Schon der Veranstaltungsort war eine Provokation: Am Wochenende hatte Donald Trump auf dem Flughafen von Waco im Bundesstaat Texas eine Wahlkampfveranstaltung abgehalten. Die Stadt war vor 30 Jahren Schauplatz einer blutigen Tragödie. Polizeibeamte stürmten nach wochenlanger Belagerung eine Ranch, auf der sich bewaffnete Anhänger des Gurus David Koresh der regierungsfeindlichen Endzeitsekte Branch Davidians verschanzt hatten. Das Anwesen ging in Flammen auf, mehr als 80 Sektenmitglieder und vier Polizisten starben. Seither ist Waco ein Pilgerort für Rechtsextreme, die darin ein Symbol für eine tyrannische Regierung sehen.
"Der 6. Januar war einer der schlimmsten Tage der US-Geschichte"
Dass Trump dann bei seinem Auftritt den Angriff auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 als friedliche Demonstration verharmloste und die Randalier würdigte, ging aber sogar führenden Politikern aus seiner eigenen Partei zu weit. "Ich denke, das Beste, was Präsident Trump tun kann, ist, sich auf die Probleme zu konzentrieren, mit denen die Menschen heute konfrontiert sind", sagte der republikanische Senator Lindsey Graham, einer der wichtigsten Verbündeten von Trump im Kongress, der "Huffington Post". "Es gibt keine Möglichkeit, das amerikanische Volk davon zu überzeugen, dass der 6. Januar weniger als ein schrecklicher Tag war."
Graham erklärte weiter, die Behauptung, die gewalttätigen Ausschreitungen Hunderter Trump-Anhänger seien "ein Spaziergang durch den Park, sind beleidigend für mich. Das ist nicht die Realität. Es war einer der schlimmsten Tage in der amerikanischen Geschichte, und so muss es auch gesehen werden".
Der Senator aus South Carolina widersprach Trump auch bei NBC News: "Der 6. Januar war einer der schlimmsten Tage in der amerikanischen Geschichte", wiederholte er gegenüber dem US-Sender. Jeder habe das Recht auf ein ordentliches Verfahren, aber wenn man sagen wolle, "dass diejenigen, die am 6. Januar beteiligt waren, eine Art Helden sind? Nein!" Graham stellte klar: "Ich werde mich nicht bemühen, den 6. Januar zu beschönigen."
Trump wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt – diese juristischen Probleme hat er noch am Hals

Die heute 79-jährige Carroll hatte Trump beschuldigt, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine des New Yorker Luxus-Kaufhauses Bergdorf Goodman vergewaltigt zu haben. Öffentlich machte die langjährige Kolumnistin des Magazins "Elle" ihren Vorwurf erst 2019, als Trump Präsident war. Trump bezichtigte Carroll der Lüge und erklärte, sie sei nicht sein "Typ".
Strafrechtlich waren die Vorwürfe verjährt, doch zivilrechtlich konnte Carroll gegen den Milliardär vorgehen, und so verklagte Carroll Trump in New York wegen Verleumdung und im vergangenen November in einer zweiten Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst sowie erneut wegen Verleumdung. Sie verlangte Schmerzensgeld und Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Weil es sich um einen Zivilprozess und nicht um ein Strafverfahren handelte, drohte Trump keine Gefängnisstrafe.
Für die Geschworenen war der Fall offenbar klar: Nach weniger als dreistündigen Beratungen sprachen sie Carroll fünf Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) zu – zwei Millionen Dollar wegen sexuellen Missbrauchs und drei Millionen Dollar wegen Verleumdung. Ihr Urteil sei für alle Frauen, die ähnliches erlebt hätten, sagte die Autorin nach der Entscheidung. Es gehe ihr nicht um das Geld. Sie habe ihren Namen reinwaschen wollen. Und sie hätte Trump gerne im Zeugenstand vor Gericht gesehen.
Trumps Anwalt Joe Tacopina kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Er verwies unter anderem darauf, dass Carroll Trump stets Vergewaltigung zur Last gelegt habe, die Geschworenen aber lediglich sexuellen Missbrauch anerkannt hätten. Trump selbst reagierte erbost auf den Ausgang des Zivilprozesses. "Dieses Urteil ist eine Schande, eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten", wetterte der 76-jährige auf seiner Onlineplattform Truth Social. Mit Blick auf Carroll erklärte Trump: "Ich habe überhaupt keine Ahnung, wer diese Frau ist."
Vor dem Urteil hatte der Ex-Präsident fälschlicherweise behauptet, er habe sich in dem Verfahren nicht "verteidigen" dürfen. Trump war dem Prozess aus eigenen Stücken ferngeblieben, zu einem Erscheinen vor Gericht war er nicht verpflichtet. Trump war während des Prozesses sogar zu einem Golfplatz in Schottland gereist, der ihm gehört.
