Hoffnungsschimmer im Ukraine-Konflikt: Die Regierungstruppen und die prorussischen Rebellen haben rund 190 Gefangene ausgetauscht. Die Übergabe fand am Samstagabend an der Frontlinie in der Region Lugansk statt, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Der Austausch war Teil des Minsker Abkommens. Da die darin ebenfalls vereinbarte Waffenruhe seitdem mehrfach gebrochen wurde, erwägen die USA eine Ausweitung ihrer Sanktionen gegen Russland.
139 ukrainische Soldaten und 52 prorussische Separatisten wurden bei den Austausch aus der Gefangenschaft entlassen. Einige der in der Stadt Scholobok übergebenen Soldaten waren verwundet, sie gingen an Krücken. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bezeichnete die Soldaten als "ukrainische Helden". Es war der größte Gefangenenaustausch in dem Konflikt seit Dezember. Scholobok liegt rund 40 Kilometer nordwestlich von der Rebellenhochburg Lugansk entfernt.
Vor gut einer Woche hatten Kiew und die Rebellen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk nach langen Verhandlungen ein Abkommen unterzeichnet, in dem neben einer Waffenruhe der Abzug schwerer Waffen, die Einrichtung einer Pufferzone und ein Gefangenenaustausch vereinbart wurden. Der Austausch der Gefangenen ist ein positiver Schritt zur Umsetzung des Minsk-II-Abkommens. Die darin vorgesehene Waffenruhe, die vor einer Woche in Kraft trat, wurde hingegen wiederholt gebrochen, weshalb beide Seiten den eigentlich geplanten Abzug schwerer Waffen ablehnten. Die Kämpfe konzentrierten sich zuletzt vor allem auf den Bahnknotenpunkt Debalzewe, der am Mittwoch schließlich von den Rebellen erobert wurde.
USA prüfen Verschärfung von Sanktionen gegen Russland
Bei den Gefechten um Debalzewe wurden laut Präsidentenberater Juri Birjukow seit Mitte Januar mindestens 179 Soldaten getötet, weitere 81 Soldaten würden noch vermisst. Der wochenlange Kampf um Debalzewe war für die Armee somit die verlustreichste Schlacht seit Beginn des Konflikts im April 2014. Debalzewe liegt zwischen den beiden Rebellenhochburgen Donezk und Lugansk. In der Stadt waren seit Mitte Januar tausende ukrainische Soldaten eingekesselt. Verteidigungsminister Stepan Poltorak erklärte am Samstag, dass bei dem Rückzug der Armee 20 Soldaten getötet worden seien. Bislang hatte er von 13 Toten gesprochen.
In Donezk war am Samstagmorgen erneut Artilleriefeuer zu hören. In Awdiiwka fünf Kilometer weiter nördlich wurden nach Polizeiangaben drei Zivilisten getötet. Die ukrainische Armee teilte mit, dass ein Soldat getötet und 40 weitere verletzt worden seien.
US-Außenminister John Kerry kündigte eine mögliche Verschärfung der Sanktionen gegen die russische Regierung an, die nach Ansicht Washingtons für die Verletzung der Waffenruhe verantwortlich ist. Er erwarte das Präsident Barack Obama "in den kommenden Tagen" die Möglichkeiten prüfe und "seine Entscheidung trifft", sagte Kerry in London. Er sei "zuversichtlich", dass weitere Schritte als Reaktion auf den Bruch der Feuerpause im Osten der Ukraine folgen werden. Der Westen und die Ukraine werfen Russland vor, die Rebellen mit Waffen und Soldaten zu unterstützen. Moskau dementiert dies.
Gauck reist nach Kiew
Die Entmachtung des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch jährt sich an diesem Wochenende zum ersten Mal. In Kiew ist für Sonntag eine Zeremonie zum Gedenken an die Demonstrationen auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew geplant, an der auch Bundespräsident Joachim Gauck teilnimmt. Die Maidan-Proteste hatten zum Sturz der prorussischen Regierung in Kiew geführt. Bei den Straßenkämpfen auf dem Maidan wurden etwa hundert Menschen getötet. In Kiew hatten am Freitag tausende Ukrainer der Opfer gedacht.
In Moskaus wurden derweil Anti-Maidan-Proteste organisiert. Bis zu 40.000 Unterstützer von Präsident Wladimir Putin zogen durch die russische Hauptstadt, um ihren Unmut über den Machtwechsel in der Ukraine zu äußern.