Unmittelbar vor dem Polen-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der verbale Schlagabtausch beider Seiten an Schärfe zugenommen. In Deutschland gebe es "eine zu geringe Kenntnis des polnischen Partners", kritisierte der neue Beauftragte für die polnisch-deutschen Beziehungen, Mariusz Muszynski, in der "Berliner Zeitung" vom Donnerstag. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, warf den polnischen Regierungsparteien erneut extremistische Strömungen vor.
Vorwurf: Keine Polen-freundliche Politik
Muszynski kritisierte, man habe es auf der deutschen Seite mit einer "nationalen, in ihrem Wesen egoistischen und dadurch Polen nicht gerade freundlich gesinnten Politik zu tun". Als Beispiel führte er das deutsche Vorgehen bei der geplanten deutsch-russischen Gas-Pipeline durch die Ostsee an. Der Regierungsbeauftragte forderte zudem eine neue deutsch-polnische Erklärung gegen die so genannte Preußische Treuhand. Die private Organisation will Entschädigungsansprüche für Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg geltend machen. Die Bundesregierung hat sich wiederholt von der ultra-konservativen Gruppierung distanziert.
Steinbach sagte der "Welt" (Freitagausgabe), extremistische Strömungen in den polnischen Regierungsparteien belasteten die Beziehungen beider Länder stark. Dabei bezog sie sich auf die Liga Polnischer Familien des stellvertretenden Ministerpräsidenten Roman Giertych und die Partei Recht und Gerechtigkeit von Präsident Lech Kaczynski und Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski. Die Zusammenarbeit dieser Parteien sei "ein sehr beunruhigendes Konglomerat". Wichtige Funktionsträger der Parteien wüteten gegen Homosexuelle und behaupteten, Juden unterschieden sich "biologisch" vom Rest der Menschheit, wurde Steinbach weiter zitiert.
"Repressiv nach unten regiert"
Derartige Positionen würden in Deutschland allenfalls von rechtsradikalen Parteien vertreten. In Polen werde zudem "sehr repressiv von oben nach unten regiert", sagte Steinbach. "Die Regierung schürt zudem Angst vor Deutschland und unterläuft den deutsch-polnischen Jugendaustausch." Darunter litten die bilateralen Beziehungen. "Ich hoffe sehr, dass der jetzige Zustand nicht von Dauer ist".
Bundeskanzlerin Merkel reist am Freitag zum zweiten Mal in ihrer Amtszeit nach Polen. Dort trifft sie den Ministerpräsidenten und den Präsidenten, die Zwillingsbrüder Kaczynski. Schon vergangene Woche hatte Steinbach die polnischen Regierungsparteien mit der deutschen rechtsextremen NPD gleichgesetzt, was ihr eine Rüge von Merkel eintrug. Die Kanzlerin ließ danach über einen Sprecher ankündigen, sie werde in Polen "einfühlsam" auf Steinbachs Äußerungen reagieren.