Irland Haushaltskrise wird zur Regierungskrise

Die irische Haushaltskrise weitet sich zu einer Regierungskrise aus: Die Grünen drohen mit Koalitionsbruch, Premierminister Brian Cowen weist Forderungen nach Rücktritt und eine Parlamentsauflösung mit anschließenden Neuwahlen zurück.

Die Haushaltskrise hat sich in Irland am Montag zu einer Regierungskrise zugespitzt. Einen Tag nach seinem Antrag auf EU-Hilfe sieht sich Premierminister Brian Cowen mit der Forderung nach einer vorgezogenen Neuwahl konfrontiert. Die Grünen, auf die der Regierungschef angewiesen ist, drohen sonst mit dem Verlassen der Koalition - und damit der politischen Lähmung des Landes. Auch in Cowens eigener Partei wächst der Widerstand gegen den Regierungschef. Cowen selbst betonte, er werde jetzt nicht aufgeben.

Vielmehr sei er entschlossen, den Nothaushalt fürs nächste Jahr durchs Parlament zu bringen und die Verhandlungen mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) erfolgreich zu beenden, sagte der Regierungschef am Abend. Er hoffe darauf, am 7. Dezember die Unterstützung des Parlaments für den neuen Haushalt zu bekommen, der das Defizit um sechs Milliarden Euro zurückschneiden soll, sagte er nach einem Treffen mit den Abgeordneten seiner konservativen Partei Fianna Fail. Er werde das Parlament nur dann für vorzeitige Neuwahlen auflösen, wenn zuvor "alle notwendigen Vorkehrungen getroffen sind, um einem sehr wichtigen Haushalt Wirkung zu verschaffen, der unbedingt verabschiedet werden muss".

Cowen: Wahlkampf würde Position Irlands schwächen

Cowen wollte nicht sagen, wann er mit einer Parlamentsauflösung rechnet. Würde man das Parlament jetzt auflösen und in einen dreiwöchigen Wahlkampf ziehen, würde dies den Rettungsplan von EU und IWF aufs Spiel setzen. "Jede weitere Verzögerung würde in der Tat die Position unseres Landes schwächen", sagte er.

Mehrere Abgeordnete aus Cowens Partei Fianna Fail hatten zuvor erklärt, hinter verschlossenen Türen gebe es eine Rebellion gegen den Premier. Ein Abgeordneter, Chris Andrews, sagte, Cowen sei als Kommunikator gescheitert und habe nicht mehr das Vertrauen der Menschen im ganzen Land. "Wir müssen daher das Land an die erste Stelle rücken", sagte Andrews. Ein weiterer Fianna-Fail-Abgeordneter, Noel O' Flynn, sagte: "Die Leute vertrauen ihm nicht mehr und glauben nicht, was er zu sagen hat. Seine Glaubwürdigkeit liegt in Trümmern."

Der Grünen-Parteichef John Gormley setzte Cowen am Montag eine Frist bis zum 7. Dezember. Dann muss der Etat 2011 und das Konsolidierungsprogramm für die kommenden vier Jahre unter Dach und Fach gebracht werden. Anschließend müsse das Parlament aufgelöst und der Weg zur Neuwahl im Januar freigemacht werden. Cowen steht in seinem Land wegen der Schuldenkrise seit Monaten unter Druck. Die vorgezogene Wahl müsse eine stabile Regierung mit breiter Mehrheit hervorbringen, sagte Gormly. "Wir haben einen Punkt erreicht, an dem die irische Bevölkerung politische Sicherheit braucht, um sie über die kommenden zwei Monate hinaus zu führen".

Bankensektor soll gesundgeschrumpft werden

Sicherheit über das beantragte Rettungspaket von Brüssel wird Cowen frühestens Ende des Monats erhalten. Dann sollen die Verhandlungen um die Konditionen, die die Euro-Partner an ihre Kredite knüpfen, nach Angaben der EU-Kommission abgeschlossen sein. "Wir werden helfen", kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin bereits an. Allerdings nicht zum Nulltarif: Außenstaatssekretär Werner Hoyer machte in Brüssel deutlich, im Gegenzug werde von Dublin neben massiven Sparmaßnahmen eine Anhebung der Körperschaftssteuer erwartet. "Die Iren werden sich einem guten Rat nicht verweigern", sagte er mit Blick auf den bisherigen Widerstand Cowens.

Die ersten Signale von den Finanzplätzen auf den irischen Rettungsantrag fielen verhalten positiv aus. Der Zinsstand für zehnjährige irische Staatsanleihen sank am Montag wieder unter die Acht-Prozent-Marke auf immer noch hohe 7,95 Prozent. Details über das Rettungspaket blieben unscharf. Der irische Finanzminister Brian Lenihan sagte, die Summe werde 100 Milliarden Euro nicht überschreiten. Beteiligen wollen sich neben der EU, dem im Frühjahr eingerichteten Stabilisierungsfonds der Euro-Partner (EFSF) und dem IWF auch die Nicht-Euro-Länder Großbritannien und Schweden.

Merkel verteidigt Hilfe

Verwendet wird das Geld vor allem zur Restrukturierung des Bankensektors, der auf die Kerngeschäfte zusammengeschmolzen werden soll. Die Anglo Irish Bank könnte laut einem Bericht der Zeitung "Die Welt" (Dienstagsausgabe) vollständig abgewickelt werden. Man sei mit den europäischen Partnern einig, dass sich die Institute auf Sparer, private Immobilien- sowie Unternehmenskredite konzentrieren müssten, sagte Lenihan in Dublin. Die Branche sei komplett von Krediten der Europäischen Zentralbank (EZB) abhängig geworden und müsse deswegen für mindestens ein Jahr an den EU-Tropf.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte die Hilfe für Irland als Beitrag zur Stabilisierung des Euro. Zugleich mahnte die CDU-Chefin nach Angaben von Teilnehmern am Montag in der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass die Hilfen an Bedingungen geknüpft werden müssen. Es gehe darum, Sünden der Vergangenheit abzuarbeiten.

Streit über Gläubigerhaftung bei künftigen Krisen

Während die Irland-Hilfe auf den Weg gebracht ist, spitzt sich der Streit über die dauerhafte Stabilisierung des Euro-Raums zu. Die beiden Rettungsschirme für Griechenland und die gesamte Währungszone werden 2013 wieder eingeklappt. Für Ärger sorgt die Berliner Forderung, an einem permanenten Krisenmechanismus für die Zeit nach 2013 Banken einzubeziehen.

Der luxemburgische Ministerpräsident und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker warnte am Montag: Wenn in der Euro-Zone als einzigem Währungsgebiet der Welt Privatgläubiger für eine Krise zahlen müssten, dann würden Investoren "einen großen Bogen" vor allem um die schwächeren Wirtschaftsräume machen. "Wir müssen das so tun, dass wir uns nicht ins eigene Knie schießen", sagte er dem Sender Deutschlandradio Kultur.

Bundesbankchef Axel Weber stellte sich hinter die Regierung und unterstützte die Mithaftung des Privatsektors: Um die Anreize für Kapitalanleger nicht zu verzerren, sollten an einem künftigen Krisenmechanismus "auch die privaten Gläubiger nicht aus der Verantwortung entlassen werden". Einzelheiten über den Mechanismus wollen die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem nächsten Gipfel am 16. Dezember festlegen.

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APN/mm