Wahl in Afghanistan Tote bei Gefechten mit Taliban

Durch den Terror der Taliban sind viele Afghanen mit Angst zur Wahl gegangen oder haben den Gang zur Wahlurne sogar ganz gescheut. Im ganzen Land gab es Anschläge.

Nach massiven Drohungen sowie Angriffen auf Wahllokalen durch die Taliban haben sich offenbar weniger Afghanen an der zweiten Präsidentenwahl beteiligt als vor fünf Jahren. Vor allem im Süden des Landes zeichnete sich am Donnerstag eine geringe Beteiligung ab, was als Nachteil für Amtsinhaber Hamid Karsai gewertet wurde. Anders sah im Norden des Landes aus, wo auch der Verantwortungsbereich der Bundeswehr liegt. Im gesamten Norden, in Kabul und auch im Osten hätten sich vor den Wahllokalen lange Schlangen gebildet, berichtet ein Beobachter der Vereinten Nationen (UN).

Allerdings kam es überall im Land auch zu Angriffen auf Wahllokale und zu schweren Gefechten, in die zum Teil auch deutsche Soldaten verstrickt waren. Der Polizeisprecher in der Provinz Baghlan, Jawid Bascharat, sagte, bei einem Angriff der Taliban im Distrikt Baghlan Dschadeed seien 21 Aufständische getötet worden und 22 weitere verwundet worden. Der Distrikt-Polizeichef sei getötet worden, zwei weitere Polizisten seien verletzt worden. Die Gefechte seien inzwischen beendet. Aufständische schossen weitere Raketen auf die nordafghanische Stadt Kundus ab, dem Standort des Bundeswehr-Kontingents in Afghanistan. Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier rechtfertigte die Präsenz der deutschen Soldaten am Hindukusch. Afghanistan dürfte nicht wieder Rückzugsgebiet für Terroristen werden und müsse in die Lage versetzt werden, selbst zur Demokratie zu finden. Doch: "Ich rechne nicht damit, dass wir noch zehn Jahre oder länger in Afghanistan präsent sein werden", sagte Steinmeier.

Auch Karsai lässt Zeigefinger einfärben

Präsident Karsai war am Morgen in seiner traditionellen Kleidung erschienen, um unter großen Sicherheitsvorkehrungen in einer Schule seine Stimme abzugeben. Wie alle anderen Wähler ließ er seinen Zeigefinger mit einer wasserunlöslichen Tinte färben. Mit dieser Maßnahme soll eine doppelte Stimmabgabe verhindert werden.

Der Präsident hatte die Bevölkerung dabei noch einmal zur Beteiligung an der Wahl aufgerufen, "damit Afghanistan durch ihre Stimme sicherer und friedlicher wird". Allerdings verlief die Wahl in Kabul zunächst eher verhalten. In einer Schule im Osten der Hauptstadt war um 7 Uhr morgens alles bereit, aber niemand erschien, um seine Stimme abzugeben. Vor einem anderen Wahllokal näherten sich einige Wähler vorsichtig, blieben 50 Meter vor dem Gebäude aber erst einmal stehen, um die Lage zu prüfen. "Wenn etwas passiert, wollen wir nicht zu nah dran sein", sagte ein 35-jähriger Mann. Vor einem Wahllokal in einer Moschee im Osten Kabuls sagte ein Händler sogar: "Niemand ist so verrückt, dort hinein zu gehen. Heute morgen gab es dort eine Explosion und Kämpfe."

Wahlen in Afghanistan

Die Afghanen sind zum zweiten Mal in der Geschichte des Landes zur Wahl eines Präsidenten aufgerufen. Laut der afghanischen Wahlkommission sind rund 17 Millionen Afghanen wahlberechtigt, etwa 40 Prozent davon sind Frauen. 36 Kandidaten bewerben sich um das Präsidentenamt. Für die 420 Sitze in den 34 Provinzen bewerben sich 3197 Kandidaten, darunter 328 Frauen. Rund 6800 Wahllokale sind eingerichtet. Um die Wahlunterlagen auch in die entlegenen Gebiete des Landes zu bringen, hat die Wahlkommission über 3000 Autos, drei Hubschrauber und 3171 Esel eingesetzt. Die Wahl wird von rund 175.000 afghanischen Sicherheitskräften und mehr als 100.000 Soldaten unter Nato- und US-Mandat gesichert. Das offizielle Ergebnis soll am 3. September veröffentlicht werden. Wird eine Stichwahl nötig, soll diese am 1. Oktober stattfinden. (AP)

In Kandahar, der größten Stadt im Süden des Landes, sagte ein Regierungsbeamter, die Beteiligung sei etwa 40 Prozent geringer als bei der ersten direkten Präsidentenwahl in der Geschichte des Landes vor fünf Jahren. Kandahar gilt als Wiege der islamisch-fundamentalistischen Taliban-Miliz. Diese hat zum Boykott der Wahl aufgerufen und in den Tagen vor der Abstimmung mehrere blutige Anschläge verübt.

