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Reaktionen auf Ostukraine-Wahl "Eine Farce vor den Mündungen von Gewehrläufen"

Die Fronten sind nach der Wahl in der Ostukraine klar: Der Westen verurteilt den Urnengang einhellig, nur in Moskau spricht man von einem "anzuerkennenden Wählerwillen". Die Reaktionen im Überblick.

Es kam, wie es kommen musste: Aus den Wahlen in der Ostukraine ist Rebellenkommandeur Alexander Sachartschenko wie erwartet als Sieger hervorgegangen. Der Regierungschef der von Separatisten ausgerufenen Volksrepublik Donezk erhielt Nachwahlbefragungen zufolge mehr als 81 Prozent der Stimmen. Die Rebellen wollen mit den Wahlen ihre Unabhängigkeit von der prowestlichen Regierung in Kiew demonstrieren und ihre Macht festigen. Bereits zuvor war ausgemacht, dass der 38-jährige Sachartschenko gewinnt. Er ist Regierungschef der Volksrepublik Donezk. Seine Widersacher, die ebenfalls Separatisten sind, traten in der Öffentlichkeit kaum auf.

Die Wahl dürfte die Spannungen zwischen der Ukraine und Russland erhöhen. Die übrige Ukraine hatte vor einer Woche das Parlament gewählt. Dabei gingen die proeuropäischen Kräfte von Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und Regierungschef Arseni Jazenjuk als Sieger hervor. In den von den Separatisten kontrollierten Wahlkreisen im Osten war eine Abstimmung wie auch auf der von Russland annektierten Krim nicht möglich.

Die Reaktionen auf den Urnengang fallen einhellig aus: Der Westen verurteilt ihn einhellig, Russland nicht, wie ein Überblick zeigt:

Petro Poroschenko, Präsident der Ukraine

"Diese Pseudowahlen in einigen Kreisen der Gebiete Donezk und Lugansk gefährden den Friedensprozess. Es ist eine Farce vor den Mündungen von Panzerrohren und Gewehrläufen, die heute die beiden Terrororganisationen in Teilen des Donbass aufgeführt haben. Es ist ein furchtbares Ereignis, das nichts gemein hat mit einer wirklichen Willensäußerung."

Federica Mogherini, EU-Außenbeauftragte

"Die Wahlen sind illegal, sie behindern den Friedensprozess, die Europäische Union wird sie nicht anerkennen."

Russisches Außenministerium, Moskau

"Wir werden die Ergebnisse der Wahlen in den von prorussischen Separatisten kontrollierten Regionen anerkennen. Die Wahlen sind in Ruhe und mit einer hohen Beteiligung abgehalten worden. Die gewählten Volksvertreter haben den Auftrag erhalten, die praktischen Probleme in der Ostukraine zu lösen. Wir erwarten von der ukrainischen Führung eine normale und vernünftige Vorgehensweise."

"Pravda", slowakische Tageszeitung

"Unabhängig davon, was man sich über das heutige Kiew denken mag, hatten diese sogenannten Wahlen im Donbass nur ein Ziel: Die dortigen Bewohner noch tiefer in ein Abenteuer zu ziehen, das schon mindestens 3700 Menschenleben kostete. Nicht einmal die Organisatoren selbst bemühten sich um den Schein der Regularität. Sie sollten nämlich gar nicht der Feststellung eines politischen Willens der Bevölkerung dienen, sondern nur einen Vorwand liefern, diesen unsinnigen Krieg weiter fortsetzen zu können."

"De Telegraaf", niederländische Zeitung

"Dass Kiew nicht in der Lage war, diese Farce zu verhindern, zeigt die Machtlosigkeit der ukrainischen Regierung. Dies waren Pseudowahlen, die nur ein einziges Ziel hatten: die von den Separatisten ausgerufene "Unabhängigkeit" und die darauffolgende Anerkennung durch Russland. Moskau dürfte anschließend sehr gern einer Bitte um militärischen Beistand nachkommen. Dies ist das Resultat der Machenschaften des früheren KGB-Agenten Wladimir Putin, der sich zuvor bereits die Krim einverleibt hatte. Die ersten russischen Militärfahrzeuge sind schon am Wochenende wieder über die Grenze gerollt. Ein unheilvolles Zeichen."

