Nach den Midterms Blauer Senat, rotes Repräsentantenhaus: Was man von einem geteilten Kongress erwarten kann

Kevin McCarthy (rechts) und Nancy Pelosi (links)
Der Republikaner Kevin McCarthy (rechts) gilt als Favorit für die Nachfolge von Nancy Pelosi (links) als Vorsitzender des Repräsentantenhauses 
© Ron Sachs / Picture Alliance
Nach den Midterms ist der US-amerikanische Kongress geteilt. Während der Senat in der Hand der Demokraten bleibt, konnten die Republikaner das Repräsentantenhaus zurückgewinnen. Die kommenden zwei Jahre dürften daher von Stillstand geprägt sein.

Die Republikaner haben US-Medien zufolge die Kontrolle über das Repräsentantenhaus errungen, im Senat hatten bei den Zwischenwahlen zum Kongress Bidens Demokraten ihre Mehrheit verteidigt. Der Kongress ist damit künftig zwischen Republikanern und Demokraten gespalten. Laut Prognosen der großen US-Fernsehsender stellen die Republikaner künftig mindestens 218 der 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus und damit die Mehrheit. Ihr Sieg fiel jedoch weniger deutlich aus als von der Partei erhofft. Die Wahlen zur Hälfte der Amtszeit eines US-Präsidenten von den Wählern werden traditionell genutzt, um die Partei des Präsidenten abzustrafen. Die Republikaner hatten angesichts der hohen Inflation und schlechter Umfragewerte für Biden auf eine sogenannte "rote Welle" gesetzt. Sollten sich die Fernseh-Hochrechnungen bestätigen, erzielten Bidens Demokraten das beste Ergebnis für die Partei eines amtierenden Präsidenten bei einer Zwischenwahl seit mehr als 20 Jahren.

Die beiden Kammern des amerikanischen Parlaments haben unterschiedliche Aufgaben. Das Repräsentantenhaus ist vergleichbar mit dem deutschen Bundestag. Die 435 Abgeordneten werden alle zwei Jahre von den Bürgern für ihren jeweiligen Wahlkreis neu gewählt. Sie stimmen über Gesetze ab und haben eine Kontrollfunktion gegenüber dem Präsidenten. Diesbezüglich können sie auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen das Staatsoberhaupt einleiten. Im Senat sitzen lediglich 100 Mitglieder, zwei aus allen 50 Bundesstaaten. Dabei ist es egal, wie groß die Bundesstaaten sind und wieviele Menschen in ihnen leben. Ähnlich wie im Bundesrat vertreten die Senatoren die Interessen der Bundesstaaten. Anders als in Deutschland werden auch hier die Mitglieder direkt gewählt. Die Kammer hat deutlich mehr Aufgaben als ihr deutsches Pendant. Der Senat kontrolliert ebenfalls den Präsidenten, stimmt über die Ernennung von Ministern und hohen Richtern ab und ratifiziert internationale Verträge. Damit ein Gesetz in Kraft gesetzt wird, müssen beide Kammern den Entwurf in identischer Fassung verabschieden.

Kevin McCarthy wird wohl Vorsitzender im Repräsentantenhaus

Biden gratulierte dem Anführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, und erklärte sich zur Zusammenarbeit "im Dienst des amerikanischen Volks" bereit. Die Kongress-Zwischenwahlen in der vergangenen Woche bezeichnete der Präsident als "starke Zurückweisung von Wahl-Leugnern, politischer Gewalt und Einschüchterung". McCarthy schrieb im Onlinedienst Twitter, die US-Bürger seien bereit für eine Richtungsänderung, "und die Republikaner im Repräsentantenhaus sind bereit zu liefern".

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Der 57-jährige Abgeordnete aus Kalifornien könnte im Januar zum neuen Vorsitzenden der Kongresskammer gewählt werden und damit Nancy Pelosi an der Spitze des Repräsentantenhauses ablösen. McCarthy ist unter der Trump Regierung deutlich nach rechts gerückt. Trotzdem könnte ihm der "Freedom Caucus", ein rechtsextremer Flügel der Partei, einen Strich durch die Rechnung machen. Die Gruppierung sprach sich für Andy Biggs aus Arizona als Kandidaten aus. Die bisherige Vorsitzende Pelosi wiederum betonte, die Demokraten würden angesichts der schwachen Mehrheit der Republikaner "weiterhin eine führende Rolle bei der Unterstützung des Programms des Präsidenten" spielen.