Medien sollen nicht über Anschläge berichten

Auch am Donnerstag kam es zu mehreren gewaltsamen Zwischenfällen. In der Nähe eines Wahllokals in Kabul gab es eine Explosion. Dabei wurde ein Wahlbeobachter verletzt, und die Stimmabgabe wurde für kurze Zeit unterbrochen. In der Provinz Helmand schlugen mehr als 20 Raketen in der Nähe einer Gruppe von Wählern ein. Dabei wurde in der Provinzhauptstadt Laschkar Gah ein Kind getötet. Das Außenministerium rief die Medien auf, während der Wahl nicht über Anschläge zu berichten.

Allerdings erlebten die Menschen vielerorts ohnehin, was sich im Land ereignete. So schlug im nordafghanischen Bundeswehr-Standort Kundus eine Rakete in einem Wahllokal ein. Eine zweite Rakete sei hinter der Schule detoniert, die als Wahllokal genutzt wird, berichtete ein Sprecher des Provinz-Gouverneurs. Niemand sei verletzt worden. Ebenfalls in Kundus lieferten sich Polizisten und drei mutmaßliche Taliban-Kämpfer heftige Schusswechsel. Die Extremisten hätten Selbstmordanschläge geplant, verlautete am Donnerstag aus Polizeikreisen. Sie hätten ein Gebäude im Osten der Hauptstadt besetzt. Die Taliban bestätigten, drei Männer seien in die Kämpfe verwickelt.

Angeblich Attacken auf 16 Wahllokale

In der an Kundus angrenzenden Provinz Takhar teilte die Polizei mit, zwei Selbstmordattentäter seien festgenommen worden, als sie versucht hätten, in ein Wahllokal einzudringen. In der Nähe des Polizei-Hauptquartiers sei ein Sprengsatz detoniert, der eine Wand zum Einsturz gebracht habe. Opfer habe es nicht gegeben. Unbestätigten Angaben zufolge kam es in weiteren Provinzen zu gewaltsamen Zwischenfällen.

Die Taliban teilten mit, ihre Kämpfer hätten 16 Wahllokale im Land angegriffen. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es bisher allerdings nicht. Angaben der Islamisten sind der Erfahrung nach häufig übertrieben. Die Aufständischen haben zum Boykott der Präsidentschaftswahl aufgerufen und Wähler bedroht.

Über der Hauptstadt Kabul kreisten am Donnerstag permanent Hubschrauber, die Sicherheitskontrollen wurden nochmals verschärft. Abgesichert wurde die Wahl von rund 175.000 afghanischen Sicherheitskräften sowie mehr als 100.000 ausländischen Soldaten. Im Norden war die Beteiligung offenbar höher als im Süden. Dies könnte für Karsais Herausforderer Abdullah Abdullah ein Vorteil sein. Der ehemalige Außenminister ist nach Karsai der aussichtsreichste Bewerber unter den insgesamt 36 Kandidaten. Als Sohn eines paschtunischen Vaters und einer tadschikischen Mutter genießt Abdullah in Nordafghanistan mehr Zustimmung als im überwiegend paschtunischen Süden.

Rund 17 Millionen Menschen waren wahlberechtigt, wobei neben dem Präsidenten auch die Zusammensetzung der Provinzräte zur Abstimmung anstand. Um die 420 Mandate in den 34 Provinzen des Landes bewarben sich 3197 Kandidaten, darunter 328 Frauen. Erste Ergebnisse aus Kabul werden am Samstag erwartet. Sollte kein Kandidat die absolute Mehrheit erringen, wird am 1. Oktober eine Stichwahl erforderlich.

Karsai war von einer Afghanistan-Konferenz der Vereinten Nationen auf dem Bonner Petersberg kurz nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Herbst 2001 zum vorläufigen Regierungschef bestimmt worden. Im Juni 2002 bestätigte eine große Versammlung von Stammesältesten, die Loja Dschirga, Karsai als Übergangspräsident. Die erste landesweite Wahl 2004 gewann der Paschtune dann mit 55,4 Prozent der Stimmen bereits im ersten Wahlgang.

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DPA/AP/Reuters