US-Kabinett Obama hat seine All Stars zusammen

  • von Sabine Muscat
Barack Obama hat seine wichtigsten Minister beisammen: Hillary Clinton fürs Außenamt und Timothy Geithner fürs Finanzressort. Der designierte US-Präsident setzt auf Kompetenz statt Parteipolitik. Nur der versprochene Wandel bleibt aus.

Wer solche Parteifreunde hat, braucht keine Feinde mehr. Hillary Clinton stand vor einer amerikanischen Flagge, ein ironisches Flackern in den Augen, einen abschätzigen Zug um die Mundwinkel. "Ich bringe lebenslange Erfahrung ins Weiße Haus", sagte sie in das vor ihr aufgebaute Mikrofon. Wie auch der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain setzte sie noch eins drauf. "Senator Obama kann eine Rede aus dem Jahr 2002 vorweisen." Gemeint war die Anti-Irak-Kriegs-Rede eines jungen Politikers in Chicago, der an den schweren Entscheidungen in Washington damals nicht beteiligt war.

Drei Tage vor den Vorwahlen in Texas und Ohio war der innerparteiliche Zweikampf der beiden Demokraten auf dem Höhepunkt, Clinton sah eine der letzten Chancen für ihre Kandidatur. Doch auch Barack Obama war nicht zimperlich: "Senatorin Clinton verwechselt Erfahrung mit Langlebigkeit in Washington", giftete er bei einer Debatte der Rivalen in Ohio. Sein Argument gewann: Die politikmüden Amerikaner zogen den "Wandel", den Obama versprach, der Kontinuität vor.

Auf die Erfahrung möchte der Neue nun aber doch nicht verzichten. Nicht einmal auf die von Hillary Clinton. Die Frau, die noch vor einem halben Jahr seine ärgste Rivalin war, solle als Außenministerin in sein Kabinett einziehen, berichten die amerikanischen Leitmedien. Die Gespräche über ihre Nominierung seien "auf gutem Weg", lassen sich die Berater zitieren.

Viele alte Bekannte

Nicht nur die New Yorker Senatorin und frühere First Lady wäre ein Profi in der neuen Regierung. Erfahrung ist Trumpf bei fast allen geplanten Kabinettsernennungen, die bisher durchgesickert sind. Der Einzige, der in dieser Mannschaft noch ein "training on the job" brauchte, witzeln US-Kommentatoren, wäre der Präsident selbst. Viele alte Bekannte aus der Regierung von Bill Clinton sind unter den Personalien. Bill Richardson etwa, der Gouverneur von New Mexico, der unter Clinton Energieminister und Uno-Botschafter war. Auch er war als Chef des State Department im Gespräch, nun soll er das Handelsressort leiten. Obamas künftiger Stabschef, der Kongressabgeordnete Rahm Emanuel, war ein ranghoher Berater von Clinton.

Doch es geht nicht nur um die Wiedergeburt der Clintonistas. Quer durch die Bank sind es die Klügsten und die Besten, die der Harvard-Jurist Obama in seine Regierung holen will. So gespickt mit Eliteuniabschlüssen sind die Lebensläufe der Kandidaten für einflussreiche Posten in der Obama-Meritokratie, dass der "New York Times"-Kommentator David Brooks schon lästerte, dass es beim jährlichen Footballspiel zwischen Harvard und Yale im November, zu dem viele Ex-Absolventen anreisen, keinen Terroranschlag geben dürfe - die Regierung wäre nicht beschlussfähig.

Ein neuer Star im Team

Einer der neuen Stars im Team, der Finanzminister Timothy Geithner, ist mit 47 Jahren so jung wie Obama - ein unbeschriebenes Blatt ist er deshalb nicht. Als Chef der New Yorker Zentralbank sowie als enger Vertrauter von Finanzminister Henry Paulson und Zentralbankchef Ben Bernanke war er an manchen Noteingriffen des Staates beteiligt - an der Rettung der Investmentbank Bear Stearns im März ebenso wie an der Entscheidung, den Konkurrenten Lehman Brothers im September pleitegehen zu lassen. Geithner kennt die Ursachen und den Verlauf der Finanzkrise wie kaum ein anderer. Die Börse quittierte die Ernennungsgerüchte am Freitag mit einem vielversprechenden Kursanstieg.

