritte in den Atomverhandlungen mit dem Iran gemacht. Seit Monaten vermitteln in Wien die Vertragspartner – China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland – um den Atompakt von 2015 zu retten. Bei einer Einigung und Wiederbelebung des Abkommens könnten die US-Sanktionen gegen iranische Ölexporte aufgehoben werden. Das würde den Weg für Öl aus dem Iran ebnen. Allerdings würde das einen Wegfall der russischen Öllieferungen bei weitem nicht ausgleichen können.

Hilft nur: Am Gas sparen

Auch wenn sich wegen des Konflikts mit Russland neue Öl- und Gasquellen auftun, alle Maßnahmen werden dennoch nicht sämtliche Importe aus Osteuropa ausgleichen können. Laut der Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung wäre ein Lieferstopp zumindest bei Kohle und Rohöl denkbar, nicht jedoch beim Erdgas. Die Internationalen Energieagentur empfiehlt daher, Gasheizungen durch Wärmepumpen zu ersetzen. Auch die Stromnetze müssten sich schnellstmöglich auf verschiedene Energiequellen stützen und den Gasverbrauch verringern.

Quellen: DPA, AFP, Oilprice.comADAC, Statista, Berliner Zeitung, Al Dschasira, Tagesschau, GermanIng.com, Deutschlandfunk, ZDF

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