Ähnlich äußerte sich der texanische Senator John Cornyn: "Leute, die gegen das Gesetz verstoßen haben, sollten strafrechtlich verfolgt werden. Und das haben sie auch getan", sagte der frühere stellvertretende Sprecher der Republikaner im Senat. "Ich verstehe diesen zurückschauenden Blick einfach nicht. Wenn man für das Präsidentenamt oder ein anderes Amt kandidiert, wollen die Leute nicht, dass man alle Missstände der Vergangenheit wieder aufrollt. Sie wollen wissen, was deine Vision für die Zukunft ist. Und deshalb glaube ich nicht, dass das ein Erfolgsrezept ist."
Cornyn äußerte sich ebenfalls gegenüber der "Huffington Post": "Ich habe noch nie erlebt, dass jemand erfolgreich in ein Amt gewählt wurde, dessen Kampagne sich um etwas aus der Vergangenheit drehte", stellte er fest. "Ich glaube, die Menschen wollen eine positive Vision für die Zukunft."
Cornyns Nachfolger im Senat, der aktuelle Vizesprecher der Republikaner John Thune, verwies auf NBC News auf frühere Kommentare, in denen er die Gewalt vom 6. Januar verurteilt habe, und stellte ebenfalls Trumps Entscheidung infrage, sich weiterhin auf diesen Tag zu konzentrieren. "Das ist ein Leben in der Vergangenheit", monierte Thune. "Und ich denke, die meisten Menschen wollen mehr über die Dinge hören, die man tun wird, um die Zukunft besser und heller für sie zu machen."
Der Sturm auf das Kapitol: Diese Bilder erschütterten die Welt

Der republikanische Senator Mike Rounds zeigte sich derweil bestürzt darüber, dass Trump während seines Auftritts Filmmaterial vom Aufstand am 6. Januar auf Großbildschirmen hat zeigen lassen. "Ich war enttäuscht über die Art und Weise, wie er Clips von diesem Tag verwendet hat. Das war ein schlimmer Tag für dieses Land", zitiert ihn die "Huffington Post". "Was an diesem Tag geschah, kam einem versuchten Aufstand so nahe wie seit Langem nicht mehr, und ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns stolz auf diesen Tag sein sollte."
Donald Trump unterstützt Chor aus Kapitol-Angreifern
Eine Hand auf dem Herzen haltend hatte Trump seine Kundgebung am Samstag mit dem Lied "Justice for All" eröffnet. Das Stück wird von einem Männerchor gesungen, dessen Mitglieder wegen ihrer Beteiligung an der Erstürmung des Kapitols verurteilt und bestraft wurden. Die mit dem Song erzielten Einnahmen sind für Familien von Trump-Anhängern bestimmt, die sich im Zusammenhang mit den Ausschreitungen vor Gericht verantworten müssen. In dem Lied rezitiert Trump den Treueschwur auf die USA, während der Chor die Nationalhymne singt.
Dass Parteikollegen Trump beim Thema Kapitol-Sturm an den Karren fahren, heißt aber noch lange nicht, dass sie dem Umfragefavoriten für die Kandidatur der Republikaner bei der Präsidentschaftswahl 2024 nicht mehr bei seiner Bewerbung den Rücken stärken. "Ich werfe ihm nicht vor, dass die Leute das Gesetz in ihre eigenen Hände nehmen", sagte Graham der "Huffington Post" auf die Frage, ob nun seine bisherige Unterstützung für den 76-Jährigen erschüttert sei. "Die Leute wollten das Hauptquartier [des Demokratischen Nationalkomitees] in die Luft jagen, bevor er überhaupt gesprochen hat", behauptete Graham. "Der Punkt ist, dass ich mich nicht an irgendwelchen Bemühungen beteiligen werde, den 6. Januar zu verharmlosen."
Und der republikanische Senator Tommy Tuberville aus Alabama rechtfertigte Trumps Darstellung des Angriffs auf das Herz der US-Demokratie sogar als Schritt zur Wählermobilisierung: "Wenn man solche Kundgebungen abhält oder in einen Wahlkampf einsteigt, setzt man alles ein, was einem zur Verfügung steht", konstatierte Tuberville. Er könne nicht sagen, ob das gut oder schlecht sei, vermied der Senator eine Verurteilung Trumps. Aber er sei sich sicher, dass der Ex-Präsident versuche, die Leute zu begeistern. "Jeder sucht nach einem Vorteil. Unterm Strich geht es darum, zu gewinnen. Das ist Politik."
Quellen: NBC News, "Huffington Post"