Der Finanzexperte mit dem jungenhaften Gesicht, der schon für Ronald Reagans Finanzministerium und für den Internationalen Währungsfonds gearbeitet hat und der fließend Chinesisch spricht, überzeugte Obama offenbar so sehr, dass er einen altgedienten Clinton-Mann aus dem Feld schlug. Geithners ausgeglichenes Temperament und seine sachliche Art lägen Obama mehr als der eitle Lawrence Summers, Ex-Finanzminister unter Clinton, hieß es. Obama, der schon in seinem Wahlkampfteam keine "drama queens" geduldet hat, soll sich auf Anhieb gut mit Geithner verstanden haben. Summers soll dennoch den National Economic Council leiten.

Qualifikation und persönliche Chemie

Qualifikation und persönliche Chemie schlagen in Obamas Team parteipolitische Überzeugungen. Das gilt nicht nur für Geithner, der als unabhängiger Wähler registriert ist und früher Republikaner war. In seinem Kabinett werde es auch einen waschechten Republikaner geben, kündigte Obama an. Beobachter tippen auf den derzeitigen Verteidigungsminister Robert Gates, der für die Zeit des Übergangs im Amt bleiben könnte. Gates, der den Irak-Krieg von seinem unbeliebten Vorgänger Donald Rumsfeld geerbt hat, wird von beiden politischen Lagern respektiert und liegt in vielen strategischen Fragen mit dem neu gewählten Präsidenten auf einer Linie. Dazu gehören die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo sowie die geplante Verlagerung des Einsatzschwerpunkts des US-Militärs vom Irak nach Afghanistan.

Doch ob die Vision vom "Team der Rivalen", die Obama von seinem historischen Vorbild Abraham Lincoln abgeschaut hat, aufgeht, dürfte sich weder an Republikanern noch an jungen Überfliegern entscheiden. Das große Experiment bei der Kabinettsauswahl bahnt sich im eigenen Lager an: mit der Ernennung von Hillary Clinton zur Außenministerin.

"No drama Obama"

"No drama Obama", wie ihn seine Mitarbeiter nannten, ist im Begriff, die Frau zu engagieren, die als seine Rivalin gezeigt hat, dass sie alle Formen des dramatischen Fachs beherrscht. Die nach ihrer Niederlage bei der Vorwahl in Iowa ein paar Tränen zerdrückte - und damit in New Hampshire weibliches Mitleid und die Mehrheit der Stimmen gewann. Die nach jedem Sieg hysterisch lachend im Konfettiregen stand - und die nach jeder Niederlage eine verkrampfte Pseudo-Siegesrede hielt. Die noch quer durch Amerika tourte, als sie rechnerisch bereits verloren hatte - mit einem unkontrollierbaren Ehemann und Ex-Präsidenten im Schlepptau, der auch vor rassistischen Bemerkungen nicht haltmachte, um den Gegner seiner Frau zu schwächen.

Und die dem Rivalen Obama mehr als nur einmal die außenpolitische Qualifikation absprach. In einem Wahlwerbespot warnte sie vor einem Szenario, in dem ein unerfahrener Präsident den Hörer abhebe, wenn nachts um drei das rote Krisentelefon im Weißen Haus klingele. Obamas Vorschlag von Verhandlungen mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad wies sie als "unverantwortlich und naiv" zurück.

Nun wird Obama am roten Telefon sitzen, neben sich wird er den außenpolitisch ebenfalls ambitionierten Vizepräsidenten Joe Biden haben. Und Clinton könnte als Außenministerin bald vor der Aufgabe stehen, die diplomatischen Ideen von Obama-Biden umzusetzen.

Die Rückkehr der First Lady

Etwas "Drama" scheint garantiert mit der Rückkehr der früheren First Lady, die sicher mehr sein wird als eine Erfüllungsgehilfin. Auch Ehemann Bill, dessen finanzstarke Clinton Foundation die Namen von 208.000 Spendern an das Obama-Team übergeben musste, bleibt eine Kraft mit globaler Reichweite. Das muss nicht schlecht für die internationale Zusammenarbeit sein, meinen die optimistischen Kommentatoren. Die Clintons seien bekannt und angesehen und könnten Amerika in aller Welt gut repräsentieren. Doch werden sie dabei auch Obama repräsentieren? Seit der dramatisch zelebrierten Stabsübergabe beim demokratischen Parteitag in Denver haben sich beide jedenfalls viel Mühe gegeben und für Obama Wahlkampf gemacht. Und als der Republikaner John McCain den Clinton-O-Ton, in dem sie Obama die Erfahrung absprach, im Herbst für einen Wahlwerbespot verwendete, trat die Demokratin wieder vor ein Mikrofon und sagte im offiziellen Stil der Wahlwerbespots: "Ich bin Hillary Clinton. Und ich billige diese Botschaft nicht."

FTD