Die schwache Mehrheit dürfte allerdings nicht nur für die Demokraten von Vorteil sein, sondern auch für die extreme Gruppierung der republikanischen Partei. Auch wenn er nicht den größte Teil der Fraktion ausmacht, besitzt der "Freedom Caucus" mehr Macht als die Zahlen vermuten lassen. Viele seiner Anhänger lehnen jegliche Forme von staatlicher Intervention ab. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Wiedergutmachung der aus ihrer Sicht gestohlenen Wahl 2020. Statt die Legislative mitzugestalten, werden die Abgeordneten wohl hauptsächlich Demokraten das Leben schwer machen wollen. Allerdings könnten sie auch republikanische Vorhaben verhindern. 

Was sich durch ein republikanisches Repräsentantenhaus ändert

Mit einem zwischen Demokraten und Republikanern gespaltenen Kongress kann Biden künftig keine großen Gesetzesprojekte mehr durchbringen. Dies betrifft auch zusätzliche finanzielle Hilfen für die Ukraine im Krieg gegen Russland. Die rechtsextreme Abgeordnete Marjorie Taylor Greene verkündete im Wahlkampf die Ukraine würde "keinen Penny mehr sehen", sobald die Republikaner an die Macht gekommen sind.

Auf der anderen Seite können die Republikaner ohne Senatsmehrheit auch keine Gesetze etwa zur Abtreibung oder zum Recht auf Waffentragen durch den Kongress bringen. Im Vorfeld der Wahl hatten die Republikaner darüber hinaus damit gedroht, mehrere unter Biden verabschiedete Gesetze rückgängig machen zu wollen. So wollten sie unter anderem die Finanzierung der Steuerbehörde beschränken und den Grenzschutz zu Mexiko ausbauen, um illegale Migration zu bekämpfen. Zudem machten viele republikanischen Kandidaten Wahlkampf mit der Idee einer "Parents Bill of Rights". Eltern sollten einen größeren Einfluss auf die Lerninhalte ihrer Kinder an staatlichen Schulen bekommen, um kritische Aufarbeitung von Rassismus und Diskriminierung zu verhindern. All diese Vorschläge dürften im demokratischen Senat keine Chance haben. 

Trotzdem sind die Republikaner nicht komplett handelsunfähig. Mit der nun errungenen Mehrheit im Repräsentantenhaus könnten sie parlamentarische Untersuchungen gegen den Präsidenten oder seine Vertrauten anstoßen, etwa wegen des chaotischen Abzugs aus Afghanistan. Auch die internationalen Geschäfte von Hunter Biden sollen näher unter die Lupe genommen werden. Einige extreme Abgeordnete haben zudem verlauten lassen, den Präsidenten eines Amtenthebungsverfahrens unterziehen zu wollen. Als Begründung gilt für sie die Gefährdung der nationalen Sicherheit durch die Migration an der Grenze zu Mexiko. Laut der "New York Times"-Autorin Julie Hirschfied Davis ist ein solches Verfahren höchst unwahrscheinlich. Allerdings könnte die öffentliche Diskussion, den Präsidenten weiter schwächen.

Demokraten wollen Richter und Regierungsvertreter ernennen

Während den zwei Jahren seiner Amtszeit verabschiedete Joe Biden viele seiner Gesetze, darunter auch die weitreichenden Investitionen in die nationale Infrastruktur, mit zusätzlichen Stimmen einiger republikanischer Abgeordneter. Diese Zeiten dürften nun vorbei sein. Die Mehrheit im Repräsentantenhaus will Biden vor den Präsidentschaftswahlen 2024 keine weiteren Erfolge zugestehen. Biden könnte nun häufiger zur Executive Order greifen. Diese Regelung bevollmächtigt den Präsidenten Diskrete zu erlassen, bis sie ein Gericht oder ein andere Präsident einkassiert. Bisher nutze Biden die Verordnung vor allem um die kontroversesten Entscheidung von Donald Trump zu stoppen, darunter die Finanzierung einer Mauer an der Grenze zu Mexiko. Auch die Ernennung von Richtern, Botschaftern oder Regierungsvertretern können die Republikaner nicht blockieren. Diese Prozesse dürften daher die kommenden zwei Jahre in Washington D.C. prägen. 

Bis zur offiziellen ersten Sitzungswoche der neugewählten Kammern könnte die US-Politik noch einmal Fahrt aufnehmen. Durch das Ende von Amtszeiten und ungeklärte Verhältnisse sind die Sitzungen zwischen der Wahl und Neubesetzung eigentlich als "Lame-Duck Sessions" bekannt, in denen kaum etwas passiert. In diesem Jahr könnten sie für viele Menschen allerdings sehr bedeutend sein. Noch in den kommenden Tagen wollen die Demokraten und einige Republikaner den "Respect for Marriage Act" verabschieden. Das Gesetz würde dafür sorgen, dass gleichgeschlechtliche Ehen national anerkannt bleiben, selbst wenn der Supreme Court Bundesstaaten das Recht einräumen sollte, diese wieder zu verbieten. 

Quellen: New York Times, Guardian, mit Material der dpa

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