Nahost-Konflikt Joe Biden rettet Geiseldeal im letzten Moment – und am Sonntag sollen wieder Menschen freikommen

BIden am Telefon
Nach einem Anruf von US-Präsident Joe Biden, lenkte die Hamas in Sachen Geiselbefreiung ein.
© Chris Kleponis/CNP/MediaPunch / Action Press
Fast wäre die Freilassung von weiteren Hamas-Geiseln in letzter Sekunde gescheitert. Doch dann griff der US-Präsident persönlich ein. Und im Laufe des Sonntags soll bereits der nächste Schwung an Gefangenen freikommen. 

Jetzt geht es plötzlich Schlag auf Schlag: Nach der Freilassung einer zweiten Gruppe von Geiseln der islamistischen Hamas im Austausch gegen palästinensische Häftlinge sollen an diesem Sonntag weitere Gefangene aus dem Gazastreifen freikommen. Man habe eine Liste mit den Namen weiterer Geiseln erhalten, die am Sonntag freikommen sollen. Das teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit. Unklar ist, um wie viele Geiseln es sich handelt. 

Totgeglaubtes Mädchen ist wieder frei

Am Samstagabend hatte das Rote Kreuz 13 Israelis und vier thailändische Staatsbürger aus dem Gazastreifen ins benachbarte Ägypten gebracht. Darunter befinden sich auch vier deutsche Doppelstaatler sowie das zunächst für tot gehaltene, neunjährige irische Mädchen Emily. "Wir finden keine Worte, um unsere Gefühle nach 50 schwierigen und komplizierten Tagen zu beschreiben. Wir sind überglücklich, Emily wieder in die Arme schließen zu können", erklärte die Familie. Emily Hand war während ihrer Geiselhaft neun Jahre alt geworden.

Nur wenige Stunden vor der Freilassung der Gruppe hatte die Hamas eine Übergabe in letzter Minute überraschend gestoppt. Als Grund nannte die Terrororganisation, dass Israel aus ihrer Sicht gegen einen Teil des Geisel-Deals verstoßen habe. Sie warf dem Land unter anderem vor, nicht ausreichend Hilfslieferungen in den nördlichen Teil des Gazastreifens ermöglicht zu haben. Israel wies das zurück und drohte mit einer Aufkündigung des Abkommens.

Am Ende lenkte die Hamas ein

US-Präsident Joe Biden schaltete sich daraufhin persönlich ein, wie eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der US-Regierung auf Anfrage mitteilte. Der 81-Jährige habe unmittelbar mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad al Thani, telefoniert. Am Ende lenkte die Hamas nach Einschreiten Katars am späten Samstagabend ein.

Bei den vier freigekommenen Deutschen handelt es sich nach Angaben ihrer Familien um eine 67-jährige Frau sowie ihre 38-jährige Tochter und deren Kinder im Alter von 3 und 8 Jahren. "Ich denke an sie und an die, die noch in den Händen der Hamas sind. Wir arbeiten mit aller Kraft daran, dass auch sie bald in Freiheit sind", schrieb Außenministerin Annalena Baerbock auf der Plattform X, früher Twitter. Bereits am Freitag waren vier Deutsch-Israelis als Teil einer Gruppe von 24 Geiseln freigekommen.

Wird die Feuerpause verlängert?

Damit befinden sich noch rund 200 Geiseln in den Händen der Hamas. Die zur Zeit andauernde Kampfpause soll mindestens vier Tage halten. Gemäß der Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas sollen in der Zeit insgesamt 50 Geiseln freigelassen werden. Eine Verlängerung der Feuerpause auf bis zu zehn Tage ist möglich, wie das im Konflikt vermittelnde Golfemirat Katar mitteilte.

Man hoffe, dass der Schwung, der durch die Freilassungen der beiden vergangenen Tage und der vereinbarten Feuerpause entstanden sei, "es uns ermöglicht, die Feuerpause über diese vier Tage hinaus zu verlängern und somit ernsthaftere Gespräche über die restlichen Geiseln zu führen", sagte der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Majed al Ansari, dem US-Fernsehsender CNN.

Freie Palästinenser von Menge bejubelt

Katar werde außerdem mit Partnern in Ägypten, den USA und beiden Konfliktparteien zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die vereinbarte Menge an Hilfslieferungen in den Gazastreifen gelangen kann, sagte al Ansari dem Sender weiter. Medienberichten zufolge sehe der Deal vor, dass 300 Lastwagen mit Lebensmitteln, medizinischen Gütern und Treibstoff nach Gaza einfahren dürfen.

Unterdessen wurden auf den Straßen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem 39 palästinensische Häftlinge, die Israel im Gegenzug aus Gefängnissen entlassen hatte, von Menschenmengen mit Jubel begrüßt. Dabei wurden Hamas-Fahnen geschwenkt, wie die Zeitung "The Times of Israel" berichtete und ein entsprechendes Video verlinkte.

"Eine Schande, dass wir sie freilassen"

Die freigelassenen palästinensischen Häftlinge seien wegen terroristischer Straftaten verurteilt oder angeklagt worden, sagte der israelische Armeesprecher Doron Spielman. Dass sie sich unter den Fahnen der Hamas feiern ließen, zeige, um was für Menschen es sich handele. "Es ist eine Schande, dass wir sie freilassen", so der Armeesprecher weiter.

Palästinensischen Medien zufolge handelt es sich bei den Freigelassenen um sechs Frauen sowie 33 männliche Jugendliche unter 19 Jahren. Am Samstagabend hatten Dutzende auf die Freilassung vor einem israelischen Gefängnis nördlich von Jerusalem gewartet.

Palästinensischen Angaben zufolge waren israelische Soldaten gegen die Wartenden mit Tränengas und Gummigeschossen vorgegangen. Laut Sanitätern wurden vier Menschen verletzt. Laut der "Times of Israel" ist unter den Freigelassenen eine 38-Jährige, die 2015 an einem Kontrollpunkt im Westjordanland eine Gasflasche in ihrem Auto zur Explosion gebracht und dabei einen Polizeibeamten verletzt habe.

DPA
nik