Frank-Walter Steinmeier, Bundesaußenminister

"Ich hoffe, dass Russland jenseits der öffentlichen Erklärungen nichts unternimmt, um das Wahlergebnis zum Anlass zu nehmen, die Separatisten in der Ostukraine zu ermuntern, ihren Weg in die Unabhängigkeit tatsächlich fortzusetzen. Wir werden Russland an den Aussagen messen, die auch Präsident Putin in Mailand wiederholt hat: dass er zur Einheit der Ukraine steht und dass Russland diese Einheit nicht infrage stellen wird."

"Tageszeitung", Berlin

"Die Kritik an den Wahlen erinnert an die Kritik an den russischen Hilfsgütern. Es gibt gute Gründe, die russische Ukrainepolitik zu kritisieren, die mit für die Eskalation in der Region verantwortlich ist. Doch warum muss man ausgerechnet die russischen Hilfstransporte für eine Bevölkerung kritisieren, die von Kiew schon lange keine Rente mehr erhält und deren Rentner gezwungen sind, sich über die Front in eine von Kiew kontrollierte Stadt durchzuschlagen, um dort ihre Rente abzuholen?"

"Neue Osnabrücker Zeitung", Osnabrück

"Die Zielsetzung von Russlands Präsident Wladimir Putin ist klar: Nach der Eroberung der Regionen von Lugansk und Donezk durch russlandtreue Milizen sollen diese Gebiete nun endgültig politisch von Kiew unabhängig werden. Noch scheut sich der Kreml, offen Gebietsansprüche auf die umkämpften Regionen zu erheben. Gleichwohl schafft Putin ungeachtet der Wirtschaftssanktionen der USA und der EU im Osten der Ukraine politische und militärische Fakten. In Lugansk und Donezk hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nichts zu melden. Letztlich zählen dort nur die Anweisungen aus Moskau. Damit läuft es in diesem unsäglichen und an den Kalten Krieg erinnernden Machtkampf auf ein Patt zwischen Russland und dem Westen hinaus, der seinen Einfluss auf Kiew ausgeweitet hat."

Andreas Schockenhoff, Vizefraktionschef der Union

"Es gab eine geringe Wahlbeteiligung, es gab keine Wählerlisten, Menschen sind mehrfach wählen gegangen oder wählen geschickt worden. Es ist einfach eine Provokation. Es ist klar, dass man diese Wahl nicht anerkennen kann."

Knut Fleckenstein, SPD-EU-Parlamentarier

"Eine Volksrepublik, die es nicht gibt, kann auch kein Staatsoberhaupt wählen. Aber auch wenn der Westen die Wahlen in der Ostukraine nicht anerkennt, muss Kiew mit den dortigen Anführern reden. Es gibt eine große Gruppe von Menschen russischer Herkunft, die die Westorientierung Kiews mit großer Skepsis beobachten. Diese Menschen müssen glaubhaft überzeugt werden, dass sie nicht die Verlierer dieses Prozesses sind."

"Rheinische Post", Düsseldorf

"Die Pseudo-Wahlen in der Ostukraine treiben die Spaltung des Landes weiter voran. Nur eine Woche ist es her, dass eine Mehrheit der ukrainischen Wähler bei der Parlamentswahl ein eindeutiges Votum für den pro-europäischen Kurs ihres Landes abgegeben hat. Nur auf der von Russland besetzten Krim und in den Rebellenhochburgen Donezk und Lugansk konnte die Abstimmung nicht stattfinden. Nun wollen die prorussischen Separatisten den von ihnen kontrollierten Gebilden mit einer 'nationalen Wahl' einen Anstrich von Legitimität geben. Damit driftet die Ostukraine noch weiter vom Rest des Landes ab. Die Separatisten wären nichts ohne die Unterstützung Moskaus. Der Kreml hilft ihnen materiell, militärisch und politisch. Die russische Führung will mit allen Mitteln verhindern, dass der westliche und prodemokratische Kurs der Ukraine ein Erfolg wird. So torpediert Moskau mit seiner Anerkennung dieser Wahlen das Minsker Abkommen. Es verbaut damit auch die Chance auf eine Aussöhnung zwischen Kiew und den abtrünnigen Regionen im Osten."

nik/DPA/AFP/Reuters DPA Reuters

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