Konflikt in Nahost Israel wägt Reaktion nach Angriff des Iran ab – EU diskutiert neue Sanktionen gegen Teheran

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu (M) betonte, auf den Angriff des Irans müsse eine kluge Reaktion folgen
Das israelische Sicherheitskabinett tagt, hier eine Aufnahme vom 14. April. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu (M) betonte, auf den Angriff des Irans müsse eine kluge Reaktion folgen.
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Israel will den iranischen Großangriff nicht unbeantwortet lassen. Noch wurde über eine Antwort nicht entschieden. Derweil drohen dem Iran auch von anderer Seite Konsequenzen. Und China schaltet sich in den Konflikt ein.

Israel will den Iran für dessen Drohnen- und Raketenangriff bestrafen, ohne internationalen Rückhalt zu verlieren. Man wäge die weiteren Schritte ab, sagte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi am Montag. Auf einen Angriff mit so vielen Raketen auf Israel werde eine Reaktion folgen. Zugleich fügte Halevi hinzu: "Der Angriff des Irans hat neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit im Nahen Osten geschaffen. Wir bewerten die Lage und halten uns auf höchstem Niveau bereit." 

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte einem Bericht des israelischen Rundfunksenders Kan zufolge bei einem Treffen mit Ministern seiner Likud-Partei, auf den Angriff des Irans müsse eine kluge Reaktion folgen. Der Iran solle nervös warten müssen, wann die Gegenreaktion erfolge, so wie es Israel vor dem Angriff am späten Samstagabend ergangen sei.

Am Montag war erneut das israelische Kriegskabinett zusammengetreten. Eine offizielle Stellungnahme zu Ergebnissen des Treffens gab es zunächst nicht. Der Fernsehsender Channel 12 berichtete ohne Angabe von Quellen, es seien verschiedene Szenarien erörtert worden, wie auf den iranischen Großangriff reagiert werden könne. Israels Ziel ist es demnach, dem Iran zu schaden, ohne einen umfassenden Krieg auszulösen.

USA will sich nicht an Reaktion Israels beteiligen

Die US-Regierung wollte sich nicht öffentlich zu einem möglichen Gegenschlag Israels äußern. "Wir werden den Israelis das Wort überlassen", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Montag. Die USA seien nicht an dem Entscheidungsprozess beteiligt. 

Israels Militär hatte bei der erfolgreichen Abwehr des iranischen Angriffs Unterstützung der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens bekommen. Die USA bekräftigten nach dem Angriff auch ihr "eisernes Bekenntnis" zu Israels Sicherheit. Allerdings will sich Washington an einem möglichen Vergeltungsschlag nicht beteiligen und dringt wie andere Verbündete auf eine Deeskalation. Auf die Frage, ob die USA besorgt seien, dass ein israelischer Vergeltungsschlag amerikanische Streitkräfte in der Region gefährden könne und die USA sich deshalb nicht beteiligen wollten, erklärte Pentagon-Sprecher Pat Ryder am Montag, es liege an Israel, zu entscheiden, ob es auf den Angriff reagieren werde oder nicht.

Der iranische Angriff habe gezeigt, wie wichtig Israels Beziehungen zu den USA wie auch zu anderen Partnern seien, schrieb das "Wall Street Journal" am Montag. Analysten zufolge werde dies wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt sein, wenn Israel – das vorher wegen seines harten Vorgehens im Gaza-Krieg zunehmend isoliert war – seinen nächsten Schritt abwäge. Auch die Kriegsziele im Kampf gegen die mit dem Iran verbündete Hamas im Gazastreifen dürften demnach Teil der Kalkulationen Israels sein, einschließlich der geplanten Offensive gegen die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt Rafah im Süden des abgeriegelten Küstengebiets.

EU erwägt neue Sanktionen gegen den Iran

In der EU werden unterdessen mögliche neue Sanktionen gegen den Iran erwogen. Wie mehrere Diplomaten am Montagabend nach Gesprächen von Vertretern der Mitgliedstaaten in Brüssel sagten, dürfte das Thema an diesem Dienstag bei einer Videoschalte der Außenminister auf den Tisch kommen. Neue Strafmaßnahmen könnten demnach über eine Sanktionsregelung verhängt werden, die nach dem Beginn der iranischen Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine durch Drohnenlieferungen eingerichtet wurde. Über sie wurde bislang unter anderem die Ausfuhr von Bauteilen in den Iran verboten, die für den Bau und die Produktion von Drohnen verwendet werden. Zudem sind auch Personen und Organisationen von Strafmaßnahmen betroffen.

Gegen neue scharfe Sanktionen könnte laut Diplomaten allerdings das Risiko einer Eskalation sprechen. So will der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell weiter versuchen, den Iran dazu bewegen, wieder ein Abkommen zur Einschränkung seines Nuklearprogramms einzuhalten. Es soll verhindern, dass der Iran eine Atombombe baut. Bei der wegen des iranischen Angriffs auf Israel einberufenen Videokonferenz am Dienstag soll grundsätzlich darüber gesprochen werden, wie die Europäische Union zu einer Deeskalation in der Region beitragen kann. 

Peking telefoniert mit Teheran und Riad

Chinas Außenminister Wang Yi hat chinesischen Staatsmedien zufolge mit seinem iranischen Kollegen Hossein Amir-Abdollahian telefoniert. Der iranische Außenminister habe dabei gesagt, dass sein Land bereit sei, Zurückhaltung zu üben, berichtete die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Dienstag. Der Iran habe nicht die Absicht, die Spannungen zu verschärfen. Die aktuelle Situation in der Region sei sehr heikel.

Wie Xinhua berichtete, legte Amir-Abdollahian die Position Teherans zu dem tödlichen Angriff auf ein iranisches Konsulargebäude in der syrischen Hauptstadt Damaskus Anfang des Monats dar, der Israel zugeschrieben wird. Amir-Abdollahian habe zu Wang gesagt, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen keine notwendige Antwort auf diesen Angriff gegeben habe, meldete die Nachrichtenagentur weiter. Der Iran habe das Recht auf Selbstverteidigung als Antwort auf die Verletzung seiner Souveränität.

Militärvideos zeigen Drohnenabschüsse aus Pilotensicht
Militärvideos zeigen Drohnenabschüsse aus Pilotensicht
© n-tv
Militärvideos zeigen Abschüsse iranischer Drohnen aus Pilotensicht

Wang sagte laut Xinhua, China verurteile den Angriff auf das iranische Konsulargebäude aufs Schärfste und lehne ihn entschieden ab. Die Volksrepublik betrachte ihn als schwerwiegende Verletzung des Völkerrechts und als "inakzeptabel".

Vom Außenministerium in Teheran hieß es, Amir-Abdollahian habe Wang über die "legitimen" Maßnahmen des Irans als Reaktion auf den Angriff in Damaskus informiert und das Weiße Haus "gewarnt", dass weitere Angriffe auf die Interessen oder die Sicherheit des Irans eine "entschlossene, sofortige und umfassende" Antwort nach sich ziehen würden.

Chinas Außenminister Wang führte Xinhua zufolge am Montag auch Gespräche mit seinem saudiarabischen Kollegen. Die beiden Außenminister hätten vereinbart, zusammenzuarbeiten, um eine weitere Eskalation im Nahen Osten zu verhindern.

AFP · DPA
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